Letzte Aktualisierung: um 18:55 Uhr

Wetterphänomene

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Turbulenzen

Schon wieder geriet ein Flugzeug dieser Tage in schwere Turbulenzen - dieses Mal traf es Emirates. Sind solche Vorfälle gefährlich? Und wie lassen sie sich verhindern. Fragen und Antworten zum Thema.

Der Airbus A380 von Emirates war am Montag (4. Dezember) gerade unterwegs von Perth nach Dubai. Er befand sich gerade über dem Persischen Golf, als eine Durchsage aus dem Cockpit die Insassen aufforderte, sich hinzusetzen und anzuschnallen. Der Superjumbo geriet in schwere Turbulenzen. Und offenbar waren trotz Ankündigung nicht alle Insassen angeschnallt.

14 Personen verletzten sich bei dem Vorfall von Flug EK421. Fotos aus der Kabine zeigen Schäden in der Decke, die entstanden, als Reisende mit dem Kopf dagegen stießen. Die Turbulenzen waren laut Emirates unerwartet, wohl auch deshalb ging es schon sehr schnell nach der Ankündigung los.

Immer mehr Vorfälle

Es ist einer von vielen Fällen dieser Art, die es dieses Jahr in die Medien geschafft haben. Unter anderem im März, als sowohl ein Flugzeug von Lufthansa als auch eines von Condor betroffen waren. Doch wieso kommt es immer wieder zu diesem extremen Gewackele? Kann man dagegen etwas tun? Und was hat das mit dem Klimawandel zu tun? Wir haben Antworten.

Welche Turbulenzen sind besonders schlimm?
Zum einen gibt es die Turbulenzen, die die Besatzung in der Planung des Fluges berücksichtigen kann. Sie ergeben sich aus messbaren Wetterphänomenen wie etwa Sturm oder Gewitter. Daher wissen Crews meist auch vorher, ob sie das Anschnallzeichen anschalten müssen.

Die sogenannten Clear Air Turbulence – treten oft ohne Vorwarnung aus heiterem Himmel auf. Das sind die Turbulenzen, bei denen es oft Verletzte gibt, weil sie ohne Vorwarnung auftreten. Sie sind für das Flugzeug nicht gefährlicher als andere Turbulenzen. Aber auch hier ist wichtig: Schnallen Sie sich immer an, wenn Sie sitzen.

Wie sind die Cockpit-Crews bei Turbulenzen gefordert?
Egal, wie schlimm die Turbulenzen sind, in denen Sie sich gerade befinden: Sie sind nicht so schlimm, wie Sie meinen. Wenn Sie also einmal im Flugzeug sitzen und es beginnt, sehr stark zu wackeln, erinnern Sie sich daran, was ein Pilot einer großen europäischen Airline aeroTELEGRAPH berichtet.

«Die größte Sorge für uns ist meistens, ob die Passagiere – und wir – nun in Ruhe essen und trinken können.» Wenn Sie vor Ihrem Inneren Auge die Piloten im Cockpit sehen, die panisch die Instrumente bedienen, dann liegen Sie also daneben. «Man muss einfach ruhig bleiben und warten, bis sie vorbei sind», so der Pilot. Wenn möglich versucht man aber, die Turbulenzen zu umfliegen – zum Wohl der Passagiere.

Hält das Flugzeug das wirklich aus?
«Was ein Flugzeug an Turbulenzen aushalten kann, übertrifft das, was die meisten von Ihnen sich vorstellen können», so der Pilot zu aeroTELEGRAPH. Flugzeuge sind gegenüber der Luft deutlich widerstandsfähiger als jedes Schiff im Wasser. Vor der Zulassungen werden Flieger in Extrembedingungen getestet, unter anderem werden die Flügel um über fünf Meter verbogen – ohne dass etwas passiert.

Dennoch beunruhigt viele Passagiere der Blick aus dem Fenster, wenn es Turbulenzen gibt: Sie sehen, wenn es wackelt, wie die Flügel sich biegen. Doch genau das ist etwas, was Sie sehen wollen! Denn: Dadurch passt sich das Flugzeug dem Luftwiderstand an und fängt einen Teil der Turbulenzen ab. Machen Sie sich also um das Flugzeug keine Sorgen.

Gibt es Technik, die Turbulenzen verhindern kann?
Ganz verhindern lassen sich Turbulenzen nicht. Boeing preist als eines der Verkaufsargumente für den Dreamliner auch die Smoother-ride-Technik an. Diese soll das Flugzeug in Turbulenzen so stabilisieren, dass es weniger stark wackelt. Der Computer sendet je nach Wetterlage Signale an die Flügel, bei denen dann bestimmte Teile angepasst werden.

Außerdem gibt es auch Applikationen und Technologie, mit denen die Pilotinnen und Piloten arbeiten, um Turbulenzen umfliegen zu können. So gab etwa erst gerade Swiss bekannt, ihre Crews mit einer neuen App des Dienstleisters Sita auszustatten. Die App sei deutlich akkurater als die Turbulenzvorhersage in den heute in der Luftfahrt verwendeten Wetterkarten, so Sita.

Und über den Wetterradar im Flugzeug würden zum Beispiel Clear-Air-Turbulenzen, die außerhalb von Wolken stattfinden, nicht erkannt. Das soll die App ändern, welche die Lufthansa-Tochter künftig anwendet, indem unter anderem Echtzeitdaten von Fliegern auf derselben Route eingespielt werden.

Und die Triebwerke?
Dafür ein unappetitliches Beispiel: Flugzeugtriebwerke werden vor ihrem Einsatz auf das Äußerste getestet. Für die Zertifizierung muss sichergestellt werden, dass sie einer Kollision mit einem großen Vogel oder einem Vogelschwarm standhalten können. Dafür werden unter anderem tote Hühner ins Triebwerk geschleudert. Ein paar Unregelmäßigkeiten im Luftwiderstand – und mehr sind Turbulenzen nicht – kann ein Triebwerk also ohne Weiteres standhalten.

«Fällt» ein Flugzeug während Turbulenzen Dutzende Meter?
Patrick Smith war jahrzehntelang Pilot und beantwortet auf seiner Internetseite «Ask The Pilot» Fragen von Passagieren – auch zum Thema Turbulenzen. «Ich erinnere mich an einen Flug, als wir halb über den Atlantik waren und ungewöhnlich starke Turbulenzen aufkamen», so Smith. «Es war die Art von Turbulenzen, von der Passagiere hinterher ihren Freunden berichten.»  Als dann zu hören war, wie Teller zerbrachen und Trolleys umfielen, erinnerte er sich an die Frage eines Lesers. Wie sehr verändert sich die Höhe während schlimmen Turbulenzen. Also schaute er auf den Höhenmesser.

«Es waren immer unter vierzig Fuß», so Smith. «Die meiste Zeit eher zehn bis zwanzig Fuß.» Das sind immer noch zwischen rund drei und zwölf Metern – also guter Grund für ein flaues Gefühl im Magen. Aber eben kein Grund, sich zu fürchten – solange man sitzt und angeschnallt ist.

Gibt es Strecken, die besonders betroffen sind?
Ja. Es gibt Gebiete, über denen es häufiger zu Turbulenzen kommt. Etwa bei Flügen über dem Schwarzen Meer. Auf Flügen über den Nordatlantik kann es durch den Jetstream zu Turbulenzen kommen. Windscherung heißt dieses Phänomen, wenn Turbulenzen auftreten, weil die Windrichtung oder -geschwindigkeit wechselt.

Auch Flüge, die über den Äquator führen, geraten deshalb eher in Turbulenzen – egal in welcher Höhe. In den USA kann es über den Rocky Mountains wackelig werden und auch bei Alpen-Überflügen kann es öfter ruckeln. Generell sind Gebirge turbulente Gebiete. Luft wird aufgewühlt, wenn sie über eine Bergspitze zieht. Ist das Flugzeug nicht weit genug über diesem Bereich, kommt es zu Turbulenzen.

Wird es in Zukunft mehr Turbulenzen geben?
Die Wahrscheinlichkeit, dass es künftig häufiger zu starken Turbulenzen kommen wird, ist hoch. Denn: Durch den Klimawandel verändern sich die Windverhältnisse, wie Forschende der britischen University of Reading herausgefunden haben. Der Jetstream, der Transatlantikflüge gelegentlich in Rekordzeit an ihr Ziel pustet, entsteht zum Beispiel durch Temperaturunterschiede zwischen den Polen und den Tropen.

Es sei nicht möglich, dass sich die Temperaturen ändern, ohne dass etwas mit den Winden geschehe, heißt es in der Studie, die vergangenes Jahr im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde. Die Klimaforschenden fanden auch andere Veränderungen. Durch den Anstieg der Temperaturen häufen sich vor allem vertikale Winde, also so genannte Fallwinde, die zwischen den verschiedenen Luftschichten wehen.

Die Auswertung von Satellitendaten für die Jahre 1979 bis 2017 ergab, dass diese Fallwinde um 15 Prozent zugenommen haben – was laut den Forschern das ist, was man laut den Berechnungen vom Klimawandel erwarten würde. Und diese Fallwinde sind es auch, die für sehr unangenehme Turbulenzen sorgen könnten.

Was kann ich selbst bei Turbulenzen tun?
Rufen Sie sich in Erinnerung, dass das Gewackele ungefährlich ist und dass Flugzeuge all das ohne Weiteres aushalten können. Haben Sie wirklich schlimme Angst, dann teilen Sie das den Flugbegleitern schon beim Einsteigen mit. Die erleben Turbulenzen an jedem Arbeitstag und können Ihnen sicherlich helfen, das Ganze in die richtige Perspektive zu rücken. Und vor allem: Schnallen Sie sich an und hören Sie auf die Anweisungen des Personals.