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Hoffmannkurve am BER

«Diese Kurve ist legal, aber sie ist nicht optimal»

Die Vereinigung Cockpit kritisiert eine Abflughoute am Hauptstadtflughafen BER. Ein Experte der Pilotengewerkschaft erklärt, was die Risiken sind und äußert sich zum Begriff Kotzkurve.

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Seit Jahren sorgt die Flugroute LULUL 1B am künftigen deutschen Hauptstadtflughafen für Debatten. Vor der Eröffnung des BER Ende Oktober ist die sogenannte Hoffmannkurve erneut im Gespräch. Der Grund für all das: Die 145-Grad-Rechtskurve startet schon kurz nach dem Start in einer Höhe von nur etwa 600 Fuß oder 183 Meter über Meeresspiegel, beziehungsweise circa 500 Fuß oder 152 Meter über Grund.

Genutzt wird die Hoffmannkurve von der Südbahn bei Ostwind. Sie erspart mehreren Ortsteilen und Gemeinden im Süden Berlins Lärm. Die Pilotengerwerkschaft Vereinigung Cockpit hat allerdings schon lange Sicherheitsbedenken. aeroTELEGRAPH hat nachgefragt bei Felix Gottwald, Experte für Flugsicherungsfragen bei der Gewerkschaft:

Die Vereinigung Cockpit kritisiert die sogenannte Hoffmann-Kurve am BER. Dabei ist die Kurve genehmigt und ähnliche Routen gibt es auch an anderen Flughäfen. Was stört Sie?
Felix Gottwald*: An Flughäfen wie Innsbruck gibt es ähnliche Kurven, aber da ist auch ein Berg im Weg. In Berlin geht es um Lärmschutz. Natürlich gilt auch hier: Diese Kurve ist legal und sie ist machbar. Aber sie ist nicht optimal. Denn man geht schon bei einer relativ niedrigen Höhe von 500 Fuß in die Kurve, steigt dann in der Kurve mit relativ starkem Gradienten und fährt dabei die Klappen ein. Sicherer wäre es, ein Stück weiter geradeaus zu fliegen und zu steigen, bevor man in die Kurve geht.

Was ist das Problem dabei?
Die Arbeitsbelastung und die Fehleranfälligkeit sind höher. Wenn es auf dieser relativ niedrigen Höhe in der Kurve zu einem Vogelschlag kommt oder ein Triebwerk ausfällt, ist das etwas anderes, als wenn so etwas in 2000 Fuß Höhe geschieht. Man befindet sich in einer schrägen Fluglage nahe am Boden und kann weniger schnell steigen und es ist schwieriger, zu manövrieren.

Was ist in ihren Augen die Lösung?
Zum einen wünschen wir uns einen Puffer bei der Frage, wann man in die Kurve geht, vielleicht bis 1000 Fuß. Zum anderen schaut sich die Deutsche Flugsicherung bei Routen nur den Regelfall an. Wir wünschen uns, dass es auch für Situationen wie Triebwerksausfälle eine Sicherheitsbetrachtung gibt, die zeigt, wie groß die Risiken in dieser geringen Höhe sind.

Das wurde nicht getan?
Es ist aus unserer Sicht ein generelles Problem, dass bei der Routenplanung zwar Flugsicherung, Bundesumweltamt und Fluglärmkommissionen beteiligt sind, aber nicht die Piloten und die Fluggesellschaften. Im Fall Berlin waren sogar Airlines einbezogen, aber das war eine Ausnahme aufgrund des öffentlichen Interesses.

Die Debatte über die Kurve läuft ja schon seit Jahren. Hat sich in dieser Zeit etwas geändert?
Die Grundidee bei dieser Kurve war damals nicht schlecht, aber heute kann man das besser machen, auch abseits von Sicherheitsfragen. Man ist technisch weiter. Mit sogenannten RNP-Verfahren kann der Flugweg und dessen Einhaltung viel präziser definiert werden. So wären am Boden viel kleinere Bereiche von Fluglärm betroffen. Mit der Hoffmann-Kurve hat man eine extrem große Streuung.

Was halten Sie von den Bezeichnungen Stunt- oder Kotzkurve, die es für die Hoffmannkurve auch gibt?
Es ist kein Stunt, diese Kurve zu fliegen. Es werden sich auch nicht reihenweise Leute übergeben. Aber es gibt viele Passagiere mit Flugangst oder zumindest viel Respekt vor dem Fliegen. Wenn so jemand diese Kurve direkt nach dem Start durchlebt – vor allem unvorbereitet, wenn der Pilot keine erklärende Ansage macht vorher –, wird derjenige zumindest schweißnasse Hände bekommen.

*Felix Gottwald ist Verkehrspilot und Leiter der Arbeitsgruppe Air Traffic Services bei der Vereinigung Cockpit.