Irland beheimatet Europas größtes Hausbootrevier - und wer auf dem schönen Shannon unterwegs ist, genießt noch weitere Vorteile: uralte Kloster- und lebendige Pubkultur in Ufernähe, Top-Angelbedingungen und viele Seen statt vorgezeichneter Kanalstrecken.
«Dürfen wir dieses riesige Teil wirklich ohne Bootsführerschein steuern?», fragen wir uns angesichts des wirklich stattlichen Bootes, vor dem wir stehen. Aber genau so ist es: Um ein Hausboot in Irland zu mieten, braucht man weder Vorkenntnisse noch besondere (Boots-) Führerscheine. Lediglich ein Mindestalter von meist 18 Jahren wird vorausgesetzt. Das gilt selbst für solche Kolosse wie unseres, das mit stolzen 13,5 Metern Länge das größte Exemplar in der gesamten Parkreihe ist - und dabei auch noch höher und breiter als die rund zwei Dutzend Nachbarboote.
Sein Name: «Horizon 4» - ein speziell für Le Boat, Europas führenden Hausbootvermieter, entwickeltes Modell. Das Konzept: maximaler Raum, viel Komfort und jede Menge Tageslicht für bis zu acht Passagiere. Mission erfüllt!
Wir sind jedenfalls froh, dass Brian, Mitarbeiter der Le-Boat-Basis im südwestirischen Örtchen Portumna, für die erste Ausfahrt mit an Bord kommt. Den Gashebel - und damit die Verantwortung - überlässt er allerdings sofort uns. Also gut, auf geht’s! Langsam aus der Parklücke manövrieren und erst mal ein Gefühl für das übergroße Gefährt entwickeln.
«Im Auto merkt man jede Lenkbewegung sofort - beim Boot dauert’s ein bisschen, bis sich Kursänderungen bemerkbar machen», erklärt der sympathische Ire mit ruhiger Stimme. «Aber glaub mir, das hast du schnell raus. Du musst einfach sanft gegensteuern - wegen Wind und Strömung. Auch wenn die hier überall recht überschaubar ist.»
Schon geht es raus aus dem Seitenarm mit den Dutzenden Liegeplätzen und den Büros von Le Boat, das in Irland unter dem Namen Emerald auftritt, und rein in den Shannon. Der ist nicht nur Irlands längster Fluss, sondern mitunter auch recht breit, so wie hier vor der Schwenkautobrücke. An einem Holzponton können wir das Anlegen üben. Da auch das dank Bug- und Heckstrahlruder gut klappt, setzen wir Brian wieder bei seinen Kollegen ab.
Pubs? Gibt es auch am Fluss im Überfluss. Vorher aber gibt er noch Tipps. Nicht etwa, wo wir den Schlüssel für den 800-Liter-Wassertank finden (was wir ein paar Tage später selbst rauskriegen), sondern die besten Pubs. Wobei er relativiert: «Eigentlich gibt es in Irland überall welche.»
Klar zur Wende! Wir müssen drehen - und das auf engem Raum -, um rechtzeitig durch die nur stündlich geöffnete Brücke zu schippern. Bye-bye Portumna, hello Riverfeeling! Wobei: Genau genommen ist das irische Fahrrevier mehr als nur ein Fluss. Denn auf seinem 370 Kilometer langen Weg von den Cuilcagh Mountains bis zum Atlantik durchquert der Shannon mehrere große Seen wie den Lough Allen und den Lough Ree. Ergänzt durch ein Netz aus Kanälen - allen voran dem Shannon-Erne Blueway im Norden - entsteht ein vielfältiges, wunderbar befahrbares Gewässerlabyrinth. Kein Wunder, dass es bei Hausbootfans, insbesondere aus Deutschland, immer beliebter wird.
Rund 1000 Kilometer Wasserwege, das ist europäische Spitze! Wer will, kann wochenlang unterwegs sein. Wir haben «nur» sieben Tage - aber genug Zeit, um gemütlich bis nach Carrick-on-Shannon zu schippern, dem Hausboot-Hotspot des Nordens. Und ja, One-Way-Fahrten kosten Aufpreis, lohnen sich aber, weil man keine Strecke zweimal fahren muss.
Unsere erste Etappe führt uns zum Lough Derg, der fast so groß ist wie die Müritz, Deutschlands größter Binnensee. Ziel: der Hafen von Terryglass. Hier wollen wir erstmal unser schwimmendes Zuhause erkunden, samt Küche, vier Kabinen und allem Drum und Dran. Aha, so funktioniert also der Landstromanschluss. Und die Chipkarte für die Dusche an Land. Heizung? Tagsüber nicht nötig, abends schon!
Im Hafenbecken wird das SUP getestet, zum Dorf geht’s mit dem Rad. Und wir gewöhnen uns langsam ans Irlandgefühl, inklusive wechselhaftem Wetter: gerade noch Sonnencreme, dann plötzlich Kapuze und kurz darauf wieder Sonnenbrille zum Sundowner auf der Heckbank. Das wird zur Normalität!
Von unserem Liegeplatz aus lässt es sich herrlich angeln. Die ersten Rotaugen landen am Haken - ein Anfang. Mit ein bisschen Übung (und Kunstködern) folgen in den nächsten Tagen stattliche Hechte. Gleich mehrere Exemplare ziehen wir aus dem 18 Grad frischen Flusswasser. Ob es an der entspannten Tuckergeschwindigkeit von drei, vier Stundenkilometern liegt? (Zur Not schafft unser Boot auch zwölf.)
Praktisch jedenfalls, dass die große Tochter einen Angelschein hat. Nicht weil man ihn braucht, sondern weil sie weiß, wie man den Fang ausnimmt - und zubereitet. Mal gebacken, mal als Bouillabaisse, mal als Fish-’n’-Chips-Variante. Immer frisch, immer köstlich.
Das ist überhaupt das Schöne am Hausbootfahren: Man hat Privatsphäre und viel Zeit. Zum Lesen, Dösen, Kartenspielen - und natürlich zum Kochen. Meist legen wir gegen fünf irgendwo an. Anders als etwa am Canal du Midi, wo man fast überall festmachen kann, bietet der Shannon nicht ständig Anlegemöglichkeiten. Die Ufer sind oft naturbelassen, mit hohem Schilf oder weidenden Rindern. Brücken und Schleusen? Kaum vorhanden - in sieben Tagen passieren wir gerade mal fünf. Dafür gibt es Seen, Inseln, Flusswindungen, Buchten - und reichlich Platz für Spontanität. Ob Marina, Steg oder Kai: Schlafplätze finden sich immer.
Kleiner Pub, Riesenstimmung! Gleich die zweite Nacht bringt eine Überraschung. In der Marina von Banagher läuft zunächst alles normal: Einparken, kochen, Spaziergang. Der 1500-Seelen-Ort wirkt am Samstagabend wie ausgestorben. Also: ab in den Pub - vielleicht ist dort was los.
Und ob! Kaum betreten wir das JJ Houghs, reißt uns ein echter Stimmungssog mit. Der Laden ist brechend voll, die Atmosphäre ausgelassen. Vom Teenie bis zum Großvater scheint das ganze Dorf zu feiern. Guinness-Gläser kreisen, es wird geratscht, gelacht, gesungen – und schließlich getanzt. Ein Trio sorgt mit Banjo, Bass und Singalong-Klassikern für beste Laune. Keine Frage: Hier bleibt es nicht bei einem Bier …
Auch die weiteren Puberlebnisse sind charmant, mal mit One-Man-Show, mal mit herzlichem Publikumsgesang. In Cryan’s, einer Institution in Carrick-on-Shannon, wird eher beiläufig gefiedelt. In Athlone wiederum steht Sean’s Bar auf dem Plan - laut Guinness-Buch die älteste Kneipe Irlands (seit dem 9. Jahrhundert!). Drinnen allerdings stören Touristenströme das Ambiente, wir weichen ins urige Gertie’s aus. Schon das Interieur mit alten Telefonzellen und Vintage-Schildern ist ein Erlebnis. Auf der Getränkekarte: Irish Coffee - und der Baby Guinness. «Aber Achtung», sagt die Kellnerin, «das ist Baileys mit Kaffeelikör, kein echtes Guinness!» Dank Schaum und Farbe sieht’s aber tatsächlich täuschend echt aus. Und schmeckt herrlich süß.
Auch abseits der Pubs hat Athlone einiges zu bieten: eine mittelalterliche Burg, hübsche Gassen, eine moderne Fußgängerbrücke, nette Shops. In der Marina könnte man Wasser tanken oder den Fäkaltank leeren, aber uns gefallen die ruhigeren Schlafplätze außerhalb der Städte besser. Wie neulich bei Clonmacnoise, wo wir trotz Wellengangs am wackeligen Steg anlegten. Mutig, aber lohnend: Kaum war der Wind weg, hatten wir das uralte Kloster mit seinen Hochkreuzen fast für uns allein. Der Himmel dramatisch, das Gelände mystisch - perfekt für ein Abendessen mit selbstgefangenem Hecht und irischem Plum Pudding zum Frühstück. Dazu eine Seemöwe am Nachbarboot und irische Musik aus der JBL-Box:. Irland-Feeling pur.
Doch es gibt auch andere Szenerien: Drumod etwa, mit seiner blitzsauberen Neubausiedlung - nicht umsonst «Irlands sauberster Ort des Jahres». Oder Carrick-on-Shannon, kulturell quirlig, mit einer Marina, in der locker zwanzigmal so viele Boote liegen wie in Portrunny am Lough Ree.
Der See selbst ist unser Highlight. An einem dort verankerten Ponton im See machen wir fest, setzen mit SUP und Beiboot über. Ruinen, Schafe, Astgeister im Flachwasser. Klick, klick, klick. Und dann passiert es: Wir baden (kurz) und sonnenbaden (lang)! Da spielt das Boot seine Vorteile voll aus: Wir relaxen auf den Sonnenliegen auf dem Oberdeck, werfen den Outdoor-Grill an, klampfen und beneiden alle, die statt einem rundum warmen Tag in der Woche sieben Tage erwischen. Was durchaus passiert.
Was auch passiert: Dass immer mehr Leute Interesse an Hausbootferien in Irland zeigen, die Nachfrage steigt stetig. Und neuerdings ersetzen die irischen Vermieter, darunter auch Le Boat, Diesel auch noch durch hydrierte Pflanzenöle. Dadurch werden die CO₂-Emissionen um stattliche 92 Prozent reduziert, das Gewissen umweltbewusster Gäste wird stark erleichtert. Kurz: So geht nachhaltiger Urlaub! Zumal einer, der auch nachhaltig in Erinnerung bleibt.
Beste Reisezeit: Die Saison für Hausbootfahrten geht von April bis Oktober. Dann sind die Preise deutlich günstiger, die Temperaturen aber auch nicht viel kälter als im Hochsommer.
Flugverbindungen:
Ab Deutschland: Dublin wird von vielen deutschen Städten aus angeflogen und das mitunter täglich. Jeden Tag fliegt etwa Lufthansa von Frankfurt und München in die irische Hauptstadt. Aer Lingus, Eurowings und Ryanair haben zudem Direktflüge von/nach Hamburg, Memmingen, Köln/Bonn uvm.
Ab der Schweiz: Swiss und Aer Lingus bieten Direktflüge von Zürich, Genf und mitunter auch von Basel aus an. Von dort startet auch Ryanair Richtung Dublin. Edelweiss Air unterhält keine Verbindungen nach Dublin, dafür ins etwa 250 Kilometer entfernte Cork.
Ab Österreich: Ryanair, Aer Lingus und Eurowings unterhalten direkte Flugverbindungen von Wien nach Dublin.
Infos: Tourism Ireland
Hausbootanbieter: Le Boat ist Marktführer in Europa und tritt in Irland unter dem Namen Emerald Star auf. Die Preise hängen stark von der Größe des Bootes sowie der Reisezeit (Saison von April bis Oktober) ab. So kostet eine Woche im 2+1-Personen-Hausboot ab 800 Franken, im 8-Personen-Premier-Boot (wie im Text beschrieben) ab ca. 2.700 Franken.
Die Reise wurde unterstützt von Le Boat.
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