Letzte Aktualisierung: um 18:27 Uhr

Soziales Problem

Obdachlose machen Flughafen Frankfurt zu schaffen

Rund 200 Obdachlose leben am Flughafen Frankfurt. Für Betreiber Fraport ist der Umgang damit ein heikler Spagat zwischen sozialer Verantwortung und Bedürfnissen der Passagiere.

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«Ti gawarisch pa russkij? Sprichst du Russisch», sagt der Mann im Trainingsanzug. Plötzlich steht er neben dem Passagier, der am Flughafen Frankfurt auf seinen Hotelbus wartet. Der Reisende antwortet mit «Nein». Sofort tritt der Mann näher. In seinem Mund offenbaren sich verfaulte Zähne und unzählige Zahnlücken. Die Alkoholfahne ist nicht zu überriechen.

«Du lügst», heißt es nun nur um im nächsten Moment weiterzugehen mit: «Guck mal meine Muskeln». Das einseitige Gespräch geht nicht unendlich so absurd weiter. Es wird plötzlich sehr konkret. «Gib mir Geld», sagt der ungebetene Gesprächspartner und rückt sehr nahe zum Passagier heran. «Zehn Euro». Neben ihm steht jetzt ein klein gewachsener, aber bulliger Mann, ebenfalls im Trainingsanzug, mit Spiegelbrille und Bierflasche in der Hand.

Gleich viele wie in der Innenstadt

Die beiden reden auf den Reisenden ein, aus der Forderung nach zehn Euro wird bald eine nach zwanzig Euro. Sie greifen nach der Tasche des Reisenden, lassen sie aber gleich wieder fallen. Sie ballen die Faust, als würden sie gleich losschlagen wollten. Dem Passagier passiert nichts. Am Ende ziehen die beiden alkoholisierten Männer mit zehn Euro zufrieden ab und lungern dann auf einen herumliegenden Eisenträger auf einer Baustelle in der Nähe herum.

Was einem Leser von aeroTELEGRAPH passiert ist, ist ein Extremfall. Doch der Flughafen Frankfurt gibt offen zu, dass er ein Problem mit Obdachlosen hat. «Die Thematik ist uns bekannt», sagt ein Sprecher der Betreiberin Fraport. Je nach Schätzung leben zwischen 50 und 300 verarmte, verwahrloste und oftmals psychisch kranke Menschen am größten deutschen Airport. Die meisten Experten gehen von rund 200 Flughafenstreicher aus, rund ein Drittel davon sind Frauen. Das sind gleich viele wie in der Frankfurter Innenstadt.

Christian Christes

Schlafen unter der Treppe

Flughäfen ziehen heimatlose Menschen magisch an – und zwar nicht nur der in Frankfurt. Durch seine Größe ist er aber besonders attraktiv und die Stadt hat seit jeher eine hohe Obdachlosenquote. Die Infrastruktur ist gut. Es gibt Läden, es gibt öffentliche Toiletten, es ist geheizt und es ist immer viel los. Die Obdachlosen in Frankfurt schlafen in versteckten Ecken oder Eingängen, unter Treppen, in Parkhäusern oder auch irgendwo auf dem Gelände des Frankfurter Flughafens. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie sich oft mit dem Sammeln weggeworfener Pfandflaschen. Die meisten von ihnen lassen sich absolut nichts zuschulden kommen und sind friedlich.

Dennoch gab es von Passagieren und auch von Fluggesellschaften Reklamationen. Gegenmaßnahmen zu ergreifen sei aber schwierig, so der Fraport-Sprecher. Denn die Terminals gelten nach aktueller Rechtsprechung als öffentliches Gelände. Die Obdachlosen haben daher das Recht, sich in den Terminals aufzuhalten. Nur wenn es zu viel werde, schreite man mit dem eigenen Sicherheitsdienst ein, so der Fraport-Vertreter.

Spagat für Fraport

«Wir versuchen, harte Maßnahmen wie Platzverweise zu vermeiden», so der Sprecher. Einerseits sehe man die Not der Menschen und möchten helfen. Andererseits müsse man auch die Bedürfnisse der Fluggesellschaften und Passagiere befriedigen.

Um das Problem anzugehen, hat die Stadt Frankfurt vergangenen Herbst eine Sozialarbeiterin angestellt, die sich ausschließlich um die Obdachlosen am Flughafen kümmert. Bezahlt wird sie von der Kommune, das Büro stellt Fraport zur Verfügung. Das Ziel ist klar: Die Obdachlosen sollen den Weg zurück in die Gesellschaft finden und damit weg vom Flughafen.

Christian Christes