Keine Hemmungen: Nicht nur nach heiklen Landungen freut sich die Crew über Applaus.

Von Angst und Anerkennung

[image1]«Hören Piloten das Klatschen der Passagiere überhaupt?», fragt ein Leser. Ein Linienpilot antwortet.

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Klatschen ist ja seit Jahrhunderten ein Zeichen der Anerkennung. Und ganz klar, diese nehmen auch wir Piloten immer gerne an. Wir hören zwar den Applaus im Cockpit nicht, aber die Flugbegleiter geben uns nach der Landung sofort Bescheid. Früher wurde allerdings sicherlich viel mehr applaudiert. Denn da war Fliegen noch etwas besonderes. Retourflüge für 100 Euro gab es noch nicht. Der Preiszerfall bei den Flugtickets führte dazu, dass Fliegen etwas Alltägliches und Normales wurde.

Und man scheint manchmal zu vergessen, dass die Flugzeuge immer noch aus demselben Grund fliegen, wie sie dies vor fünfzig Jahren taten. Auch die Wettererscheinungen wurden nicht sanfter und die Pisten nicht länger und breiter. Und so wie sich das alltägliche Fliegen immer mehr als selbstverständlich erwies, haben wir Piloten uns vom Lohn durch den Applaus verabschiedet. Das ist aber eigentlich auch gut so. Nun erscheinen die raren Momente des Beifalls umso schöner. Vor allem auf Charterflügen wird immernoch fleißig geklatscht. Auf diesen Flügen sind fast ausschließlich Passagiere, welche in die Ferien reisen und sich darauf freuen - also keine Geschäftsreisenden, für die es dasselbe ist wie Zugfahren. Zudem fliegen diese Passagiere nicht häufig und sind daher noch faszinierter von der Art der Fortbewegung. Für uns als Flight Crew ist ihre Anerkennung immer auch irgendwie schmeichelhaft.

Erleichterung nach turbulenter Landung

In solchen Fällen ist der Applaus also ein Zeichen der Anerkennung und nicht ein Zeichen der Angst. Bei turbulenten Landungen ist dies anders. Dort wird aus Erleichterung geklatscht. Da kann es sogar vorkommen, dass sich ein sonst fordernder Geschäftsmann in der Business-Class nach der Landung zu einem Applaus überwinden lässt. Ich finde ja: nicht einmal zu unrecht. Denn bei solchen Landungen sind auch wir gefordert. Kürzlich wurden wir im Anflug von einer schnellen Kaltfront überrascht. Wir konnten das Flugzeug nicht stabilisieren und mussten daher durchstarten. Einige Passagiere übergaben sich bereits beim ersten Versuch.

Dann in den Turbulenzen kurz nachrechnen, ob es vom Treibstoff her nochmals für einen zweiten Versuch reicht oder eher gleich zum Ausweichflughafen? Weitere Flugzeuge starteten bereits zwei mal durch. Unser zweiter Versuch in dem konkreten Fall: konservativ und konzentriert, aber immernoch lärmiger Niederschlag und Turbulenzen im Anflug. Vor der Piste wurde es endlich ruhiger. Wir setzten sicher auf, über dem Platz war besseres Wetter als im Anflug. Da fand ich den Applaus sogar richtig wohltuend. Auch wenn er aus Angst und Unsicherheit resultierte, war er ja schließlich ein schönes Zeichen der Anerkennung. Und wer hat die nicht gern?

[image2]Was Sie schon immer übers Fliegen wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten: Ein Pilot einer großen Fluglinie beantwortet exklusiv für aeroTELEGRAPH die Fragen der Leser. Er bleibt dabei anonym, um unabhängig antworten zu können. Schicken Sie uns einfach eine E-Mail an redaktion@aerotelegraph.com. Jede Woche wird eine der eingesandten Fragen beantwortet. Dabei wird der Name des Einsenders veröffentlicht. Ein Recht auf Beantwortung besteht nicht.

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