Halland hat, was es für den perfekten nordischen Sommer braucht: Kaltbadehaus und Schwimm-Sauna, Zander und Langusten, Salz- und Süßwasser, Strandhotel und Glamping.
Halland ist die westliche Fortsetzung von Småland - der Heimat von Pippi Langstrumpf und Michel aus Lönneberga. Hauptstadt ist Halmstad, und das begrüßt mich mit 13 Grad und Wolkenbrüchen. Wäre das Wetter ein Ikea-Regal, hieße es «Kåckwettär». Strömender Regen auch während der Fahrt und in Varberg.
Jetzt rächt sich, dass ich beim Packen gepokert habe - bin einer dieser unverbesserlichen Handgepäck-Reisenden. Auf Regenkleidung habe ich verzichtet. Den Strandspaziergang bei Starkregen absolviere ich daher barfuß und in Badehose. Fürs Aufwärmen gibt es das Kaltbadehaus des «Kusthotell» mit schönem Blick aufs Wetterdesaster.
Müde von den Saunagängen sinke ich nach dem Dinner im Jugendstil-Restaurant des Hotels und zwei Gläschen Rosé aufs Bett. Letzter Blick aus dem Fenster: Sturmböen, schwarze Wolken, Regen. Der Sonnenuntergang um 22.15 Uhr ist nur zu erahnen … Später leuchtet nochmals kurz das Handy auf. Die Wetter-App bleibt unbeirrt dabei: Morgen scheint in ganz Halland die Sonne bei leichtem Wind und 20 Grad.
Bei genau diesem Wetter wache ich am folgenden Morgen auf. Hinter den Dünen funkelt das Meer in verlockendem Blau. Zeit für eine kleine Tour auf einem Ministück des 380 Kilometer langen Fernradwegs Kattegattleden zwischen Helsingborg und Göteborg.
Der Radweg passiert die Festung von Varberg. Dort fand der 1936 entdeckte Bocksten-Mann in einer Vitrine seine letzte (Un-)Ruhe. Die Moorleiche aus dem Ende des 13. Jahrhunderts gibt Rätsel auf, weil sie mit einem massiven Eichenpfahl in den Boden gerammt worden war. Fantastisch: die komplett erhaltene Originalkleidung inklusive Umhang mit Hoodie-Kapuze.
Varbergs Wellness-Tempel Nummer 1 ist ein exzentrischer Holzbau mit maurischen Noten. Der Prachtbau thront auf hohen Pfählen über der Ostsee - überaus fotogen und das Wahrzeichen der Stadt.
Die Wurzeln des Kallbadhuset reichen zurück bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts. Damals entdeckten die Halländer den gesundheitlichen Nutzen des Wechsels von Kaltbad (im Meer) und Heißbad in der Sauna. Es geht dabei auch um die Balance, das richtige Maß.
Frauen und Männer schwitzen getrennt hinter raumhohen Fenstern. Danach geht es splitterfasernackt über ein Treppenhaus ins Meer. Ruhebänke im Patio laden zum Erholen ein, für hungrige Kaltbader kocht Chefin Ninna warme Kleinigkeiten. Auf der Sonnenterrasse gibt es Kaffee, Waffeln oder Zimtschnecken.
Fast fünf Kilo wog der größte Hummer, den Lovisa Bengtsdotter von «Läjets Fisk» im Fischerhafen von Träslövsläge je in den Händen hielt. Die Schalentiere auf dem Teller vor uns sind wesentlich kleiner. Lovisa zeigt, wie man schnell an das Fleisch des Kaisergranats kommt: «Hinter dem zweiten Ring des Schwanzes einmal kurz nach links und nach rechts drehen, bis es knackt, dann langsam rausziehen!»
Krustentiere füllten nicht immer die Netze der Trawler. Nicht nur in Träslövsläge waren es bis in die 1970er-Jahre vor allem Kabeljau und Hering. Dann wurde immer mehr Hummer sowie Taschenkrebse und Garnelen gefangen.
100 Kilometer weiter im Osten stehen am Bolmensee die roten Holzhäuser von Malin Ekwalls «Tiraholms Fisk». Ein Muss für Fischliebhaber sind die frisch aus dem See gezogenen Zander. «Einige der Regenbogenforellen für die Tag für Tag um die 300 Gäste im Restaurant, das meine Mutter Vicky leitet, kommen aus nachhaltiger Zucht im See», so die Chefin des Betriebs.
Zum Abschluss lässt Malin auftragen: Zander-Bäckchen, eine Trilogie aus Hechtpastete, kalt geräucherter Regenbogenforelle und geräuchertem Aal sowie in der Pfanne gebratenen Zander mit Frühlingskartoffeln.
Dazu wölbt sich knallblauer Himmel übers Land, auf dem See schaukelt die Floating Sauna für die Gäste des Holz-Hotels der Familie Ekwall. Auf der Plattform im See legen immer wieder Motorboote mit Gästen aus der Umgebung an, die in Vorwegnahme des nahen Mittsommerfests das Leben in Weiß und mit kühlem Weißwein zelebrieren. Da ist es wieder, das Halland-Hoch.
Das «Kottehusen» dient als Basislager für die Erkundung der Küste zwischen Halmstad und Tylösand. Beim Strandrestaurant «Söderpiren» kuscheln sich fünf hölzerne Rundhütten zwischen die Dünen. Kuschelige Unterkünfte, die fast nur aus Bett bestehen, der Rest spielt sich auf der kleinen Holzveranda respektive im Bade- und Toilettenhäuschen ab. Nach links sollte man nicht blicken: Keine 500 Meter Luftlinie sind es bis zum Hafen mit Silos, in dem Containerschiffe und Fähren festmachen.
Am seichten Västra Stranden endet am Vorabend die schöne Seakayak-Tour, die vom Promi-Strand Tylösand zehn Kilometer die Küste entlangführte.
Am Folgetag geht es zu Fuß auf dem 18 Kilometer langen Prins Bertils Stig in die entgegengesetzte Richtung. Der Wanderweg führt meist unter Bäumen die Felsküste entlang. Die Sonne brennt vom Himmel, die Luft duftet nach Pinienharz wie im Süden. Da kommt ein Bad in der 15 Grad kühlen Ostsee gerade recht. Am Badeplatz Svärjarehalan tanzen weder Braunalgen noch Seegras in der sanften Brandung. Das Wasser ist klar und herrlich erfrischend.
Danach sind es 20 Minuten bis zum Restaurant «Fyr» in Tylösand. Nach über 15 erfolgreichen Jahren als Mitinhaber des mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Stockholmer «Gastrologik» kehrte Jacob Holmström mit seiner Frau Emelie in seine Heimatstadt zurück und eröffnete dieses lässige Strandrestaurant mit offener Küche. Für 195 Kronen bekommt man als «Dagens Lunch» exzellenten pochierten Pollack mit Miesmuschel-Frikassee oder gegrilltes Kalb mit Estragon-Emulsion und Kartoffelsalat.
Kroksjöns Skogsretreat besteht aus vier geräumigen Canvas-Zelten auf Holzplattformen auf einer kleinen, nur per Ruderboot erreichbaren Halbinsel - in der Nähe des Küchenzelts und oben im Wald am Steilhang. Duschen gibt es keine, man reinigt sich im Kroksjön-See. Die Gemeinschaftstoilette ist Modell Plumpsklo.
Der Hit im Kroksjöns Skogsretreat ist die Sauna auf dem See, die man mit Holz auf Betriebstemperatur bringt. Nur Schritte sind es bis ins kühle Wasser, die Holzplattform ist ideal für ein kurzes Sonnenbad. Am ersten Nachmittag teile ich mir die windstille, sonnige Ecke ungewollt mit einer Ringelnatter, die mich mit Befremden beobachtet.
Das kleinste Stück Kunst des Mjellby Art Museum mitten im Grün zieht viele Streetart-Fans aus dem Ausland an. Oberhalb eines großen Mosaiks von Bazaine im Innenhof prangt links oben ein Werk des französischen Künstlers Space Invader.
Das Museum selbst hat mit Streetart wenig am Hut und ist vorrangig dem nordischen Surrealismus der Halmstad Group und dem Künstler Gösta Adrian-Nilsson aka GAN gewidmet. Zu sehen sind viele heitere Sommerszenen zwischen Meer, Dünen, Fischerhäfen und Wald. Ganz reale Motive und Szenerien, wie sie dem Halland-Besucher Tag für Tag begegnen - nur mit surrealem Pinselstrich.
Anreise
Flug nach Kopenhagen und Zug nach Halmstad oder Flug nach Göteborg und Zug nach Halmstad.
Infos
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