Air Baltic startet in der Tat überdurchschnittlich oft auf Piste 16 des Flughafens Zürich, die eigentlich für Langstreckenjets vorgesehen ist. Das zeigt eine Auswertung. Jetzt beziehen die Schweizer Flugsicherung Skyguide und Air Baltic ausführlich Stellung.
Müsste man den Beziehungsstatus von Flugsicherungsanbietern und Airlines beschreiben, hieße es wohl: Es ist kompliziert. Ohne einander können sie nicht, und miteinander gibt es immer wieder Stress. Wie kompliziert es ist, zeigt sich gerade in der Schweiz.
Aussagen des Operativchefs von Skyguide sorgten kürzlich für ein großes Echo. Air Baltic, so die kurze Darstellung, verschlimmere die Verspätungssituation in Zürich. Der Grund: Die Wet-Lease-Partnerin von Swiss nutze überdurchschnittlich oft die Piste 16, die eigentlich eher für Langstreckenjets vorgesehen ist. Darunter leide am Ende auch wieder die Auftraggeberin, die auf einen reibungslosen Betrieb an ihrem Drehkreuz angewiesen ist.
«Tatsache ist, dass bereits kleine ‹Störfaktoren› in Zürich eine große Auswirkung haben können. Jeder Start ab der Piste 16 ist ein solcher Störfaktor, sofern dieser nicht gerade in einer sehr verkehrsarmen Zeit stattfindet», erklärt ein Sprecher von Skyguide gegenüber aeroTELEGRAPH.
Denn Flugzeuge, die ab Piste 16 starten, machen danach eine Linkskurve. Ihre Flugbahn kreuzt sich daher mit möglichen Durchstarts bei der Landung auf der Piste 14. «Dies führt dazu, dass wir bei Starts auf der Piste 16, größere Abstände zwischen den Flugzeugen bei Landung auf der Piste 14 anwenden müssen», so der Sprecher von Skyguide. «Anders gesagt: Pro Start auf Piste 16 verlieren wir drei Landungen auf Piste 14.»
Zahlen für Abflüge zum Flughafen Zürich, die aeroTELEGRAPH vorliegen, zeigen: Die Piste 16 wird nur selten für Starts von Kurz- und Mittelstreckenjets genutzt. Insgesamt erfolgen fast alle Abflüge über andere Bahnen. Swiss als größte Betreiberin am Flughafen nutzte Piste 16 lediglich bei rund 3 Prozent ihrer Starts mit Schmalrumpfflugzeugen.
Tatsächlich nutzt Air Baltic die Piste 16 im Vergleich zu Swiss und auch zur deren anderen Wet-Lease-Partnerin Helvetic Airways überdurchschnittlich oft. Die Letten führten fast zehn Prozent ihrer Starts auf der langen Bahn durch (siehe Grafik).
Skyguide drückt es gegenüber aeroTELEGRAPH anders - aber mit gleichem Resultat - aus: «Ein Drittel der Starts ab Piste 16 werden durch Mittelstreckenflieger durchgeführt, ein Drittel davon sind von Air Baltic», so der Sprecher der Schweizer Flugischerung.
Etwas müsse man dabei bedenken, gibt sie zu. «Bei Air Baltic fällt die schwächere Leistung der Triebwerke ins Gewicht, was dazu führt, dass diese für vergleichsweise kurze Flüge bereits die Piste 16 nutzen müssen.» Das liegt daran, dass Swiss und Air Baltic unterschiedliche Varianten der PW1500G-Triebwerke von Pratt & Whitney verwenden. Die Letten nutzen eine, die leicht schwächer ist.
Bei der lettischen Airline ist man über die Diskussion in der Schweiz wenig amüsiert. «Air Baltic bedauert, dass Skyguide sich dazu entschieden hat, diese operative Angelegenheit über die Medien zu adressieren, obwohl es bereits vorher direkten Austausch zwischen den Organisationen gegeben hatte», heißt es in einer Stellungnahme gegenüber aeroTELEGRAPH. «Ein direkter Dialog hätte die Möglichkeit geboten, die Umstände zu klären und die operativen Entscheidungen vollständig zu verstehen.»
Die Fluggesellschaft betont, dass sämtliche Flüge auf Basis geprüfter und genehmigter Verfahren erfolgten – in enger Abstimmung mit dem Flughafen Zürich, der Flugsicherung und weiteren beteiligten Stellen. «Air Baltic führt ihre Flugbetriebe unter Berücksichtigung einer Vielzahl von operationellen Parametern durch, die jeweils spezifisch für Flughafen und Situation sind. Alle unsere Verfahren sind mit den zuständigen Behörden abgestimmt und entsprechen vollständig den geltenden Vorschriften», so die Fluglinie.
Piste 28 sei grundsätzlich die Standard-Startbahn für Air Baltic in Zürich. Piste 16 werde nur in Einzelfällen verwendet – etwa wenn Wetterbedingungen in Kombination mit der Topografie der Umgebung dazu führren, dass Starts von Piste 28 nicht mehr sicher oder regelkonform möglich seien, so ein Sprecher.
«In bestimmten Wetterlagen, insbesondere bei starken Winden in Verbindung mit dem umliegenden Gebirge, sind Starts von Piste 28 aufgrund leistungsbezogener Einschränkungen schlichtweg nicht möglich. In solchen Fällen kann die Crew den Start über Piste 16 anfragen. Die bevorzugte und standardmäßige Option bleibt jedoch Piste 28», erklärt die Fluggesellschaft.
«Air Baltic fühlt sich einem sicheren, verantwortungsvollen und transparenten Flugbetrieb verpflichtet und setzt weiterhin auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen beteiligten Partnern», so das abschließende Statement.