Letzte Aktualisierung: um 20:07 Uhr

Rat des Rechnungshofes

Estland soll Marabu-Partnerin Nordica verkaufen

Der estnische Rechnungshof rät der Regierung, die angeschlagene Marabu-Partnerin Nordica zu privatisieren. Weder sei der Staat ein geeigneter Eigentümer, noch gebe es Gründe, die Risiken zu tragen.

Nach dem Aus der nationalen Estonian Air aufgrund von Verlusten und unerlaubten Staatshilfen baute Estland im Jahr 2015 eine neue Fluggesellschaft auf: Nordic Aviation, auch Nordica genannt. Das Ziel: Das Land und die Hauptstadt Tallinn weiterhin international anbinden. Doch wirklich am Markt durchsetzen konnte sich Nordica nicht.

So stellte sie 2019 den eigenen Flugbetrieb ein und wurde zusammen mit ihrem Ableger X-Fly zur reinen Wet-Lease-Anbieterin. Seit 2021 führt sie im Auftrag nordischer Länder auch wieder eigene Flüge auf subventionierten Strecken durch. Doch auch all das brachte die Fluggesellschaft nicht auf Kurs. So erklärte sie Anfang August 2023, aufgrund der schwierigen finanzielle Situation einen Sanierungsprozess zu beginnen. Anschließend dementierte Nordica Berichte über eine angeblich drohende Insolvenz.

«Kein ausreichend kompetenter oder interessierter Eigentümer»

Nun hat der estnische Rechnungshof namens Riigikontroll sowohl Nordica als auch das staatliche Leasingunternehmen Transpordi Varahaldus, das sieben Bombardier CRJ langfristig an Nordica vermietet, unter die Lupe genommen. Das Fazit ist schonungslos. Riigikontroll urteilt, dass der estnische Staat «in einem so komplexen Geschäftsfeld wie der Luftfahrt kein ausreichend kompetenter oder interessierter Eigentümer» sei.

Zudem fehlten Argumente dafür, Nordica oder Transpordi Varahaldus im Staatseigentum zu belassen, heißt es weiter. Das habe bereits vor den im Juli 2023 begonnen ernsthaften finanzielle Schwierigkeiten von Nordica gegolten und gelte weiterhin. «Es wäre es sinnvoll, sowohl Nordica als auch Transpordi Varahaldus zu verkaufen», so der Rat.

Widersprüchliche Richtlinien für den Nordica-Vorstand

Der Rechnungshof wirft dem Staat unter anderem vor, schon vor dem Stopp der Linienflüge 2019 nicht oder zu spät reagiert zu haben, wenn der Nordica-Vorstand auf schwerwiegende Probleme hingewiesen habe. Auch später habe das Wirtschaftsministerium dem Management der Fluggesellschaft widersprüchliche Richtlinien vorgegeben.

Nach dem Stopp der eigenen Flüge und der Umstellung aufs reine Wet-Lease-Geschäft haben sich die Frage gestellt, warum der Staat weiter Eigentümer sein und die Risiken tragen sollte, schreibt Riigikontroll. Dann kam die Corona-Pandemie und der Staat rettete das Unternehmen mit einer von der EU genehmigten Finanzspritze. Damit ging aber auch die Auflage einher, keine verlustbringenden Routen zu fliegen.

Für den Staat nicht notwendig, Risiken zu tragen

Die Frage nach Nordicas Zukunft stellte sich weiterhin, doch eine Entscheidung fiel unter verschiedenen Ministern nicht. So sei viel Zeit und Geld verloren gegangen, so Riigikontroll-Chef Janar Holm. Durch das lange Zögern und fehlende Klarheit sei der politische und wirtschaftliche Preis nun bereits sehr hoch. «Wir können sehen, dass sich Nordica zunehmend von seinem ursprünglichen Ziel – der Gewährleistung des Flugdienstes für Estland – entfernt hat», sagt Holm rückblickend. «Dieses Ziel war weder kommerziell noch aufgrund der Regeln der Europäischen Union für staatliche Beihilfen erreichbar.»

Der Rechnungshof habe bei seiner Prüfung «keine wesentlichen Argumente dafür gefunden, warum Nordica und Transpordi Varahaldus «für den Staat strategisch notwendig waren oder dies jetzt sind, oder dass ein verständliches öffentliches Interesse besteht für die Beteiligung des Staates an diesen Unternehmen», heißt es weiter. Es gebe keine nachvollziehbare Notwendigkeit für den Staat, die wirtschaftlichen Risiken zu tragen.

Regierung soll Weg für Privatisierung wählen

Riigikontroll empfiehlt der Regierung daher, sich für eine Verkaufsmethode zu entscheiden. Nordica und Transpordi Varahaldus könnten gemeinsam oder getrennt privatisiert werden, nur teilweise oder vollständig. Sollte sich die Regierung dennoch dafür entscheiden, Eigentümerin zu bleiben, empfehle man, «klar zu definieren, warum die Unternehmen für den Staat strategisch notwendig sind und welche öffentliche Funktion sie erfüllen».

Zu den Wet-Lease-Kunden von Nordica gehört auch die Condor-Schwester Marabu. Anfang August teilte ein Marabu-Sprecher auf Anfrage von aeroTELEGRAPH mit, dass man durch die finanzielle Schieflage von Nordica keine Auswirkungen auf das eigene Geschäft erwarte.