Alles begann vor 100 Jahren. Im Oktober 1922 beschloss der Oberste Rat für Volkswirtschaft, dass Sowjetrussland eigene Flugzeuge entwickeln und bauen soll, die ganz aus Metall bestehen. Das dafür gegründete Experimental-Konstruktionsbüro leitete Andrei Nikolajevitsch Tupolev. Es war der Anfang der Geschichte des Flugzeugbauers Tupolev.
Bis heute hat das Unternehmen laut eigenen Angaben mehr als 300 Modelle und Modifikationen entworfen. Rund 90 davon schafften es bis zum Prototypen-Status und mehr als 40 in die Massenproduktion. Mehr als 18.000 militärische wie zivile Flugzeuge mit dem Namen Tupolev wurden gebaut, wovon aber nur rund 1000 ins Ausland gingen.
Wir stellen Ihnen sechs Flieger aus dem Hause Tupolev vor:
Um Junkers, Fokker und Dornier ein heimisches Modell entgegenzusetzen, entwarf das Konstruktionsbüro die Tupolev ANT-9. ANT stand für Andrei Nikolajewitsch Tupolew. Der Erstflug des Schulterdeckers fand im Frühjahr 1929 statt. Im Sommer des selben Jahres absolvierte der Prototyp eine Europa-Rundreise mit den Stationen Moskau – Travemünde – Berlin – Paris – Rom – Marseille – London – Paris – Berlin – Warschau – Moskau.
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Tupolev ANT-9. Bild: Tupolev/UAC
Die ANT-9 hatte Platz für neun Fluggäste. Es gab das Flugzeug als Varianten mit drei und mit zwei Motoren. Die deutsch-sowjetische Fluggesellschaft Deruluft setzte ab 1933 zwei der Flieger auf der Strecken Berlin - Moskau ein. Rund 100 Exemplare wurden gebaut.
Mit diesem Experimentalflugzeug wollte die Sowjetunion ihre Langstreckenfähigkeiten unter Beweis stellen. Gebaut wurden nur zwei Exemplare der ANT-25. Mit einem gelang 1937 ein mehr als 9100 Kilometer und 63 Stunden langer Flug von Moskau über den Nordpol nach Vancouver, mit dem anderen ein mehr als 10.100 Kilometer und 62 Stunden langer Flug von Moskau nach Kalifornien. Der auf Basis der ANT-25 konstruierte Bomber DB-1 war ein Flop und wurde nach nur 18 gebauten Exemplaren eingestellt.
Dieser zivile Flieger entstand auf Basis des Bombers Tu-16. Seinen Erstflug absolvierte der Mittelstreckenflieger im Jahr 1955. Die Tu-104 war nach der britischen de Havilland Comet das zweite Flugzeug mit Strahltriebwerken, das den Passagierbetrieb aufnahm. Ja nach Variante hatten mehr als 100 Reisende darin Platz. Die Tu-104 kam bei Aeroflot und der tschechoslowakischen ČSA zum Einsatz. Gebaut wurden insgesamt mehr als 200 Stück.
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Tupolev Tu-104. Bild: Tupolev/UAC
Die Tu-154 war mit 1026 gebauten Exemplaren ein echter Kassenschlager. Der Dreistrahler absolvierte 1968 seinen Erstflug und startete 1972 bei Aeroflot in den Dienst. Der Tiefdecker trug alle drei Motoren am Heck und ähnelte der Boeing 727. Die Serienproduktion endete 1997, doch bis 2013 wurden noch Einzelexemplare gebaut.
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Tupolev Tu-155. Bild: Tupolev
Als Nachfolgerin der Tu-154 startete 1989 ein neues Mittelstreckenmodell: die Tu-204. Die modernisierte Variante heißt Tu-214 und bietet bis zu 210 Fluggästen Platz. Mit bis heute weniger als 100 gebauten Exemplaren konnten Tu-204/214 nie an den Erfolg der Tu-154 anknüpfen. Wichtig ist die Tu-214 aktuell, weil Russland auch mit ihr die Lücke füllen will, welche fehlende Airbus- und Boeing-Jets hinterlassen. Westliche Flugzeuge und Ersatzteile erhalten russische Airlines nicht mehr, seitdem Präsident Vladimir Putin die Ukraine mit Krieg überzogen hat. So soll Aeroflot ab 2024 insgesamt 40 der Zweistrahler erhalten.
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Tupolev Tu-214. Bild: Tupolev/UAC
Am 31. Dezember 1968 war klar, dass Russland das Rennen gemacht hatte. An diesem Tag hob mit der Tupolev Tu-144 erstmals ein Überschallverkehrsflugzeug ab. Die französisch-britische Concorde folgte erst am 2. März 1969. Im Jahr 1970 erreichte die Tu-144 dann als erstes ziviles Verkehrsflugzeug der Welt zweifache Schallgeschwindigkeit Mach 2.
Einen schweren Rückschlag erlitt das Programm 1973, als eine Tu-144 bei der Pariser Luftfahrtmesse in Le Bourget abstürzte. «Fernsehkameras schwenkten mit, als der sowjetische Testpilot Michail Koslow in wenigen hundert Metern Höhe seine Kapriolen machte - und Millionen Menschen konnten hernach auf dem Bildschirm sehen, wie der metallene Kranich buchstäblich in der Luft zerbrach, einen Feuerball ausspie und zu Boden fiel», schrieb das Magazin Spiegel kurz danach. Dennoch nahm das Modell im November 1977 bei Aeroflot den Liniendienst zwischen Moskau und Alma-Ata auf.
Schon im kommenden Sommer 1978 wurde der Betrieb nach dem Absturz eines Werkstattflug aber wieder eingestellt. Gebaut wurden insgesamt 16 Tu-144. Eine davon steht heute in Deutschland, im Technik Museum Sinsheim - das unten stehenden Video zeigt den Transport im Jahr 2001. Der geplante Nachfolger, die Tupolev Tu-244, wurde nie gebaut. Allerdings gibt es bei Tupolev auch heute wieder Überschallpläne.