Schulungsflugzeuge in Russland sind veraltet. Eine Tochter von S7 baut nun einen eigenen Trainingsflieger. Bald soll es auch den Motor dazu aus heimischer Produktion geben.
Wer in Russland einen Pilotenschein macht, absolviert den praktischen Teil der Ausbildung in der Regel auf westlichen Trainingsflugzeugen. Flugschulen setzen vor allem auf die Cessna 172 aus den USA und die Diamond DA40/DA42 aus Österreich. Der Grund ist einfach: Moderne Kleinflugzeuge aus heimischer Produktion gibt es nicht.
Die behördlichen Vorschriften seien zu komplex, daher habe sich die russische Kleinluftfahrt nicht entwickelt und zudem habe es auch keine Konstruktionsbüros gegeben, die Flugzeuge und Triebwerke in Massenproduktion hätten herstellen können, sagt Fyodor Borissov von der Wirtschaftsuniversität HSE in Moskau gegenüber der Zeitung Vedomosti.
Spectra Aircraft will das ändern und entwickelt in Torbeevo, etwa 80 Kilometer südlich von Moskau, das neue Schulungsflugzeug PV-10 Tango. Der Viersitzer, hauptsächlich aus Verbundwerkstoffen gefertigt, hat ein maximales Startgewicht von 1200 Kilogramm, eine Höchstgeschwindigkeit von 240 Kilometern pro Stunde und eine Reichweite von knapp 1100 Kilometern.
Die Tango ist besonders gut für die Pilotenausbildung geeignet, da das Flugzeug mit rund 80 Kilometern pro Stunde sehr langsam fliegen kann. Ihren Erstflug absolvierte sie im September 2024. Das Kleinflugzeug wurde damals von einem Motor aus Belgien angetrieben. Die Motorisierung war die Achillesferse, denn sanktionsbedingt kann Russland keine Motoren aus dem Westen für die Serienproduktion bestellen.
Also entwickelt Russland den passenden Motor selbst: Der APD-520 Lider ist ein luftgekühlter Sechszylinder-Kolbenmotor mit 5,2 Litern Hubraum und 200 PS. Ein Unternehmensvertreter teilte Vedomosti mit, dass die Tests noch in diesem Sommer stattfinden sollen, damit die Serienproduktion 2026 starten kann. Im ersten Jahr sollen 30 Exemplare gebaut werden – für die Tango von Spectra Aircraft.
Entwickelt wird der Motor von der S7 Group, dem größten privaten Luftfahrtunternehmen Russlands. Neben der Fluglinie S7 Airlines umfasst sie auch die Bereiche Maintenance, Cargo, Ausbildung sowie Entwicklung. Auch Spectra Aircraft gehört zur S7 Group. Mit dem neuen Motor soll die Serienproduktion für die Tango 2026/27 beginnen.
«Das ist ein komplett russisches Flugzeug, von Anfang bis Ende, von den Rädern bis zum Heck», sagt Spectra Aircraft-Gründer und -Chef Vladislav Filev. Laut S7 gibt es großes Interesse für das Kolbenflugzeug. «Das größte Interesse zeigen russische Flugschulen sowie staatliche Unternehmen, für die das Flugzeug in schwer erreichbaren Regionen relevant ist», sagte ein Unternehmensvertreter.
Das russische Verkehrsministerium sei bereit, bis zu 250 Tangos für die Pilotenausbildung an Universitäten zu kaufen, so Minister Roman Starovoit im November 2024. Fachleute des Inter-Industry Analytical Center gehen von einem Bedarf von bis zu 360 Flugzeugen in den kommenden Jahren aus. Etwa 60 Prozent davon entfallen auf staatliche Ausbildungszentren, 36 Prozent auf private Betreiber und 4 Prozent auf nichtstaatliche Bildungseinrichtungen.