Noch in diesem Jahr möchte Turbulence Solutions aus Wien ihr Anti-Turbulenz-System zertifizieren lassen. Nach der Shark 600 sollen irgendwann auch Airbus und Boeing folgen.
Fast jeder Passagier kennt es: Das Flugzeug beginnt zu ruckeln, steigt und sinkt plötzlich – es gerät in Turbulenzen. Auch wenn dieses Auf und Ab unangenehm sein kann, besteht kein Grund zur Sorge. Moderne Flugzeuge sind so konzipiert, dass sie selbst stärkste Turbulenzen problemlos aushalten.
Doch die schlechte Nachricht: Turbulenzen nehmen zu. Besonders tückisch sind die sogenannten Clear Air Turbulence, da sie ohne Vorwarnung und bei klarem Himmel auftreten. Der Klimawandel verstärkt dieses Phänomen, indem er die Temperaturunterschiede in der oberen Atmosphäre vergrößert. Dies destabilisiert den Jetstream und führt zu häufigen und heftigen Turbulenzen.
In Österreich arbeitet Andras Galffy daran, das wachsende Problem zunehmender Turbulenzen in der Luftfahrt zu lösen. Galffy, Gründer der Turbulence Solutions Group, hatte die Idee 2016 im Rahmen seiner Diplomarbeit. «Es ging mir anfangs nicht um Turbulenzen, so ndern um schnellen Auftrieb», sagt der Hobbypilot. Das Thema Turbulenz-Minimierung kam später dazu.
«Vereinfacht gesagt, erzeugen wir Gegenturbulenzen, um die ursprünglichen auszugleichen», erklärt Galffy. Dies wird durch kleine Klappen, sogenannte Flaplets, erreicht, die an den Standardklappen montiert sind. Sensoren in der Flugzeugnase messen den Differenzdruck in alle Richtungen und erkennen frühzeitig, wie sich die Luftströmung verändert, sodass die Klappen entsprechend gesteuert werden können.
«Noch bevor es zu einer Störung kommt, können wir die Klappe gezielt anpassen, um die Strömung zu stabilisieren», erklärt Galffy. 2018 hat er das Patent angemeldet, 2021 folgte der erste bemannte Testflug in den österreichischen Alpen, der die Funktionalität des Systems bestätigte. Damals noch in einem Einsitzer. Heute ist bereits ein Zweisitzer verfügbar.
Der nächste Schritt steht unmittelbar bevor: Zum Jahresende soll das Anti-Turbulenz-System serienmäßig in der Shark 600, einem Ultraleichtflugzeug für zwei Personen, verbaut sein. Es gibt bereits erste Käufer, und die Auslieferungen sollen noch in diesem Jahr starten. Das System kostet für den slowakischen Tandemflieger 27.000 Euro, was etwa zehn Prozent des Grundpreises ausmacht.
Die Zertifizierung für die Ultraleicht-Klasse in Österreich steht noch aus. Derzeit arbeiten rund 15 Mitarbeitende daran. Im Anschluss hofft Galffy, dass auch andere europäische Länder schrittweise das System zertifizieren werden. Die Zertifizierung von Ultraleichtflugzeugen ist in Europa Ländersache.
Neben der Shark 600 führt Turbulence Solutions auch Gespräche mit weiteren Herstellern von Ultraleichtflugzeugen. «Wir schätzen, dass die Zertifizierung für weitere Hersteller in Zukunft weniger als sechs Monate in Anspruch nehmen wird», verspricht Galffy.
Mittelfristig möchte er das System auch für größere Flugzeuge verfügbar machen. «Wir arbeiten bereits an einer Zertifizierung nach CS-23, um unser System später auch für die Viersitzer von Piper oder Cessna anbieten zu können», erklärt der Firmenchef. Dazu befinde man sich bereits in konkreten Gesprächen für eine für Viersitzer- und Turbopropversion.
Langfristig verfolgt Turbulence Solutions das Ziel, auch in der Großluftfahrt Fuß zu fassen. «Aus meiner Sicht ist es die einzige realistische Möglichkeit, ein solches System in die Luftfahrt zu integrieren: klein anfangen und dann schrittweise hochskalieren, bis man irgendwann bei Airbus oder Boeing landet», erklärt Galffy. Er ist zuversichtlich, dass bis 2030 das erste einfache System in einer Airbus- oder Boeing-Maschine verbaut sein könnte.
Obwohl es in der akademischen Welt bereits ähnliche Projekte gibt, ist Turbulence Solutions nach Galffys Einschätzung das einzige Unternehmen, das auf unternehmerischer Ebene so weit fortgeschritten ist. Das Unternehmen hat bereits Testflüge durchgeführt und steht kurz vor der Zertifizierung.