Eigentlich wollte die EU bleihaltiges Flugbenzin seit Mai verbannen. Nun bekommt der Treibstoff eine Verlängerung – zur Freude tausender Privatpilotinnen und Piloten.
Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit noch rund 100.000 Kleinflugzeuge weltweit, in Europa sollen es noch rund 16.000 Flieger sein, auf verbleites Flugbenzin angewiesen sind. Avgas 100 LL wird der Zusatzstoff Tetraethylblei beigemischt, er erhöht die Oktanzahl und verhindert unkontrollierte Selbstentzündungen, das sogenannte Klopfen und schützt somit den Motor.
Das Problem: Der Stoff ist hochgiftig. Die EU hat 2022 klare Kante gezeigt und Tetraethylblei in die Chemikalienverordnung Reach als besonders besorgniserregend und zulassungspflichtigen Stoff aufgenommen. Jede Verwendung muss seitdem von der Europäischen Chemikalienagentur ECHA einzeln genehmigt werden.
Gleichzeitig hat die EU dem Treibstoff ein Ablaufdatum gegeben. Nach dem 1. Mai 2025 darf verbleites Flugbenzin in der EU weder hergestellt, importiert noch verarbeitet werden. Damit hätten seit Mai tausende Kleinflugzeuge am Boden bleiben müssen.
Blieben sie aber nicht und der große Aufschrei der Luftfahrtgemeinde ist ausgeblieben. Nur warum? Weil die EU zum einen ein kleines Hintertürchen offen gelassen hatte: Hersteller von Flugzeugbenzin konnten bis zum 1. November 2023 eine Ausnahmeregelung beantragen. Shell, Warter Fuels und Trafigura (Puma Energy) haben das getan.
Das wurde dann wieder zum Problem. Weil die Mühlen der Bürokratie auch in diesem Fall langsam mahlen, und die EU es zusammen mit ECHA nicht geschafft hat, bis zum 1. Mai eine Entscheidung über die Ausnahmeregelungen zu treffen, durften die drei Hersteller Tetraethylblei-haltiges Avgas in einer Art rechtsfreiem Raum bis auf weiteres legal produzieren und vertreiben.
Nach Monaten der Ungewissheit können Hobbypilotinnen und Piloten aufatmen. Die ECHA hat Ende Juni mit 26 Ja-Stimmen, einer Enthaltung und keiner Gegenstimme dem Antrag von Shell stattgegeben. Damit darf der Mineralölriese sein Avgas 100 mit Tetraethylblei weiter produzieren. Über die Anträge der beiden anderen Hersteller will die Behörde zeitnah entscheiden.
Die Begründung: Man wolle den Herstellern mehr Zeit geben, alternative Kraftstoffe für die Luftfahrt zu entwickeln. Doch es gibt ein neues Enddatum: 2032. Bis dahin müssen Alternativen gefunden sein, denn die USA, der größte Kleinfliegerei-Markt, verbietet verbleiten Flugkraftstoff bereits 2030.