Lufthansa hat einen wichtigen Sieg im Rechtsstreit um ein Zubringer-Abkommen mit dem kleinen Konkurrenten errungen. Condor-Chef Peter Gerber sieht sich aber mitnichten geschlagen. Seine Fluggesellschaft hat nun im Wesentlichen vier Optionen.
Peter Gerber will kein schlechter Verlierer sein. «Das Urteil, das das Oberlandesgericht Düsseldorf gefällt hat, bedeutet, Lufthansa hat gewonnen und das Bundeskartellamt hat verloren, und das vollständig», sagte der Condor-Chef am Donnerstag (21. August) in einem Mediengespräch. «Da wir Nutznießer der Verfügung des Kartellamtes waren, ist es fair zu sagen: Wir haben auch verloren.»
Am Mittwoch hatte das Oberlandesgericht einen Beschluss des Bundeskartellamts aufgehoben. Laut diesem hätte Lufthansa mit der Kündigung des Zubringerabkommens mit Condor (Special Pro-Rate Agreement, SPA) gegen Kartellrecht verstoßen und wäre verpflichtet, neue Sondervereinbarungen mit Condor zu schließen.
«Der 1. Kartellsenat hat heute in der Hauptsache den Beschluss des Bundeskartellamts wegen formeller Rechtswidrigkeit aufgehoben», so das Oberlandesgericht. Lufthansa erklärte daraufhin, das Urteil würde «die in der Verfügung des Bundeskartellamts enthaltene Feststellung zu einer vermeintlichen Marktbeherrschung der Lufthansa Group und des Marktmissbrauchs» durch die Beendigung des Abkommens mit Condor gegenstandslos machen. Alle wichtigen Verfahren hätten nun bestätigt, dass die Kündigung rechtlich zulässig gewesen sei.
Gerber argumentiert dagegen, es sei keine Entscheidung dazu gefallen, ob Lufthansa eine marktbeherrschende Stellung habe und diese missbrauche, oder nicht. Das Urteil sei «eine rein formale Entscheidung, deren Inhalt es ist, festzustellen, dass die Besorgnis besteht, das Bundeskartellamt sei zu Ermittlungen und Entscheidung zu dieser Sache befangen gewesen», sagte Gerber. Zur eigentlichen Sache gebe es nach fünf Jahren Rechtsstreit immer noch keine Entscheidung. «Diese Kontroverse, diese Auseinandersetzung ist mitnichten beendet», so der Condor-Chef. Man prüfe nun, wie man weiter vorgehe.
Im Wesentlichen bleiben Condor vier Optionen und Hoffnungen:
1. Das Bundeskartellamt oder Condor könnten beim Bundesgerichtshof eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts einreichen. Sollte dies Erfolg haben, wäre anschließend eine Rechtsbeschwerde gegen das Urteil möglich. Sollte auch dies Erfolg haben, würde die Verfügung des Kartellamtes wieder gelten. Das Kartellamt erklärte auf Anfrage von aeroTELEGRAPH, man könne zum Urteil «gegenwärtig keinen Kommentar abgeben». Condor prüft laut Gerber eine Nichtzulassungsbeschwerde. Er räumt aber ein, dass er einen Erfolg auf diesem Weg für «nicht so wahrscheinlich» hält.
2. «Wir könnten eine weitere Beschwerde beim Bundeskartellamt erheben», sagt Condor-Chef Gerber. «Dem Kartellamt bliebe es überlassen, was es damit tut.» Theoretisch könnte das Kartellamt auch ohne eine erneute Beschwerde von Condor erneut tätig werden. Es dürfte aber vorerst mit dem Vorwurf der Befangenheit durch das Gericht beschäftigt sein.
3. Es läuft weiterhin eine Untersuchung der EU-Kommission zum transatlantischen Joint Venture A++. Dabei geht es um die gemeinsame Planung, Preissetzung und Vermarktung von Flügen der Airlines von Lufthansa Group, United Airlines und Air Canada zwischen Europa und Nordamerika. Diese enge Zusammenarbeit könnte laut der Kommission gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Sollte die Untersuchung zum Schluss kommen, dass dem wirklich so ist, könnte auch Condor mit der Hoffnung auf ein neues Zubringer-Abkommen profitieren. «Wir würden glauben, am Ende der Ermittlungen müsste das stehen», so Gerber. Zudem hat Condor im Mai 2025 beim Gericht der Europäischen Union auch dagegen geklagt, dass die EU-Kommission Lufthansa grünes Licht für den Einstieg bei ITA Airways gegeben hat.
4. Condor wirbt weiterhin für eine Verhandlungslösung mit Lufthansa, auch mit dem Argument, dass der Streit so am schnellsten aus der Welt zu schaffen sei. Gerber sagte allerdings, dass «Lufthansa sehr zurückhaltend ist, was weitere Gespräche angeht» zu diesem Thema. Da sie derzeit alle Trümpfe halte, sei das auch durchaus nachvollziehbar.
Inhaltlich eine der spannendsten Fragen in der komplexen Angelegenheit ist die Frage nach Condors eigenen Zubringer-Flügen, die sie mittlerweile anbietet. So hatte das Kartellamt im Beschluss von 2022, der nun vom Oberlandesgericht aufgehoben wurde, noch geschrieben: «Der Aufbau eines eigenen Zubringernetzes – sollte es für eine vergleichsweise kleine Fluggesellschaft mit wenigen Zubringerpassagieren wirtschaftlich betrieben werden können - ist derzeit schon angesichts der begrenzt verfügbaren Slots an den Hubs in Deutschland und auch an anderen bedeutenden europäischen Flughäfen nicht absehbar.»
Condor hat sich mittlerweile aber neun eigene Zubringerstrecken nach Frankfurt aufgebaut und erhöht bald auf zwölf. «Ohne die eigene Zubringung wäre Condor sicher in eine schwierige Lage geraten», so Airline-Chef Gerber. Das sei aber kein Vergleich zu den rund 300 Strecken, die Lufthansa biete. Der Ausbau des eigenen Netzes sei zudem durch nicht verfügbare Start- und Lande-Zeitnischen begrenzt. «Kann ich das Lufthansa-Netz kopieren? Nein, weil ich die Slots in Frankfurt nicht bekomme», sagte Gerber.
Zwar sei unbestritten, dass es durch die eigenen Deutschland- und Europa-Flüge auf der Kurzstrecke nun mehr Wettbewerb gebe, so Geber. Und auch auf der Langstrecke zeige man in diesem Jahr, dass es auch fast ohne Lufthansa gehe, mit nur noch 3 bis 5 Prozent Fluggästen, die mit Lufthansa kommen (jetzt per Interlining) anstatt zuvor 25 Prozent.
Allerdings Condor müsse die eigenen Langstreckenflüge ab Frankfurt nun mit einem kleineren Zubringernetz aus einem engeren Umkreis füllen. «Die Rechtsfrage ist nicht, ob die Condor überleben kann. Sie ist, ob Wettbewerb auf der Langstrecke behindert wird», argumentierte Gerber. Und dass dies der Fall sei, habe man schon an der erzwungenen Einstellung von Condor-Langstreckenflügen über den Nordatlantik im Winter gesehen.
So habe seine Fluglinie nach dem Ende des Zubringer-Abkommens im Dezember 2024 die Flüge zu den Zielen einstellen müssen, die in Europa ein großes Zubringernetz benötigten: Washington D.C./Baltimore, Minneapolis, San Antonio, Phoenix, Halifax und Edmonton. Condor bekomme zu diesen Zielen die Jets ohne Lufthansa-Zubringer nicht voll, der Wettbewerb verschwinde.