Der amerikanische Flugzeugbauer hängt bei der Zulassung der Boeing 777X dem eigenen Zeitplan hinterher, wie Konzernchef Kelly Ortberg einräumt. Er übt auch Kritik am Zertifizierungsprozess mit der Luftfahrtbehörde FAA.
Es gab Probleme, es gab lange Verzögerungen, doch zuletzt konnte Boeing auch Erfolge verzeichnen. So erhielt der amerikanische Flugzeugbauer kürzlich von Kunden Lob für die stabile Produktion und pünktlichen Auslieferungen der 737 Max. Außerdem konnte der Hersteller endlich mit der Auslieferung der Boeing 787 mit Allegris-Kabine an Lufthansa beginnen, die sich aufgrund fehlender Sitz-Zertifizierungen zuvor lange verzögert hatte.
Bei der 777X, dem anderen Langstreckenmodell, das Lufthansa von Boeing erwartet, droht nun aber eine weitere Verspätung. Das erklärte Boeing-Chef Kelly Ortberg am Donnerstag (11. September) bei einer Konferenz der Investmentbank Morgan Stanley. «Wir kommen an einen Punkt im Zertifizierungsprogramm, an dem wir den Zertifizierungsfortschritt – man kann es sich wie eine Art Punktestand für den Abschluss der Aufgaben vorstellen – vorantreiben müssen, und wir geraten bei der Zertifizierung ins Hintertreffen», sagte Ortberg.
Man sei darauf angewiesen, von der Luftfahrtbehörde FAA schrittweise sogenannte TIAs zu erhalten (Type Inspection Authorization), um mit den Flugtests bei der Zertifizierung voranzukommen. «Für einen Großteil des Zertifizierungsprogramms fehlt uns noch die Genehmigung der FAA», so der Konzernchef. «Wir arbeiten derzeit mit der FAA daran. Wir liegen jedoch deutlich hinter unserem Plan für den Abschluss der Zertifizierung zurück.»
Er habe seinen Finanzchef gebeten, sich intensiv zu beschäftigen «mit der Verzögerung im Zeitplan, den Auswirkungen und unserem Plan für die Zukunft», sagte Ortberg. Denn schon geringfügige Verzögerungen im 777X-Programm hätte erhebliche finanzielle Folgen für Boeing.
In Sachen 777X-Zertifizierung liege noch ein «Berg an Arbeit» vor Boeing. Die gute Nachricht sei aber: «Es gibt keine neuen technischen Probleme am Flugzeug oder am Triebwerk.» Zudem habe nun fünf Flugzeuge im Testprogramm und fliege damit viele Einsätze.
Die FAA hatte nach den tödlichen 737-Max-Unglücken in den Jahren 2018 und 2019 sowie nach dem Verlust einer Stecktür im Flug einer 737 Max 9 von Alaska Airlines im Januar 2024 die Aufsicht über Boeing deutlich verschärft. Das führt auch dazu, dass Dinge länger dauern.
Ortberg war bei all diesen Vorfällen noch nicht Boeing-Chef. Er selber konzentriere sich - angesichts einer mittlerweile stabileren Produktion - aktuell sehr auf Flugzeugentwicklung und dabei besonders auf den Zertifizierungsprozess. «Der ist viel zu langsam», beklagte Ortberg. «Wir müssen mit der FAA zusammenarbeiten, um das Pendel zurückschwingen zu lassen und einen funktionierenden Prozess zu etablieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ein neues Flugzeug bauen können, ohne diesen Prozess zu verbessern.»
Was die Boeing 777X angeht, ist Lufthansa Erstkundin der ersten Passagiervariante, der 777-9. Folgen wird ein Frachter, die 777-8 F - die Lufthansa auch bestellt hat -, und eine kleinere Passagiervariante, die 777-8. Zuletzt hatte Boeing eine Zertifizierung der 777-9 vor Ende 2025 anvisiert und Lufthansa hatte gehofft, sie im Sommer 2026 in Betrieb zu nehmen.
Lufthansa hat 20 Boeing 777-9 fest bestellt und hält Optionen für 24 weitere Exemplare. Von der 777-8 F hat der Konzern für die Tochter Lufthansa Cargo sieben Flugzeuge geordert. Ursprünglich wollte Boeing die 777-9 schon ab Anfang 2020 ausliefern. Doch etliche Probleme mit dem Flugzeug und dem Triebwerk sorgten für jahrelange Verzögerungen.