Die russische Luftfahrt muss seit etwa dreieinhalb Jahren ohne westliche Bauteile auskommen. Die großen Fluggesellschaften des Landes werden kreativ und beschaffen westliche Teile durch Schmuggel, Nachbauten oder das Ausschlachten anderer Flugzeuge. Gleichzeitig fährt Russland die eigene Produktion von Flugzeugen wie der Irkut MC-21, dem Yakovlev Superjet 100 und der Iljuschin Il-96-300 hoch, um die Engpässe zu überwinden.
Aber nicht nur die großen Fluglinien leiden unter dem Mangel, sondern es gibt auch immer weniger einsatzfähige Kleinflugzeuge. Dieser Markt wird in Russland von westlichen Kolbenflugzeugen, wie der Cessna 208 dominiert. «Cessna-Modelle sind in Russland weit verbreitet. Sie haben die heimische Technik verdrängt und sind nicht nur in kleinen Flugclubs, sondern auch in staatlichen Flugschulen zur Standardausrüstung geworden», sagt Sergej Bondar, Leiter des Aviation Training Center Gagarin, gegenüber dem Telegram-Kanal Aviatorschina.
Flugzeugfamillie von Kleinflugzeugen
In der russischen Staatsduma wird daher derzeit ein sehr ambitioniertes Luftfahrtprojekt diskutiert: die Entwicklung von drei bis fünf neuen Kolbenflugzeugen mit 5–9 Sitzen und einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern. Diese Maschinen sollen an die Cessna 208 oder 172 angelehnt sein.
Federführend wird der Flugzeugbaukonzern UAC. Experten des Unternehmen sollen bis Ende des 1. Quartals 2026 das Marktvolumen und die benötigte Modellpalette analysieren. UAC soll für die Entwicklung mit Konstruktionsbüros und Firmen zusammenarbeiten, die bereits Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Kleinflugzeugen haben.
Experten warnen vor einem Zertifizierungsproblem
Experten äußern Bedenken. Wladimir Tschischow, Vorsitzender der Vereinigung der Kleinluftfahrt MalAP, warnt vor enormen Hürden. Die Entwicklung eines neuen Kleinflugzeugs koste über 500 Millionen Rubel, was rund 5,5 Millionen Euro entspricht und dauere mindestens 1,5 bis 2 Jahre. Doch das größte Problem sei die nicht geregelte Zertifizierung. Ohne klare Verfahren drohe eine Verzögerung um Jahre.
Markteinführung Ende des Jahrzehnts
Die Initiatoren fordern daher von der russischen Luftfahrtbehörde Rosaviatsiya, die Fristen zu verkürzen und alternative Zertifizierungszentren einzurichten, um das Projekt vor dem Scheitern zu bewahren. Tschischow verlangt, dass die Zertifizierung bereits parallel zur Entwicklung der Flugzeuge erfolgen muss. Ein weiteres Problem sehen Experten darin, dass es nich keinen modernen eigenen Kolbenmotor gibt.
Der vorgeschlagene Plan sieht vor, dass – falls er erfolgreich umgesetzt wird – die ersten Flugzeuge ab Ende des Jahrzehnts in Serie gehen. Parallel soll ein Standardisierungsprogramm für die Jahre entwickelt werden, das auch die Ausbildung von Piloten und Technikpersonal umfasst.
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