Letzte Aktualisierung: um 17:05 Uhr

Flug JU324 von Air Serbia

So knapp entging die Embraer E195 in Belgrad an einer Katastrophe

Die serbische Unfallermittlungsbehörde hat einen ersten Bericht zum verpatzten Start der Embraer E195 von Marathon Airlines in Belgrad veröffentlicht. Er offenbart neue Details.

Die Embraer E195 war vor etwas mehr einer Stunde aus Wien zurückgekommen. Auf dem Flug von der österreichischen Hauptstadt zurück nach Belgrad hatte es keinerlei Probleme gegeben. Nun bereiteten sich der 58-jährige Kapitän und der 44-jährige Kopilot auf den nächsten Flug vor. Für Air Serbia sollten sie Flug JU324 nach Düsseldorf absolvieren.

106 Passagiere und drei Flugbegeleitende befanden sich am Sonntagabend (18. Februar) an Bord der E195 mit dem Kennzeichen OY-GDC, die sich Air Serbia im Wet-Lease von Marathon Airlines beschafft hatte. Die beiden Piloten planten, bei Stopp D6 auf die Piste 30L zu rollen und zu starten. Und vom Lotsen im Kontrollturm erhielten sie die Anweisung, über die Rollwege F, G und A zu Stopp D6 zu rollen. Das wurde aus dem Cockpit auch bestätigt, wie man dem ersten Bericht des Center for investigation of accidents in transport of the Republic of Serbia entnehmen kann.

Bei 100 Knoten merkten die Piloten, dass es nicht reichen würde

Dort meldeten sie sich auch wieder bei der Flugsicherung. Bloß: Sie waren fälschlicherweise zu D5 gerollt. Der Lotse wies sie mit Nachdruck darauf hin. Die beiden Piloten – einer ist Italiener, der andere Pole – antworteten, sie bräuchten etwas Zeit für ihre Berechnungen. Als der Lotse nach 30 Sekunden anbot, sie könnten zu D6 zurücksetzen, gaben sie an, D5 reiche zum Starten. um 16:38 Uhr gaben sie Schub.

Die Embraer E195 setzte sich in Bewegung. Als sie 80 Knoten oder 148 Kilometer pro Stunde erreicht hatte, sei die Crew noch nicht beunruhigt gewesen, heißt es im Bericht. Aber als der Jet von Marathon Airlines 100 Knoten (185 km/h) erreicht hatte, merkten die zwei Männer, dass die Piste nicht ausreichen würde. Zugleich entschieden sie, dass es zu spät sei für einen Startabbruch, da sie bald abheben würden.

In ILS-Antenne geknallt

Die Piloten stellten den Schubregler nun auf Maximum und verzögerten das Heben der Nase, um möglichst viel Piste ausnutzen zu können. Doch es reichte nicht mehr. Der Kontrollturm sah, wie das Flugzeug über die befestigte Piste schoss und eine Staubwolke aufwirbelte, bevor es langsam doch noch abhob.

Wie knapp das alles war, zeigte sich am nächsten Tag. Die Fachleute des Center for investigation of accidents in transport stellten fest, dass das linke Fahrwerk mehrere Scheinwerfer der Anflugbefeuerung getroffen hatte. Wie es im Bericht heißt, hatte die E195 auch die Antenne des Instrumentenlandesystems ILS getroffen, die 145 Meter nach der asphaltierten Piste steht. Zurück blieben nur ein Loch mit rund 60 Zentimeter Durchmesser, ein Betonsockel und herausgerissene Kabel.

Checklisten und Schleifen

Am Boden fanden die Ermittlerinnen und Ermittler Teile des Flugzeugs. Und 60 Meter hinter dem Flughafenzaun fanden sie Teile der Antenne. Auch am Flugzeug fanden sie massive Schäden. So klaffte im Rumpf ein riesiges Loch. Zudem fanden sie in der linken Tragfläche eine Delle von bis zu 90 Zentimeter, ebenso im Höhenleitwerk eine von bis zu 40 Zentimeter.

Die Piloten bemerkten vor der Abheben, wie der Jet durchgerüttelt wurde. In der Luft bekamen sie im Cockpit dann diverse Warnmeldungen, etwa über ein Versagen der Klappen und des Zapfluftsystems. Sie meldeten dem Kontrollturm, dass sie wohl mit etwas kollidiert seien und nun einige Checklisten abarbeiteten und dann zum Flughafen zurückzukehren würden. Später riefen sie einen Notfall aus. Nachdem sie zwei Schleifen gedreht hatten, überflogen sie noch ein Mal den Belgrader Flughafen.

Bei Überflug Fahrwerk überprüft

So konnte vom Boden aus geprüft werden, ob es auch Probleme mit dem Fahrwerk gab. Das wurde verneint. Der Lotse hatte für die Landung die Notfalleinheiten aufgeboten. Doch die E195 konnte ohne große Probleme landen. Am Boden aber wurden die massiven Schäden entdeckt – und auch ein Treibstoffleck.

Hier können Sie den ersten Bericht der serbischen Behörde herunterladen (nur in Serbisch).