Letzte Aktualisierung: um 16:56 Uhr

Müdigkeit und Glücksmomente

«Hat man bei all der Automatisierung überhaupt noch Freude am Fliegen?», fragt Leser Kim Große. Ein Linienpilot antwortet.

Die Freude ist der Antrieb eines Piloten. Und hinter dieser Freude steht der verwirklichte Traum. Die meisten Piloten empfanden wohl den Traum vom Fliegen als Ursprung ihrer Karriere. Fliegen ist Freiheit. Fliegen ist das sich Entfernen von irdischen Problemen. Und Fliegen ist die pure Freude. Trotz Traum und Freude realisierte ich bereits in der Ausbildung, dass Fliegen auch harte Arbeit und extreme Konzentration bedeutet. Als Linienpilot ist Fliegen natürlich teilweise auch nichts anderes als Geld verdienen, zur Arbeit gehen, einen guten Job machen und seine Pflichten einhalten.

Gerade wenn man ans gesetzliche Maximum von neunzig monatlichen Flugstunden kommt, kann dieser Traum vom Fliegen auch zur extremen Erschöpfung führen. An einem sommerlichen Arbeitstag, seit sechs Tagen unterwegs und auf dem letzten von vier Tages-Flügen spürt man eine krasse Müdigkeit. Die Gewitter zu umfliegen und das Flugzeug bei Böen und Regenschauer noch sicher zu landen, wird zur echten Herausforderung.

Schöner Anblick

Aber genau diese Herausforderung will ich im Grunde ja auch. Ein Pilot trägt die große Verantwortung gerne, stellt sich ihr und kann auch in schwierigen Situationen die Ruhe behalten. Es sind nämlich Glücksmomente, welche einem so schwierigen Einsatz folgen. Nachhallende Eindrücke schenken mir als Pilot große Freude an der geleisteten Arbeit.

Und solche Glücksmomente gibt es nicht nur bei schwierigen, sondern auch bei schönen Einsätzen. Einen voll-manuellen Sichtanflug (Visual Approach) in Nizza bei Abenddämmerung, ein Sonnenaufgang im Westen auf einem Rückflug von Budapest oder ein atemberaubender Abflug in Venedig mit Sicht auf den Markusplatz sind Momente der reinen Freude. Der Traum vom Fliegen, welcher am Ursprung eines Pilotenlebens steht wird in solchen Situationen immer wieder ausgelebt und sorgt für strahlende, unendlich zufriedene Gesichter im Cockpit.

Was Sie schon immer übers Fliegen wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten: Ein Pilot einer großen europäischen Fluglinie beantwortet exklusiv für aeroTELEGRAPH die Fragen der Leser. Er bleibt dabei anonym, um unabhängig antworten zu können.  Schicken Sie uns einfach eine E-Mail an pilot@aerotelegraph.com.  Unter den eingesandten Fragen werden die spannendsten jeweils auf aeroTELEGRAPH beantwortet. Dabei wird der Name des Einsenders veröffentlicht. Ein Recht auf Beantwortung besteht nicht.