Letzte Aktualisierung: um 20:33 Uhr

Unberechenbare Einflüsse

«Ist es wirklich schlimm, wenn ich mein Handy nicht ausschalte?», fragt Leser Thorsten Zitzer. Ein Linienpilot antwortet.

Elektronische Geräte können elektromagnetische Einflüsse auf unsere Instrumente haben. Start und Landung gelten als kritische Phasen des Fluges, die Genauigkeit der Instrumente ist dann am wichtigsten. Es gibt verschiedene Studien zu diesem Thema, wirklich zu 100 Prozent empirisch nachweisbar ist zu dem Thema aber offenbar wenig. Ich wage daher zu behaupten, dass ein einziges Gerät nicht das Problem ist. Aber wenn dutzende Handys eingeschaltet sind kann die Summe davon durchaus einen unberechenbaren Einfluss haben.

Es wird an Bord unterschieden zwischen non-intentional-transmitting (etwa eine Videokamera) und intentional-transmitting (etwa ein Handy oder eine kabellose Maus) elektronischen Geräten. Alle müssen bei Start und Landung ausgeschaltet sein. Die non-intentional-transmitting-Geräte dürfen ab 10’000 Fuß wieder eingeschaltet werden, da ihr elektromagnetischer Einfluss sehr gering ist. Die intentional-transmitting-Geräte müssen während des ganzen Fluges ausgeschaltet bleiben.

Aber um ganz ehrlich zu sein: Wir Piloten beschäftigen uns während der Operation nicht groß mit dieser Frage. Wir gehen aber davon aus, dass die Passagiere die Regeln einhalten. Die Kabinenbesatzung muss darauf schauen, dass sie das auch tun. Erst wenn das nicht der Fall ist, melden sie es dem Kapitän – und der kann dann im Notfall weitere Schritte einleiten. Es ist uns bewusst, dass es wohl immer Passagiere gibt, welche diese Regeln nicht beachten oder einfach vergessen ihr Handy auszuschalten und ein ungerades Mal sind es ganz ehrlich auch wir selber. Trotzdem haben die Regeln einen Sinn.

Zwei Probleme

Es gibt da zwei Probleme: Erstens kann es problematisch sein, wenn jeder denkt er sei der einzige, der das Handy eingeschaltet hat und die Interferenz dadurch nicht so groß sei. Bei 200 Menschen mit eingeschalteten Handys kann das durchaus unberechenbare Einflüsse haben. Und ein kurzer, letzter Anruf vor Abflug sollte ja nicht wirklich der Letzte sein. Zweitens kann ein eingeschaltetes Handy für viel Unruhe im Flugzeug sorgen. Kürzlich hatten wir so einen Fall. Da ist ein Passagier kurz vor dem Start aufgestanden und hat rumgeschrien: Sein Nachbar wollte das Handy nicht ausschalten, für uns alle sei das sehr gefährlich. Die Situation ist dann noch ziemlich ernst geworden.

Wir waren kurz vor dem Start und ein Passagier stand schreiend in der Kabine. Die Cabin Crew musste ins Cockpit anrufen, damit wir den Start verzögern, der Passagier sich wieder hinsetztund sein Nachbar endlich das Handy ausschaltet. Solche Situationen können durchaus gefährlich werden. Zudem kann der Passagier mit dem eingeschalteten Handy als «unruly passenger» eingestuft werden, da er die Regeln der Airline missachtet. Dies kann zu Verwarnungen und bei weiterem Fehlverhalten bis zum Einsatz von Polizei führen.Deshalb: Für einen ruhigen, entspannten und sicheren Flug und vor allem für das allgemeine Wohlbefinden empfehle ich allen, die elektronischen Geräte für Start und Landung oder für den ganzen Flug – je nach Typ – auszuschalten. Warum nicht einfach aus dem Fenster schauen und den Flug genießen!

[image2]Was Sie schon immer übers Fliegen wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten: Ein Pilot einer großen Fluglinie beantwortet exklusiv für aeroTELEGRAPH die Fragen der Leser. Er bleibt dabei anonym, um unabhängig antworten zu können. Schicken Sie uns einfach eine E-Mail an redaktion@aerotelegraph.com. Jede Woche wird eine der eingesandten Fragen beantwortet.