Letzte Aktualisierung: um 22:16 Uhr

Deutschland, Österreich, Schweiz

Zulieferer haben wegen Corona-Krise zu kämpfen

Da Airlines derzeit keine neuen Flieger brauchen, bauen die Flugzeugbauer weniger. Darunter leiden die Zulieferer. Sie erwarten, dass es nicht alle überleben.

Die Corona-Pandemie verbannt Flugzeugflotten auf den Boden, Airlines verschieben und reduzieren Flugzeugorders. Airbus und Boeing drosseln ihre Produktion. Und das hat auch Folgen für die Luftfahrtzulieferer in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

So hat das Triebwerksunternehmen MTU Aero Engines aus München die Arbeit an seinen deutschen Standorten zunächst für drei Wochen unterbrochen. Seit dem 20. April wird der Betrieb nun am Standort München bei Kurzarbeit schrittweise wieder hochgefahren. Bei MTU Maintenance in Hannover und Ludwigsfelde ging es am 27. April wieder los. Ein MTU-Sprecher sagt gegenüber aeroTELEGRAPH, dass man aufgrund der «unzureichend absehbaren Nachfrage- und Zuliefersituation» vorerst auf Sicht fahre.

Ruag baut weniger A320-Sektionen

«Die Kapazitäten werden in den nächsten Wochen und Monaten entsprechend der aktuellen Situation angepasst», so der Sprecher. Generell sei die Situation bei militärischen Triebwerksprogrammen relativ stabil und bei der Instandsetzung von Triebwerken etwa für Frachtfflugzeuge gut. Für zivile Passagierjets gelte: «Ein Schwerpunkt unserer Produktion liegt weiterhin bei den PW1100G-Getriebefan-Triebwerken für die Airbus A320 Neo.»

Die Schweizer Ruag beliefert Airbus aus dem deutschen Oberpfaffenhofen. «Wir gehen in unserem Kerngeschäft der Airbus-A320-Familie von einer Reduktion um 30 Prozent aus», sagt ein Sprecher. «Wir planen, die Produktionsrate der A320-Flugzeugrumpfsektionen von 60 auf 40 Stück pro Monat zu reduzieren.» Man begegne diesem Rückgang mit Zeitkontenabbau, vorgezogenem Urlaub und im Notfall auch mit Kurzarbeit.

Kommt es zu Zulieferer-Fusionen?

Ruag rechnet damit, dass sich die Luftfahrt nur langsam erholt und Airlines zuerst wieder Punkt-zu-Punkt-Routen bedienen. «Das heißt, es werden kleinere Flugzeuge benötigt und dies könnte in Zukunft eine Erhöhung der Bestellungen für Airbus-A220-Flugzeuge zur Folge haben», so der Sprecher. «Die Flugzeugzulieferindustrie könnte gezwungen werden, zu konsolidieren.» Das könnte entweder Zusammenschlüsse von Flugzeugherstellern mit Zulieferern bedeuten oder das Zusammengehen von verschiedenen Zulieferern.

Beim Sitzhersteller Recaro findet der geschäftsführende Gesellschafter Mark Hiller deutliche Worte. «Vor Corona war unsere Auftragslage sehr gut und unsere Produktion an allen Standorten gut ausgelastet», sagte Hiller gegenüber der Zeitung Handelsblatt. Dann hätten die Kunden Boeing und Airbus ihre Werke temporär geschlossen. «Sie stornieren oder verschieben Aufträge», so der Geschäftsführer. «Das führt bei uns zu massiven Umsatzeinbußen und enormem Kostendruck.» Die Firma aus Schwäbisch Hall reagiere mit Kurzarbeit, Gehaltsverzicht der Führungskräfte und anderen Sparmaßnahmen.

Mindestens zwei oder drei Jahre Krise

Liebherr-Aerospace aus Lindenberg im Allgäu liefert Komponenten unter anderem an Airbus, Boeing, Embraer und Comac. Nach Ostern war die Firma für zwei Wochen in Betriebsruhe. «Ab Mai werden wir vorübergehend in die Kurzarbeit gehen», sagt eine Sprecherin. Sie verweist auch auf die reduzierten Produktionsraten der Flugzeugbauer.

«Im Kundendienstbereich verzeichnen wir aufgrund der Krise einen deutlichen Rückgang bei Maintenance, Repair und Overhaul sowie Ersatzteil-Aufträgen», so die Liebherr-Sprecherin weiter. Eine verlässliche Prognose sei nicht möglich, aber man gehe davon aus, «dass uns die Krise über mindestens zwei bis drei Jahre begleiten wird».

Viele bereiten Kurzarbeit vor

Diehl Aviation liefert unter anderem Kabinenbeleuchtung für die Boeing 787. Die Firma aus Nürnberg hat im April viele Arbeiten für knapp zwei Wochen gestoppt. Zum Schutz der Mitarbeiter habe man den operativen Betrieb soweit wie möglich ruhen gelassen, so ein Sprecher, «während unaufschiebbare Tätigkeiten, insbesondere zur Sicherstellung unserer Lieferkette und der Liefertreue gegenüber unseren Kunden, gewährleistet blieben». Nun bereite man weitere Maßnahmen zur Kapazitätsanpassung vor, wie etwa Kurzarbeit.

Auch die Airbus-Tochter Premium Aerotec aus Augsburg, die unter anderem Rumpfteile für den A350 baut, bereitet sich schon auf Kurzarbeit vor. Es gebe eine Rahmenvereinbarung, «die Regelungen für den Fall der notwendigen Einführung von Kurzarbeit enthält», sagt eine Sprecherin. So könne man auf angepasste Airbus-Produktionsraten reagieren.

Businessjets stärker betroffen

Der österreichisch-chinesische Komponentenhersteller FACC mit Sitz in Ried im Innkreis erklärte schon Ende März, dass ein Großteil der Belegschaft wohl für mindestens drei Monate in Kurzarbeit gehen müsse. Firmenchef Robert Machtlinger sagte gegenüber der Zeitung Kurier, der Markt für Langstrecken-Flugzeuge und Geschäftsflieger sei von der geringen Nachfrage stärker betroffen als der für Kurzstrecken-Maschinen.

Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie und die Unternehmensberatung H&Z befragten zudem rund 400 mittelständische Luftfahrtzulieferer. Das Ergebnis: Waren vor der Corona-Pandemie noch 89 Prozent der Betriebe finanziell gesund oder sehr gesund, erwarten nun 68 Prozent der Unternehmen Liquiditätsengpässe. 44 Prozent setzt bereits jetzt auf Darlehensprogramme der Hausbanken, Landesbanken sowie der Kreditanstalt für Wiederaufbau. 21 Prozent der Betriebe gehen davon aus, dass sogar Schutzschirmverfahren oder komplette Haftungsfreistellungen nötig werden.