Letzte Aktualisierung: um 17:17 Uhr

Istanbul New Airport

In 42 Monaten von null auf 90 Millionen

In dreieinhalb Jahren wird der neue Flughafen von Istanbul gebaut. Ein Augenschein vor Ort bei dem der Chef verrät, warum er Zeitplan und Budget einhält.

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Yusuf Akçayoğlu zögert keine Sekunde. «Ja, wir werden pünktlich fertig sein», sagt der Bauleiter des Istanbul New Airport und damit des größten Bauprojekts der Türkei. Nach nur 42 Monaten Bauzeit wird am 29. Oktober 2018 der neue Flughafen der türkischen Metropole in Betrieb genommen. «An jenem Tag passiert der Big Bang – alle Linienflüge werden nicht mehr am Flughafen Atatürk starten und landen, sondern am Istanbul New Airport.»

Der Eröffnungstag 29. Oktober 2018 ist bedeutungsvoll. An diesem Datum feiert die Türkei die eigene Nation als Erinnerung der Ausrufung der Republik im Jahr 1923 durch Mustafa Kemal Atatürk.

Ohne neuen Flughafen kein Wachstum

Noch kann man sich das jedoch kaum vorstellen. Wo schon in zwölf Monaten Flugzeuge in den Himmel steigen sollen, fahren heute noch Lastwagen wie Karawanen durch die Landschaft. Sie bringen Erdreich weg, das beim Abtragen von Hügeln und Ausgraben von Fundamenten auf dem 76,5 Millionen Quadratmeter großen Gelände nordwestlich von Istanbul anfällt. Staub liegt in der Luft, die wegen der heißen Herbstsonne flimmert.

Und doch lässt sich bereits von weitem erkennen, was hier einmal stehen wird. Zwei 3750 Meter lange Pisten wurden bereits in den Boden asphaltiert, der 95 Meter hohe Kontrollturm reckt sich schon in die Höhe und in der Ferne ist das massive Zentralterminal zu erkennen an dem schon Fluggastbrücken wie Tentakel nach außen ragen und an einigen Stellen bereits die Fassadenverglasung montiert wurde. Überall sind Arbeiter emsig am Werk. Sie verlegen Kabel, montieren Deckenverkleidungen, schweissen Stahlträger zusammen oder verbinden die Bahnen der Gepäckanlage.

Eine eigene kleine Stadt

«Das ist ein Muss-Projekt für die Türkei», sagt Projektleiter Akçayoğlu. Istanbul liege geographisch ideal zwischen Europa und Asien, deshalb sei es ein idealer Ort zum Umsteigen. Das weiß auch Turkish Airlines. Die Nationalairline hat sich einem Expansionskurs verschrieben, der auf dieser Erkenntnis fußt. «Ohne neuen Flughafen wäre ein weiteres Wachstum aber nicht mehr möglich», so Akçayoğlu. Der Flughafen Atatürk arbeitet am Limit – oder schon darüber.

In der Türkei plant man großzügig, um diesen Mangel zu beheben. Der neue Flughafen an der Schwarzmeer-Küste soll einst 150 Millionen Passagiere pro Jahr aufnehmen können und damit der größte der Welt sein. Dass die politische Stimmung zwischen Europa und der Türkei derzeit vergiftet ist und die Touristen aktuell seltener ins Land reisen und mit Turkish AIrlines buchen, kümmert Akçayoğlu wenig. «Wenn Sie bei einem so großen Projekt die Planung die ganze Zeit an kurzfristige Ereignisse anpassen, dann kommt es nicht gut», sagt er. «Solche Schocks wie nach den Terroranschlägen in Istanbul und dem Putsch halten nicht ewig an. Die Passagiere werden zurückkommen. Das hat man weltweit gesehen. Darum glaube auch ich, dass sich die Zahlen schnell erholen werden – und wir sehen das schon jetzt.» Erstmals seit zwei Jahren stiegen denn auch diesen Sommer die Besucherzahlen in der Türkei wieder.

Auf Unnötiges verzichten

Fern von solchen Diskussionen gehen 32.000 Arbeiter am Istanbul New Airport Tag für Tag ihrer Arbeit nach. Sie kommen aus der Türkei, aber auch aus Ländern wie Aserbaidschan, aus Pakistan, Bangladesh. Die vielen Männer und einige Frauen wohnen in einer eigenen kleinen Containerstadt am Rand des Baugeländes, das so groß ist wie 11.000 Fußballplätze. Sie hat ein eigenes Krankenhaus, eine eigene Schule, eigene Läden.

Nicht nur zeitlich liegen Akçayoğlu und sein Team bis jetzt im Plan. Auch das Budget haben sie bisher eingehalten. Die gesamten Baukosten werden auf rund 10,5 Milliarden Euro geschätzt. «Das liegt zum einen daran, dass wir keinen Luxusflughafen bauen wie es oft am Persischen Golf geschieht. Wir bauen den Flughafen so, dass er für die Passagiere praktisch und funktionell ist. Auf Unnötiges verzichten wir», verrät der Chef sein Geheimnis.

Mit dem Boot über die Baustelle

Fast noch wichtiger ist für ihn aber, wie man vorgegangen ist. «Im Englischen nennt man es BOT oder build, operate, transfer. Wir bauen den Flughafen nicht nur, sondern besitzen auch die Lizenz, ihn danach für 25 Jahre zu betreiben. So verhindern sie Interessenkonflikte. Ich habe selbst ein Interesse daran, möglich früh fertig zu sein. Denn nur wenn der Flughafen auch bereit ist, fließen auch Einnahmen», sagt Akçayoğlu. Auch die ganzen Streitereien zwischen Baufirma, Auftraggeber und Betreiber fielen weg. Der studierte Geomatiker weiß, wovon er spricht. Er hat schon den Bau der Flughäfen von Doha, Muscat, King Khaled in Riyadh und des Midfield Terminal in Abu Dhabi begleitet.  «Ich kenne das aus vielen meiner früheren Flughafen-Projekten. Es kam stets der Punkt, wo darum gestritten wurde, was jetzt genau zum Auftrag gehört und was nicht. Das führt immer zu Budget- und Zeitüberschreitungen. Das kann es bei einem BOT-Modell nicht geben.»

Das heißt nicht, dass es auch am Istanbul New Airport Probleme gegeben hat. «Es gab es immer wieder schwierige Momente», erzählt Akçayoğlu. «Wir haben ja hier vieles gleichzeitig in Angriff genommen, um pünktlich fertig werden zu können. Während an vielen Orten noch Erdreich abgetragen wurde, wurde am anderen schon damit begonnen, die Baugrube für das Fundament des Terminals zu graben.» Das hat zwar Zeit gespart, aber hatte auch einen Nachteil, wie sich eines Morgens zeigte. «Einmal begann es sehr stark zu regnen. Die Wände der Baugrube sahen aus wie die Niagara-Fälle, so viel Wasser lief da herunter. Und im Nu war die Baugrube ein See. Meine Männer mussten mit dem Boot über die Baustelle fahren» sagt der Bauleiter.

Parkplätze, Busbahnhof, U-Bahn-Station

Ein anderes Mal spielte das Wetter genauso verrückt. «Wir hatten uns entschlossen, das Gepäckbeförderungssystem einzubauen, bevor das Dach des Terminals gebaut war. Es ist ja Sommer – dachten wir uns. Da kann nichts passieren. Und dann kam ein völlig unerwartetes Gewitter. Wir mussten dann schnell ein temporäres Dach aufziehen», erzählt der Leiter des Megaprojektes, hinter dem ein Konsortium aus fünf türkischen Konzernen aus den Branchen Bau, Tourismus, Energie, Hafenverwaltung und Flughafenbetrieb steht. Jeder Partner hält ein Fünftel der Anteile.

Akçayoğlu verspricht den Passagieren des Megaflughafens viel.  «Es ist zwar ein großer Flughafen, aber der Komfort wird dennoch groß sein». Man setze auf zahlreiche technische Hilfsmittel um die Passagiere zu leiten, etwa eine spezielle App. «Das ist nicht alles: Der Parkplatz liegt gleich neben dem Terminal, die Bus- und U-Bahn-Station auch, alle Passagiere werden über eine Fluggastbrücke aus- und einsteigen können, und vieles mehr». Bis dato sind rund 65 Prozent der Bauarbeiten fertig gestellt.

Noch fehlt der Name

Nur ein Problem, das ist auch beim Istanbul New Airport nicht gelöst: wie der Flughafen nach seiner Eröffnung offiziell heißen wird. Auch Akçayoğlu weiß es noch nicht. «Der Entscheid liegt ganz allein bei der Regierung. Wir erfahren da auch nicht mehr. In der Türkei werden Flughäfen normalerweise nach türkischen Persönlichkeiten benannt. Da gibt es reichlich Auswahl», sagt er. Und diplomatisch fügt er dann an «Klar ist, dass hinter diesem Projekt die Vision von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist.»

Wie es aktuell auf der Baustelle aussieht, sehen Sie in der oben stehenden Bildergalerie Und wie der fertige Flughafen aussehen wird, lesen Sie im Artikel unter «Mehr zum Thema».