Zuvor hatte Boeing die Rate für das kommende Jahr zuerst von 14 auf 12 reduziert, dann auf 10. Aber aufgrund der Corona-Krise war auch das noch zu viel. Boeing-Chef David Calhoun erklärte, man müsse die Produktion des Dreamliners effizienter gestalten und werde prüfen, ob die «Konsolidierung der Produktion an einem Standort» möglich sei.
Entscheidung offenbar gegen Everett gefallen
Die Endmontage des Dreamliners findet in zwei Werken statt: in Everett im Bundesstaat Washington und im fast 3900 Kilometer Luftlinie entfernten Ort North Charleston im Bundesstaat South Carolina. Wie die Zeitung Wall Street Journal am Dienstag (30. September) berichtete, hat Boeing nun laut Insidern beschlossen, den Dreamliner künftig nur noch in North Charleston zu bauen und die Produktion in Everett zu schließen.
Details zum Zeitplan und dazu, wie viele Angestellte betroffen sein werden, erfuhr die Zeitung nicht. Ein Sprecher des Unternehmens wollte sich gegenüber dem Blatt nicht äußern. Allerdings sagte einer der Informanten, der amerikanische Flugzeugbauer könnte die Entscheidung bereits im Laufe dieser Woche bekannt gegeben.
Tradition in Everett, Kritik in North Charleston
Eine Entscheidung für North Charleston birgt für Boeing großes Konfliktpotenzial mit Mitarbeitenden und Gewerkschaften. Denn ein Abzug der Dreamliner-Produktion bedroht viele Arbeitsplätze. Und das gerade in der traditionsreichen Gegend um Seattle, wo Gründer William Edward Boeing 1915 mit der Arbeit an seinem ersten Flugzeug begann. Dort befand sich auch der Firmensitz, bis er im Jahr 2001 nach Chicago verlegt wurde.
Hinzu kommt, dass die Dreamliner-Produktion in North Charleston von Anfang an in der Kritik stand. Bereits vor der Eröffnung des Werkes 2011 wurde Boeing vorgeworfen, den Standort wegen Steuernachlässen gewählt zu haben und weil Gewerkschaften in South Carolina im Vergleich zu Washington einen schweren Stand haben.
Airlines beschwerten sich über Produktionsmängel
Vor allem gab es aber auch immer wieder Kritik an der Produktion selbst. 2014 sagten Arbeiter aus dem Werk in North Charleston in einer investigativen Reportage des TV-Senders Al Jazeera, sie würden selber nicht in die Jets steigen, da Sicherheitsstandards bei der Produktion nicht eingehalten würden. Boeing bestritt alle Vorwürfe.
Werk in South Carolina hängt von 787 ab
Das Werk in South Carolina ist schon jetzt der einzige Standort, an dem Boeing die 787-10 produziert. Auch die 787-8 und 787-9 werden dort gebaut. Zudem finden Arbeiten an Triebwerksgondeln von 737 Max und 777X dort statt. Eine Entscheidung zugunsten der Dreamliner-Produktion in Everett hätte das Aus des Werkes in North Charleston bedeutet.
Eine Entscheidung gegen Everett gefährdet dagegen nicht das ganze dortige Werk, das deutlich größer ist. Dort werden nämlich auch die Boeing 777 gebaut, die Fracht- und Militär-Variante der 767 sowie derzeit noch die Cargoversion der 747-8. Allerdings läuft auch die Produktion der letzten Jumbojets 2022 aus.