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Überblick

Die CRJ-Familie – gestreckt, bis es nicht mehr ging

Vor vier Jahren verkaufte Bombardier ihre Regionaljetsparte an Mitsubishi. Noch heute bildet das Arbeitspferd aus Kanada das Rückgrat der Flotten zahlreicher Regionalairlines.

Ursprünglich gehörte die Canadair Challenger zur Produktpalette von Lear, dem Hersteller des berühmten Learjets. Der Geschäftsreisejet sollte als Lear Star 600 auf den Markt kommen. Verwirklicht wurde dieses Projekt aber erst vom kanadischen Hersteller Canadair, der das Projekt samt Hersteller übernahm und das Flugzeug dann ab 1978 als Challenger 600 auf den Markt brachte.

Mehr als 1000 Exemplare in fünf verschiedenen Versionen wurden von der 600er-Variante gefertigt. Jüngster Spross ist die 300er-Baureihe die heute noch durch Bombardier Aerospace vertrieben wird.

Lufthansa gab den Anstoß

Bereits Anfang der 1980er Jahre prüfte Canadair, den Challenger 600 zu verlängern, um damit in den Regionalflugsektor einzusteigen. Zur damaligen Zeit gab es für dieses Segment nur Turbopropflugzeuge und frühe Regionaljetversuche wie die deutsche VFW 614 kamen zu früh auf den Markt und scheiterten. Gab es anfänglich nur mangelndes Interesse der Fluggesellschaften an einem derartigen Flugzeug, so äußerte die Lufthansa 1987 Interesse für den Einsatz bei ihrer Tochter DLT, die später zu Cityline wurde.

Ein Jahr zuvor war Canadair durch die Luftfahrtsparte des Transportkonzerns Bombardier übernommen worden, der für die Realisierung des Projektes sorgte. Der Programmstart erfolgte am 31.März 1989, der Erstflug des Prototyps mit der Bezeichnung Canadair Regional Jet 100 und zwei CF-34 Triebwerken von General Electric fand am 10. Mai 1991 statt. Die Typenzulassung erhielt die Maschine am 31.Juli 1992.

Embraer hielt dagegen

Bereits am 29.Oktober 1992 erhielt Lufthansa Cityline mit der D-ACLA als Erstkunde das erste von zunächst 13 bestellten Exemplaren. Für die 100er-Variante mit bis zu 50 Sitzplätzen gingen 164 Bestellungen ein. Die 200er-Version verfügte ebenso über bis zu 50 Sitzplätze, wies aber eine verbesserte Leistung und Reichweite auf, sodass sie es auf 940 Bestellungen schaffte. Die erste 200er wurde im Oktober 1995 an Tyrolean Airways ausgeliefert, danach lief nur noch die 200er vom Band.

Die ersten Kunden der beiden Varianten waren neben Lufthansa Cityline Comair und Sky West Airlines aus den USA, Air Littoral aus Frankreich, Tyrolean Airways und Lauda Air aus Österreich, sowie Air Canada. Der brasilianische Flugzeughersteller Embraer setzte als Konkurrenzmodell die Embraer 145 dagegen, ebenfalls mit bis zu 50 Sitzplätzen ausgestattet, die vier Jahre später im Jahr 1996 auf den Markt kam. Von ihr wurden 682 Exemplare gebaut.

Größere Variante gewollt

Von der CRJ200 wurde noch eine Untervariante mit der Bezeichnung CRJ440 angeboten, die den Dimensionen der CRJ200 entsprach aber mit reduziertem Startgewicht nur für maximal 44 statt 50 Fluggäste ausgelegt war. Ausschließlich Northwest Airlines hatte 86 Stück davon im Einsatz. Von der Version -100 wurden 173 gebaut, von der -200 liefen 931 vom Band.

Doch der Markt verlangte bald nach einer größeren Variante. Durch steigende Treibstoffpreise wurden die Sitzplatzkosten für einen Jet mit nur maximal 50 Sitzen zu hoch. Also streckte Bombardier den Canadair-Jet um 5,74 Meter. Außerdem waren Modifikationen wie die Höhe der Fahrwerke notwendig.

Auch weitere Modifikationen nötig

Der Kabinenboden wurde leicht abgesenkt, um die Stehhöhe auf 1,89 m zu vergrößern. Die Kabine wurde gestreckt und die Tragfläche entsprechend vergrößert. An den Flügelvorderkanten wurden Vorflügel angebracht, um die aerodynamische Leistung im Langsamflug zu verbessern. Auch die Form der Winglets änderte Bombardier.


CRJ700. (Foto: Bombardier)

So brachte es der Canadair Jet 700 dann auf maximal 75 Sitzplätze. Diese Version absolvierte den Erstflug am 27.Mai 1999 und die Erstauslieferung fand am 31.01.2001 mit der F-GRZA an die französische Brit Air statt. Zu den Erstkunden der 700er-Variante gehörten auch Horizon Air, Atlantic Southeast, Mesa Air, Comair und American Eagle aus den USA, sowie mal wieder Lufthansa Cityline.

Nur 50 gebaute Exemplare der CRJ550

Die Produktion der parallel gefertigten 200er Version endete im Januar 2004. Die CRJ700 wurde auch in einer Untervariante mit gleichen Dimensionen gebaut. Die CRJ550 mit 50 Sitzen beinhaltete eine Dreiklassen-Konfiguration aus 20 Economy-, 20 Economy-Plus- und 10 First-Class-Sitzen.

Nur United Airlines orderte 50 Exemplare davon. Von der 700er Variante wurden nur 347 Exemplare gebaut, denn fast gleichzeitig wurde die nochmals um 3,89 Meter gestreckte CRJ 900 auf den Markt gebracht, die mit 90 Sitzplätzen ausgestattet war und nur 21 Tage nach der Erstauslieferung der 700er Version am 21.02.2001 den Erstflug hatte.

Auch hier wieder Cityline

Das erste Exemplar ging an Freedom Airlines, die sie ab 2003 für America West Express einsetzte. Weitere Erstkunden waren Mesa Airlines und Skywest Airlines in den USA, Air Nostrum in Spanien, Lufthansa Cityline als treuer Kunde aller bisherigen Versionen, Atlas Air aus der Türkei, Air One aus Italien, Pluna in Uruguay, SAS, Libyan Arab Airlines – um nur einige zu nennen.

Die CRJ 900 lief 502 Mal vom Band. Auch hier wurde mit der CRJ705 noch eine Untervariante mit nur 75 Sitzen, aber mit größerer Reichweite angeboten. Nur 16 Stück davon gingen an Air Canada Jazz.

Der 100-Sitzer fehlte

Bombardier fehlte jetzt noch der 100-Sitzer. Also beschloss man, das Flugzeug nochmals um 2,73 Meter zu strecken und so eine maximale Sitzplatzkapazität von 104 zu ermöglichen. Offizielle Pläne wurden bereits 2006 vorgestellt, der Erstflug erfolgte am 3.September 2008. Aufgrund der 2-2 Anordnung der Sitze, kam bei Kritikern die Meinung auf, die Fluggäste würden sich sehr eingeengt fühlen, wenn sie mit so vielen in einer relativ schmalen Fluggastkabine sitzen.

Dem wirkte man mit etwa 5 Zentimeter größeren Fenstern entgegen um ein angenehmeres Raumgefühl zu erzeugen. Die Konstruktion war jedoch mit diesem erneuten Stretch am Ende seiner Machbarkeit angelangt. Das zeigte sich an einer komplexeren Seitenrudersteuerung, die durch anfängliche Probleme die Zulassung auf den 10. November 2010 verzögerte. Die Erstkunden Britt Air und Air Nostrum übernahmen beide gleichzeitig ihren ersten Canadair Jet 1000 am 15. Dezember 2010, zu den weiteren Erstkunden gehörten Hop in Frankreich und Garuda Express in Indonesien.

Hier war Cityline raus

Lufthansa Cityline, die bisher alle Versionen der Baureihe einsetzte und das ganze Projekt Ende der 1980er Jahre überhaupt erst angestoßen hatte, passte diesmal und bestellte kein Exemplar der 1000er Version. Sie blieb denn auch mit nur 65 gebauten Exemplaren das schwächste Glied in dieser Flugzeugfamilie und somit weit hinter den Erwartungen zurück. Ein Nachteil der CRJ war wohl auch, dass keine Variante die Zulassung für den Flughafen London City und seinen steiles Anflugverfahren erhielt.

In der zweiten Jahreshälfte 2020 endete dann die Produktion mit dem 2.018. Exemplar aller Varianten. Und das Ende nahte. Denn: Die Canadair Jet Sparte war im Frühjahr 2019 für 550 Millionen US-Dollar an die japanische Mitsubishi Heavy Industries verkauft worden, zudem übernahm Mitsubishi noch rund 200 Millionen US-Dollar an Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Projekt.

Mitsubishi erhoffte sich Vorteile

Mitsubishi selbst befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Zertifizierungsphase ihres neuen MRJ-Mitsubishi Regionaljets, das erste Exemplar sollte noch 2020 mit Verspätung an den Erstkunden ANA-All Nippon Airlines ausgeliefert werden. Also hatte man sich die Canadair-Jet-Sparte gesichert um an die Kunden dieses Musters heranzukommen, denn die Verkäufe des eigenen Jets liefen schleppend an.

So wurde mit der Übernahme auch das Schicksal des Canadair Jets besiegelt, denn bereits ebenfalls in 2020 lief im kanadischen Mirabel der letzte Canadair Jet vom Band und die Produktion wurde beendet. Mitsubishi wird aber für die Betreiber die Ersatzteilversorgung und den Vertrieb weiterführen. Da zahlreiche Canadair-Jets auch bereits in die Jahre gekommen waren, begannen sich Airlines langsam Gedanken über deren Ersatz zu machen.

Doch daraus wurde nichts

Und genau dort setzte Mitsubishi zunächst an. War der Canadair-Jet speziell in den USA wegen der gewerkschaftlich festgelegten Limits an Sitzplätzen für Flugzeuge von Subunternehmen großer Airlines ideal, so verfügt das Basismodell des MRJ über mehr als 100 Sitze und wäre kapazitiv vergleichbar mit dem CRJ 1000, der sich deshalb auf dem US-amerikanischen Markt nicht verkaufte.


So sollte der Space Jet aussehen. (Foto: Mitsubishi)

So wollte Mitsubishi mit dem M100 neu auch eine verkürzte Variante mit weniger als 100 Sitzplätzen als Pendant zum CRJ 900 Ersatz auflegen, von dem auf dem US-Markt 296 Exemplare bei 5 Airlines im Vorkrisenniveau im Betrieb waren, legte diese Pläne jedoch wegen der Pandemie erst einmal auf Eis.

Space Jet eingestellt

Generell liefen beim Mitsubishi Space Jet in 2020 schon acht Jahre Verspätung gegenüber den ursprünglichen Planungen auf, die Corona-Pandemie hat die Probleme noch verschärft, sodass dieses Projekt letztendlich komplett fallen gelassen wurde und sich Mitsubishi auf die CRJ-Sparte konzentrierte.

Heute stehen vom CRJ100 noch 19 und vom 200 noch 269 Exemplare im Einsatz. Fast 80 Prozent der aktiven CRJ100 und 200 finden sich in Nordamerika. 95 CRJ100 und 269 CRJ200 wurden bereits verschrottet und über 600 Exemplare sind weltweit abgestellt. Vom CRJ700 stehen noch 211 Exemplare weltweit im Dienst. Bislang wurden nur 8 davon verschrottet und 145 abgestellt. 90 Prozent aller aktiven CRJ700 stehen in Nordamerika im Einsatz.

CRJ700 in Europa kaum noch aktiv

In Europa ist der CRJ700 kaum noch aktiv, Hop als bislang größter europäischer Betreiber hatte während des Höhepunktes der Corona-Pandemie gar alle Exemplare abgestellt. Noch 377 CRJ900 sind weltweit aktiv. 115 sind abgestellt und 10 wurden verschrottet. Weltweit stehen 32 CRJ 1000 im Einsatz, die gleiche Anzahl ist abgestellt und einer wurde bereits verschrottet.

Speziell die CRJ200 ist im Businessjet-Segment als Challenger 850 sehr erfolgreich und auch die CRJ700 wird als Challenger 870 und die CRJ900 als Challenger 890 in diesem Segment angeboten. Von der CRJ1000 gibt es aktuell noch keine Businessjet-Variante. Auch die Unfallstatistik kann sich sehen lassen. Von allen zwischen 1991 und 2020 gebauten bislang 1999 Exemplaren verunglückten je 5 CRJ100 und CRJ200 was 0,5 Prozent der gesamten Produktion entspricht. Von den 700er, 900er und 1000er-Varianten verunglückte keine einzige.

Umbauten zum Frachter

Seit 2013 wurden auch Exemplare zu Frachtern umgebaut. Vom CRJ100 waren dies bislang drei, vom CRJ200 schon 34. Die Umbauten erfolgen durch die US-amerikanische Firma AEI Aeronautical Enigineers in Florida. Insgesamt liegen bei AEI schon etwa 100 Umbau-Aufträge vor, die trotz und auch gerade wegen der Übernahme des CRJ-Programms durch Mitsubishi weitergehen sollen.

Aktuell prüft AEI auch den Umbau von CRJ900 in Frachter. Für einige der aktuell weltweit abgestellten CRJ900 könnte sich also auch eine Zukunft im Cargo-Geschäft ergeben.