Letzte Aktualisierung: um 20:07 Uhr

Fragen Sie den Piloten

Wer entscheidet was, wenn einer der Piloten im Flug ausfällt?

Fällt auf einem Flug einer der beiden Piloten aus - darf der andere alleine ans Ziel weiterfliegen? Wer bestimmt in diesem Fall was? Dies fragt Leser Klaus Kunert. Ein Linienpilot antwortet.

In einer Situation, in der einer der beiden Piloten ausfällt – egal ob Kapitän oder Kopilot – steht bei der Risikobetrachtung für den Flug der Verlust einer Redundanz im Raum. Dieses Risiko gilt es zu minimieren und abzuwenden, denn eine Schlüsselfunktion ist plötzlich nur noch einmal vorhanden. Der Weg, wie der Verbleibende eine Lösung herbeiführt, ist eine neue Betrachtung. Optimalerweise würde er dabei das Risiko für diesen Flug nicht weiter erhöhen.

Egal, ob sich der verbleibende Kollege für einen Weiterflug oder für eine Ausweichlandung entscheidet, würde er immer eine Luftnotlage erklären. Dabei ist der Ansprechpartner der aktuelle Lotse – Streckenlotse, Endanflugkontrolle, Tower oder Rollkontrolle, völlig egal. Die Erklärung beginnt in einem solchen Fall mit den Wörtern «Mayday, Mayday, Mayday».

 «Mayday Mayday Mayday»

Damit bekommt der Flug absolute Priorität und der Pilot teilt der Lotsin oder dem Lotsen seine Pläne mit. Eine beispielhafte Erklärung einer Luftnotlage könnte lauten : «Mayday Mayday Mayday, Airline ABC, single pilot operation, request diversion to Hannover, request inital Radar Vectors».  Darauf hin würden bei dem zuständigen Radarlotsen die roten Lichter angehen, und es würde den Anfragen des Mayday-Fluges bestmöglich entsprochen.

Natürlich ist dieser Flug auch an Position eins der Landereihenfolge am Zielflughafen seiner Wahl. Nebenbei würden klärende Nachfragen zur Situation folgen, genauere Notfallumstände, Gesamtanzahl der Personen an Bord, verbleibende Kraftstoffmengen, spezielle Hilfe am Boden und so weiter.

Fortsetzung manchmal besser

Auf der anderen Seite gibt es auch Umstände, wo sich eine Kollegin oder ein Kollege dafür entscheiden könnte, einen Flug alleine fortzusetzen – wenn beispielsweise eine Ausweichlandung nur sehr wenig Zeitersparnis, aber deutlich mehr Stress und Umplanung mit sich bringt. Im Fall, dass der Kapitän an Bord nur das WC nicht mehr verlassen kann, vielleicht die bessere Wahl.

Auch in diesem Fall würde der Flug mit einem Mayday-Call Luftnotlage erklären und sich ganz vorne in der Reihe derer anstellen, die bspw in Frankfurt landen wollten. Denn das Risiko des Rendundanzverlustes ist ja trotzdem vorhanden, auch wenn der Flug wie geplant weiter geht.

Pilot muss pausieren – und dann?

Sind solche Überlegungen an den Haaren herbeigezogen? Sicher nicht : Vor einiger Zeit wurde auf einem unserer Seminare – welche Crews jährlich besuchen unter dem Motto «Über Erfahrungen, die andere gemacht haben, könnt ihr euch jetzt schon mal Gedanken machen» – genau ein so aufgetretener Fall besprochen. Be einer Jumbo-Crew fällt (nicht lebensbedrohlich) der Kapitän aus. Ein Arzt an Bord kann helfen, empfiehlt aber ausdrücklich, dass der Kollege seinen Platz im Cockpit nicht wieder einnimmt.

Der Kopilot konnte daraufhin zusammen mit der Operationszentrale der Airline und der amerikanischen Luftaufsicht klären, dass er den Flug wie geplant an die US-Ostküste fortsetzen konnte. Anstatt das North-Atlantic-Tracksystem zu verlassen und irgendwo an der kanadischen Küste an einem ihm unbekannten Flughafen zu landen, entschied er sich mit Zustimmung der Flotte und der Luftaufsicht für den in seinen Augen risikoärmeren Weg und flog weiter zum Zielflughafen.

 Ein Beisitzer

Zur Landung saß der Kapitän dann auf dem mittleren Observier-Sitz im Cockpit. Den Kapitänssitz nahm ein von der Kabinencrew identifizierter Passagier ein, der ebenfalls aus dem Airline-Business kam und Erfahrung auf der Boeing 747 hatte.

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