Cessna Citation II OE-FGR
Abgestürzter deutscher Unternehmer: «Ersuchen um rapido Abstieg»
Eine Cessna Citation II stürzte im September nach einem Irrflug durch Europa in die Ostsee. Vier Menschen starben. Jetzt ist klar, was das Unglück auslöste und welche Fehler der deutsche Unternehmer im Cockpit machte.
Das Wrack der Cessna Citation II am Boden der Ostsee: Der Absturz war nicht überlebbar.
Das Wrack der Cessna Citation II am Boden der Ostsee: Der Absturz war nicht überlebbar.
Für die Nato-Militärpiloten muss es ein schlimmer Moment gewesen sein. Lange versuchten sie – wie zuvor Kolleginnen und Kollegen aus mehreren europäischen Ländern –, Kontakt mit der Cessna Citation II aufzunehmen, die in Jerez gestartet war und Köln zum Ziel hatte, dort aber vorbei flog. Erfolglos. Dann mussten sie live mit ansehen, wie der Businessjet mit vier Menschen an Bord in die Ostsee stürzte.
Deshalb konnten die Suchtrupps die Absturzstelle des Flugzeugs mit dem Kennzeichen OE-FGR auch schnell finden. Rund 37 Kilometer nordwestlich der lettischen Stadt Ventspils fanden sie schon bald «einige Teile menschlicher Überreste und mehrere kleine Wrackteile des Flugzeuges», wie es im Zwischenbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung BFU heißt. Unter anderem seien eine Antenne, eine Sauerstoffflasche, Sitzkissen und andere Teile des Kabineninterieurs des Businessjets auf den Wogen auszumachen gewesen.
Großes Trümmerfeld am Boden der Ostsee
Die Suche ging danach mit einem Seitensichtsonar-Gerät weiter. Und in einer Tiefe von 62 Metern fanden die Suchtrupps am Boden der Ostsee schon «wenige Stunden nach dem» Absturz am 4. September ein rund 100 mal 150 Meter großes Trümmerfeld. Viele Wrackteile seien sehr klein gewesen, so die BFU. Man habe aber auch ein Rumpfstück mit Tragflächenteil und Fahrwerk, ein weiteres Tragflächenteil und ein Stück des Rumpfhecks gefunden.
Der Zwischenbericht bestätigt nun auch erstmals, dass es an Bord der Cessna Citation II ein Problem mit dem Kabinendruck gab. Um 14:57 Uhr Ortszeit war der deutsche Unternehmer und Privatpilot P. G. im spanischen Jerez auf Piste 20 gestartet. 33 Minuten später meldete er sich bei den Fluglotsen in Madrid an. Da war die Welt an Bord des Flugzeuges noch in Ordnung.
«Deutliche Hintergrundgeräusche»
Doch um 15:42 Uhr meldete sich der Pilot bereits wieder bei den Lotsen. Und jetzt stimmte etwas nicht mehr. «There is a problem with the air condition, request direct descending», funkte er. Es gebe ein Problem mit der Klimaanlage und er ersuche um die Erlaubnis, direkt absteigen zu dürfen. «Direct where please?», antwortete der Lotse. Und der Pilot funkte zurück: «Problems with air condition, eh pressurization, we request rapido descending». Also zu Deutsch etwa: «Probleme mit der Klimaanlage, äh, dem Kabinendruck, wir ersuchen um rapido Abstieg». Rapido ist Spanisch für schnell.
An Bord muss da bereits eine hektische Stimmung geherrscht haben. «Während dieses Funkspruchs des Piloten waren deutliche Hintergrundgeräusche zu hören», heißt es im Zwischenbericht des BFU. Der Lotse wollte danach eine Bestätigung für den Antrag auf einen schnellen Abstieg, der im Falle eines Druckabfalls nötig ist, um auf eine Höhe zu kommen, wo die Sauerstoffzufuhr wieder ausreichend ist. Doch er bekam keine Antwort mehr.
Kampfjets verfolgen die Cessna Citation
Das Flugzeug trat nun in den französischen Luftraum ein. Und der spanische Fluglotse alarmierte seine französischen Kolleginnen und Kollegen. Er teilte ihnen mit, dass man den Kontakt zur Cessna Citation II verloren habe. Die französische Flugsicherung forderte deshalb, wie es in solchen Fällen üblich ist, Unterstützung durch die Luftwaffe an. Die ließ zwei Kampfjets aufsteigen.
Der Militärpilot, der zuerst beim auf konstanter Höhe fliegenden österreichischen Flugzeug angekommen war, versuchte «auf verschiedenen Frequenzen der Flugsicherung und auf der Notfrequenz» den Privatpiloten zu erreichen, wie es im Bericht heißt. Ohne Erfolg. Auch mit Sichtzeichen habe man es vergeblich versucht.
Spiralförmige Flugbahn
Man habe keine Beschädigungen an dem Flugzeug ausmachen können, gaben die beiden Piloten der französischen Alarmrotte später zu Protokoll. Auch Aktivität an Bord habe man keine festgestellt. Auf Fotos sehe man den «handlungsunfähigen Piloten auf dem linken Sitz und seine an ihrem Platz im Cockpit hängende, unbenutzte Sauerstoffmaske», steht im BFU-Bericht. Der Businessjet flog danach weiter und weiter – im Weiteren begleitet von deutschen, dänischen und schwedischen Kampfjets und zuletzt von in Estland stationierten Nato-Kampfjets.
Um 19:30 Uhr mussten die Nato-Piloten mit ansehen, wie das Flugzeug in einen Sinkflug überging. Nach sechs Minuten begann es, zuerst nach rechts in östliche Richtung und dann nach links zu kurven. Und zuletzt ging die Cessna Citation II «in eine spiralförmige Flugbahn über und stürzte» ab, wie es im BFU-Bericht heißt.
Mehrere Fehler gemacht
Der Zwischenbericht deutet darauf hin, dass Privatpilot P. G. einige grundlegende Fehler machte. Offensichtlich trug er keine Sauerstoffmaske. Bei Problemen mit dem Kabinendruck ist das das Erste, was man im Cockpit tun muss, um die Handlungsfähigkeit aufgrund von Sauerstoffmangel nicht zu verlieren. Auch setzte er keinen Notruf ab, wie es in einem solchen Fall nötig gewesen wäre und funkte nicht das bekannte «Mayday, mayday». Und vor allem leitete er auch nicht einen sofortigen Sinkflug ein, wie es in solchen Fällen erlaubt ist.
Der 72-jährige Unternehmer hatte im Zeitpunkt des Absturzes insgesamt 1700 Stunden Flugerfahrung. Etwas mehr als 1100 Stunden davon entfielen auf kleinere Privatflugzeuge, der Rest auf kleine Businessjets. Eine Cessna Citation II hatte er jedoch erst 68 Stunden pilotiert, wie es im Zwischenbericht heißt. Beim Crash starben auch seine Ehefrau J. G. (68), ihre Tochter (26) und deren Freund (27).
Den Zwischenbericht der BFU können sie hier herunterladen.