Letzte Aktualisierung: um 21:09 Uhr

A350-Pilot der Flugbereitschaft

«Kein Unterschied, ob hinten die Kanzlerin oder ein Soldat sitzt»

Pierre Aurich ist Flugkapitän auf dem Airbus A350 der deutschen Flugbereitschaft. Wir haben ihn gefragt, wie es ist, mit der Kanzlerin zu fliegen, wie seine Ausbildung verlief und wie das mit dem Raketenabwehrsystem abläuft.

Pierre Aurich ist Pilot. Wenn er mit dem Airbus 350 zur Startbahn rollt, beschleunigt und in den Himmel steigt, sitzen in der Kabine hinter ihm aber nicht Lieschen Müller oder Max Mustermann. Seine Fluggäste heißen Angela Merkel oder Frank-Walter Steinmeier. Denn der 35-Jährige ist Flugzeugführer bei der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung.

An seine oftmals hochrangigen Fluggäste denkt Aurich beim Fliegen aber nicht. «Für uns im Cockpit macht es keinen Unterschied, ob hinten Soldat Kevin Schulze sitzt oder Bundeskanzlerin Angela Merkel», erzählt er im Gespräch mit aeroTELEGRAPH. Sobald man die Triebwerke anmache, denke man nicht daran, wer die Passagiere seien. «Man fliegt immer gleich.»

Nicht nur VIPs, auch Verletzte und Soldatinnen und Soldaten

Mit der Flugbereitschaft fliegen zudem längst nicht nur deutsche VIPs. Der Lufttransportverband der deutschen Luftwaffe ist auch für medizinische Transporte oder Truppentransporte zuständig – auch mit dem Airbus A350. «Kürzlich verlegten wir zum Beispiel Truppen nach Las Vegas, wo sich ein großer Übungsplatz für Luftwaffen befindet», so der Pilot.


Pierre Aurich, Flugkapitän auf dem Airbus A350 bei der Flugbereitschaft. Bild: Günter Straub/Luftwaffe

Der Weg zum Airbus-A350-Piloten verlief bei Aurich allerdings zuerst anders als bei den meisten anderen. «Ich habe nach dem Abitur den Grundwehrdienst bei der Luftwaffe absolviert. Ich habe dabei gemerkt, dass mir diese Arbeit bei der Armee zusagt und mich daraufhin beworben», sagt er. «2006 habe ich die Offizierslaufbahn eingeschlagen, vier Jahre Luft- und Raumfahrttechnik studiert und danach mich zum Transportpiloten ausbilden lassen.»

Von Airbus A319 bis A340 und A350

Dabei kreuzten sich dann die Wege von Aurich mit denen von vielen anderen Pilotinnen und Piloten in Deutschland. «Die Ausbildung geschah vollständig bei Lufthansa. Auch ich absolvierte die Fliegerschule in Bremen und setzte die praktische Ausbildung danach in den USA fort. Wir flogen unsere Trainingsflüge auch bei der Airline. Wir sitzen da zur Ausbildung als Kopilot in realen Flügen neben dem Kapitän», erzählt Aurich.

Die Typenzulassung hat Aurich bei der Flugbereitschaft gemacht, zuerst auf der Airbus-A320-Familie. «Es hätte je nach Bedarf der Luftwaffe auch sein können, dass ich auf eine Transall C-160 eingeteilt worden wäre. Die Airbus-Flotte war aber mein Wunsch und es hat geklappt.» Später flog er auch A340 und jetzt auch noch den A350.

Pilot muss wissen, wie man das Raketenabwehrsystem bedient

Und bekam er auch eine Knigge-Schulung, schließlich fliegt er ja immer wieder VIPs? «Natürlich braucht man eine politische Grundbildung, damit man auch weiß, welches Amt für was zuständig ist. Eine Knigge-Schulung haben wir nicht – Politiker sind am Ende ja auch nur Menschen», sagt Aurich. Dafür wurde er im Sicherheitssystem unterrichtet, das künftig alle Airbus A350 der Flugbereitschaft besitzen werden.

Der erste Airbus A350 bei der Flugbereitschaft. Bild: Günter Straub/Luftwaffe

«Der erste Airbus A350 hat noch kein Raketenabwehrsystem, das wird erst mit der definitiven Kabine eingebaut. Hier war ja das Ziel, möglichst schnell bereit zu sein», so Aurich. Bei den A319, A321, A340 gebe es aber eines und auch bei den A350 werde es das geben. Als Pilot müsse man wissen, wie man das bediene, sagt er. «Was aber wichtig ist: Das System ist nach Aktivierung so eingerichtet, dass wir danach weiterfliegen können wie bisher. Wir müssen also keine Ausweichmanöver fliegen oder so, wie man es manchmal in Actionfilmen sieht.»

«Freue mich jedes Mal, wenn ich einen Airbus A350 fliegen darf»

Aurich liebt den Airbus A350. «Es ist das wirklich zu Ende gedachte Flugzeug. Jeder Airbus soll sich ja gleich anfühlen und das ist in der Tat auch so. Der A350 ist einfach nochmals moderner, die Pilotinnen und Piloten wurden noch mehr einbezogen bei der Entwicklung und das spürt man. Es sind oft nur kleine Details, aber sie erleichtern einem im Cockpit die Arbeit», erzählt der Flugkapitän. Das Flugzeug sei «unfassbar aerodynamisch, schnell, sparsam, angenehm für Passagiere», so Aurich. «Ich freue mich jedes Mal, wenn ich einen Airbus A350 fliegen darf.»

Insgesamt rund hundert Piloten gehören zur Flugbereitschaft. Sie steuern Bombardier Global 5000 und 6000, Airbus A310, A319, A321, A340 und A350. Auf dem neuesten Flugzeug sind aktuell zehn Piloten eingeteilt. Und Frauen? «Bei der Luftwaffe gibt es Pilotinnen, bei der Flugbereitschaft bisher leider noch nicht», sagt Aurich.

Cockpittür bleibt offen

Bei der Luftwaffe trägt Aurich den Rang eines Major. Aber im Cockpit spielt das keine Rolle. «Das wäre ja gefährlich, zum Beispiel wenn ein Unteroffizier sich nicht trauen würde, einen Offizier zu kritisieren», gibt er zu bedenken. Im Cockpit geht es also zu wie bei ganz normalen Fluggesellschaften auch.

Auch die Regeln sind weitgehend die gleichen. «Wir unterliegen militärischen Vorschriften und nicht den zivilen. Doch die Vorschriften der Easa sind in denen der Luftwaffe gespiegelt, sie sind identisch», weiß Aurich. Einen Unterschied gibt es aber – und den liebt der 35-Jährige. «Bei uns ist die Cockpittür offen. Das macht manch einen Kontakt möglich – zu VIPs aber auch anderen Reisenden.»

Abenteuer mit Nagern an Bord

Traf es ihn, als die Flugbereitschaft wegen einer Serie von Pannen in der Presse als Pannenverein bezeichnet wurde? «Nein, gar nicht. Flugzeuge können kaputt gehen, das passiert bei großen Fluggesellschaften jeden Tag. Nur haben die schnell eine Ersatzmaschine bereit. Wir haben das nicht, deshalb hat es dann auch schneller eine Auswirkung. Ich weiß, dass wir wirklich gute Arbeit leisten», antwortet Aurich ohne zu zögern.

Für ihn selbst war gerade so eine Panne denn auch einer der interessantesten Einsätze. «Es sorgte zwar für mitunter hämische Schlagzeilen, aber beim Airbus A340 war es für mich am spannendsten, als wir in Surabaya Verdacht auf Nagerbefall hatten. Als wir am Morgen das Flugzeug betraten, sahen wir Reste von Dämmwolle auf dem Boden verstreut liegen. Da wussten wir, dass etwas nicht stimmte. Zusammen mit unseren Technikern mussten wir von Surabaya aus das Problem lösen», erzählt der Pilot der Flugbereitschaft.

Techniker fliegen immer mit

Man habe zuerst alle Panel in der Kabine gelöst, um das Tier zu finden – ohne Erfolg. «Am Ende entscheiden wir uns dafür, das Tier mit Gas zu vergiften. Das spezielle Gas zu finden war in Surabaya gar nicht so einfach. Zudem mussten wir vor Ort einen Mechanismus bauen, um das Gas einzuführen und den Flieger luftdicht zu machen. Das war eine Herausforderung», so Aurich. Das alles dauerte fast eine Woche. «Wir können ja nicht einfach eine Ersatzmaschine anfordern, denn die haben wir gar nicht. Wir müssen uns vor Ort um ein Problem kümmern, deshalb fliegen auch immer unsere Techniker mit.»

Aber auch die Weltumrundung mit dem Airbus A350 war für Aurich ein Highlight. «Eigentlich wollten wir von Köln nonstop nach Neuseeland. Nur ging das leider wegen Covid-19 nicht. Aber dennoch sind wir über 19 Stunden ohne Zwischenstopp geflogen. Wir wurden dabei medizinische überwacht, die Ärzte wollten Feedback darauf, wie sich so lange Flüge auf die Gesundheit auswirken. Auch das war spannend mitzuerleben.»

«Froh, noch mit einem Vierstrahler geflogen zu sein»

Die Flugbereitschaft führt insgesamt viel weniger Flüge durch als eine Fluggesellschaft. Was machen die Piloten da im Rest der Zeit? «Alle von uns haben noch eine Nebenaufgabe. Wir sind nicht nur Piloten, sondern auch Soldaten, die dafür sorgen müssen, dass unser Verband funktioniert. Ich bin zum Beispiel für die Electronic Flight Bags zuständig in der Flugbereitschaft», erzählt er.

Und vermisst er etwas vom Airbus A340, den er bis zur Ausflottung nur noch ab und an steuert, der vorher aber sein Stamm-Arbeitsgerät war? «Nein,», sagt er schnell. «Aber ich bin dennoch ein großer Fan vom A340 und bin froh, noch mit einem Vierstrahler geflogen zu sein.»

In der oben stehenden Bildergalerie sehen Sie weitere Bilder von Aurich und vom Airbus A350 der Flugbereitschaft.