Letzte Aktualisierung: um 10:47 Uhr

Immer mehr Flieger am Boden

Europas Luftfahrt droht das Grounding

Viele Fluglinien fahren angesichts der Coronakrise die Kapazitäten drastisch zurück, andere bleiben ganz am Boden. Auch Ryanair schließt ein Grounding der Flotte nicht aus.

Frankfurts Flughafenchef erklärte am Freitag nicht nur, dass sein Airport mit einem Einbruch der Passagierzahlen um bis zu 70 Prozent rechnet. Stefan Schulte sagte, es gebe sogar Gerüchte, dass Europas Luftfahrt für Wochen ganz zum Stillstand kommen könnte. Daran glaube er zwar nicht, ganz ausschließen könne er es in der aktuellen Coronakrise aber auch nicht. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass es doch passiert.

Austrian Airlines teilte am Montagnachmittag (16. März) mit, den Betrieb bald vorübergehend einzustellen. Auch die anderen Fluglinien der Lufthansa-Gruppe fahren ihr Angebot auf ein Minimum herunter.

Sorge vor «langfristigem Reisestopp»

Auch Ryanair erklärte, man werde in den nächsten sieben bis zehn Tagen den Großteil seiner Flotte grounden. Für April und Mai rechne man damit, nur noch 20 Prozent der üblichen Kapazität anzubieten. «Und auch ein komplettes Grounding der Flotte kann nicht ausgeschlossen werden», erklärte der irische Billigflieger. Ryanair betreibt zusammen mit ihren Töchtern mehr als 460 Flugzeuge.

Grund für die drastischen Prognosen seien zum einen die neuen Reisebeschränkungen in vielen Ländern, so die Fluglinie. Zum andere würden die Regeln zur sozialen Distanz das Fliegen in vieler Hinsicht unpraktisch, wenn nicht gar unmöglich machen, schreibt Ryanair.

Rückgänge von bis zu 90 Prozent

Auch Easyjet kündigt mit Verweis auf die «beispiellosen Reisebeschränkungen» und die eingebrochene Nachfrage im Zuge der Coronakrise erhebliche Flugstreichungen an. «Diese Maßnahmen werden in absehbarer Zukunft fortlaufend weitergeführt und könnten darin resultieren, dass ein Großteil der Easyjet-Flotte am Boden bleibt», so die Fluggesellschaft. Der europäische Luftverkehr stehe vor einer unsicheren Zukunft und es gebe keine Garantie, dass die Airlines «einen möglicherweise langfristigen Reisestopp und die Risiken einer langsamen wirtschaftlichen Erholung überleben werden».

Auch Air France-KLM streicht sein Angebot weiter zusammen. Der französisch-niederländische Konzern erklärte ebenfalls am Montagvormittag, man werde in den kommenden Tagen 70 bis 90 Prozent der Kapazität streichen müssen. Man rechne damit, dass es bei diesen Zahlen für rund zwei Monate bleiben werde. Unter anderem werde man alle Boeing 747 von KLM und alle Airbus A380 von Air France am Boden lassen.

Lot und Air Baltic schon am Boden

Die Analysten der Investmentbank Morgan Stanley sind ebenfalls pessimistisch für Europas Luftfahrtsektor. In einer Analyse schreiben sie, was man vor zehn Tagen noch als schlimmsten Fall angenommen habe, werde nun durch neue Reisebeschränkungen sehr wahrscheinlich eintreten: ein Nachfragerückgang um 80 bis 90 Prozent.

Am Wochenende hatten bereits die polnische Lot und die lettische Air Baltic angekündigt, den Flugbetrieb komplett einzustellen. Finnair wird ab April nur noch 20 Routen bedienen. SAS erklärte, es gebe so gut wie keine Nachfrage mehr nach Flügen, weshalb man den größten Teil des Betriebes einstelle. Österreichs Bundeskanzler sagte, der Flugverkehr von und nach Österreich werde «fast zum Erliegen kommen». Und das deutsche Bundesland Baden-Württemberg verkündete am Montag, den Betrieb an allen Flughäfen einzustellen.

Deutschland will helfen

Angesichts der dramatischen Lage bitten die drei Airline-Allianzen Oneworld, Skyteam und Star Allianz in einer gemeinsamen Erklärung um Hilfe. Einerseits fordere man Regierungen weltweit auf, die Luftfahrtbranche zu unterstützen. Andererseits könnte etwa Flughäfen Landegebühren streichen, um den finanziellen Druck auf die Fluglinien zu senken.

Deutschland hatte bereits am Wochenende Unterstützung angekündigt. Thomas Jarzombek, Luftfahrtkoordinator der deutschen Bundesregierung stellte «Liquiditätshilfen» in Aussicht. Infrage kommt beispielsweise ein Kredit. Selbst eine Beteiligung des Staates am Lufthansa-Konzern ist demnach als Extremszenario ein Thema.