Der amerikanische Flugzeugbauer legt seinen Zukunftsflieger X-66 mit gestützten Tragflächen auf Eis. Der neue Forschungsansatz von Boeing ähnelt dem von Airbus.
Was Technologien für neue Flugzeugmodelle angeht, beschäftigen sich Airbus und Boeing in den vergangenen Jahren durchaus mit ähnlichen Ideen und Konzepten. Sie setzten aber unterschiedliche Schwerpunkte.
In Sachen Antrieb setzte der europäische Flugzeugbauer im großen Stil auf Wasserstoff, während der amerikanische Konkurrent sich etwas zurückhaltender gab und auf nachhaltige Kraftstoffe fokussierte. Im März trat Airbus aber in Sachen Wasserstoff auf die Bremse und kündigte an, sich vorerst ebenfalls mehr auf Sustainable Aviation Fuel oder kurz SAF zu konzentrieren.
Was die Konstruktion der Tragflächen angeht, tritt nun umgekehrt Boeing auf die Bremse und nähert sich dadurch Airbus an. So berichtete zuerst das Portal The Air Current unter Berufung auf interne Boeing-Dokumente, der Hersteller lege die Entwicklung des Zukunftsfliegers X-66 zunächst auf Eis, um seine Fachkräfte für bestehende Modelle wie 737 Max und 777X zu nutzen.
Nun hat sich auch Boeings Projektpartner Nasa geäußert. Die Raum- und Luftfahrtbehörde teilt mit, die Arbeiten am X-66-Demonstrator würden vorerst pausiert. Sie verweist auf das «komplexere» Flügelkonzept der X-66, genannt Transonic Truss-Braced Wing. Es bezeichnet einen Schulterdecker, dessen lange, dünne Tragflächen über Streben mit dem unteren Teil des Rumpfes verbunden sind.
Doch auf diese Streben wollen Boeing und Nasa nun vorerst verzichten und sich ausschließlich auf die langen, dünnen Tragflächen konzentrieren. Dazu möchten die Partner weiterhin die angeschaffte McDonnell Douglas MD-90 nutzen, um einen Demonstrator zu bauen. Das anvisierte Tragflächenkonzept soll später an verschiedenen Flugzeugen zum Einsatz kommen können.
Eine Annäherung an Airbus ist dies, weil der europäische Konzern ebenfalls an einem langen, dünnen Flügel forscht, der nicht auf ein Flugzeugmodell festgelegt ist. Airbus-Technikchefin Sabine Klauke hatte schon 2023 im Gespräch mit aeroTELEGRAPH gesagt: «Boeing hat ja angekündigt, einen Demonstrator zu fliegen. Viele der Elemente ähneln Elementen, die wir auch nutzen. Nämlich lange Flügel, die aerodynamischer sind, um die Effizienz zu steigern.»
Zum Truss-Braced-Wing sagte sie jedoch bereits damals: «Wir haben uns auch damit beschäftigt. Unsere Einschätzung ist: Einerseits gewinnt man sehr viel durch die lange und dünne Auslegung des Flügels. Andererseits hat man diesen Holm, den man für die Stabilität braucht, über den man aber auch wieder Effizienzen verliert. Und dann sind die Anbau- und Integrationskonzepte für die Triebwerke und andere Systeme ganz anders als heute.»
Mike Sinnett, Chef von Boeings Produktentwicklung, verteidigte die Streben ein Jahr später: «Sie sind kein totes Gewicht, sie sind selbst Flügel. Es sind Flügel, die Flügel hochhalten.» Das habe sich auch im Windkanal erwiesen. «Diesen Teil kennen wir, inklusive aller Wechselwirkungen oder Ineffizienzen, die mit der Strebe einhergehen», argumentierte er.
Auch seien die Streben kein Hindernis bei der Platzierung der Triebwerke. Und die hohen Tragflächen würden Vorteile bringen. «Wenn Sie sich die heutigen Flugzeuge ansehen, sei es der Neo oder die Max oder jedes andere Schmalrumpfflugzeug, sind sie durch das mögliche Nebenstromverhältnis und den Durchmesser der Triebwerke eingeschränkt», sagte Sinnett. «Wenn Sie jemals einen Open Rotor oder einen Open Fan nutzen wollen, ist das bei einem Flugzeug mit niedrigen Tragflächen wirklich schwierig, aber bei einem Flugzeug mit hohen Tragflächen wäre das sehr leicht möglich.»
All diesen Argumenten zum Trotz setzen Boeing und die Nasa ihre Arbeiten nun aber doch zunächst ohne die Streben fort. Die Hintertür: Ist das reine Tragflächenkonzept ein Erfolg wollen sich die Partner womöglich auch wieder mit den Flügelstreben beschäftigen.