Tobias Pogorevc: «Wir haben nun die Weichen gestellt für die Zukunft. Und mit unserer eigenen Pilotenschule sind wir auch beim Nachwuchs im Cockpit gut aufgestellt».

Tobias Pogorevc, Helvetic Airways«Die Crew und die Passagiere von Helvetic Airways lieben die Embraer E2»

Helvetic Airways-Chef Tobias Pogorevc spricht im Interview über die neue Bestellung von Embraer E195-E2, Probleme im Wet-Lease-Markt und höhere Löhne bei der Konkurrenz.

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Sie haben bekannt gegeben, drei weitere Embraer E195-E2 zu kaufen. Für fünf weitere Exemplare haben Sie sich Kaufrechte gesichert. Warum?

Tobias Pogorevc: Die Bestellung ist ein Ersatz für unsere Embraer E1. Das erste Exemplar haben wir vergangene Woche ausgeflottet, das war die HB-JVM. Das zweite, die HB-JVN, folgt im Dezember. Das sind zwei E190, die der Helvetic Airways gehörten und seit bereits elf Jahren bei und im Einsatz waren. Mit diesem Schritt erweitern wir unsere moderne E2-Flotte.

Sie vergrößern also die Flotte nicht?

Nein.

Aber würde es sich im Wet-Lease-Geschäft, in dem Helvetic Airways tätig ist, nicht lohnen, die älteren Jets länger zu fliegen, um die Kosten niedrig zu halten?

Auf den ersten Blick ja. Wir richten aber Helvetic Airways langfristig aus. Es geht also um betriebliche Kosten und um Investitionen. Die beiden E1, die ausgeflottet werden, fliegen nun seit rund elf Jahren für uns. Sie sind aber noch etwas älter, rund 16-jährig. Demnächst würden also Triebwerksüberholungen und große Wartungen anstehen. Es wären deshalb hohe Investition nötig gewesen, um das Leben dieser E1 für ein paar Jahre zu verlängern. Und es ist fraglich, ob diese überhaupt hätten amortisiert werden können. Deshalb haben wir nach eingehender Prüfung und Evaluation entschieden, in neue Flugzeuge zu investieren, die noch sehr lange für uns fliegen werden. Das Resultat sehen Sie in der neuesten Bestellung.

Embraer E2 von Helvetic: Das Flugzeug der Wet-Lease-Airline.

Die Wet-Lease-Branche boomte nach der Pandemie - anders als viele erwartet hatten. Nun aber haben einige Anbieter Probleme, wie sich beispielsweise in der Insolvenz von Smart Lynx zeigt.

Die Insolvenz von Smart Lynx ist tragisch und andere Anbieter kämpfen auch mit großen finanziellen Problemen. Für den Bedarf an Wet-Lease-Kapazität gibt es aber verschiedene Gründe: Das eine sind die Lieferverzögerungen bei Airbus und Boeing. Sie können einfach nicht genug schnell neue Flugzeuge liefern. Zudem verursachen die Triebwerksprobleme bei vielen Fluggesellschaften ebenfalls Engpässe. Das ist der eine Grund. Der andere ist, dass Pilotinnen und Piloten fehlen. Es befinden sich allgemein zu wenige in der Ausbildung oder es sind zu wenige auf den richtigen Flugzeugmodellen geschult. Diese beiden Problemfelder sorgten für den Boom und dafür, dass quasi jeder Wet-Lease anbieten konnte. Und da haben die Gesellschaften, und tun es immer noch, mit Kampfpreisen operiert, die nicht nachhaltig sind. Das Resultat sehen wir jetzt bei Smart Lynx.

Wie genau unterscheidet sich denn Helvetic Airways?

Wir bieten mit der Embraer E2 ein Flugzeugmodell der neuesten Generation an, das sich durch einen niedrigen Treibstoffverbrauch und niedrigen Lärmemissionen auszeichnet. Unser Personal ist hervorragend geschult. So können wir den Kunden ein Produkt anbieten, dass deren Flotte im Regionalsegment bewusst ergänzt. Mit uns kann man kleinere und betrieblich komplexe Flughäfen bedienen. Das sehen wir im eigenen Charter- und Liniengeschäft in Bern. Eine solche Operation kann mit einem größeren Flugzeugtyp nicht profitabel bedient werden.

Aber es gab doch auch Probleme mit den Triebwerken …

Das ist korrekt. Doch langsam ist ein Ende absehbar. Wir rechnen damit, dass alle Revisionen der Triebwerke bis Ende 2026 oder Anfang 2027 hinter uns liegen werden.

Sie fliegen jetzt seit fünf Jahren mit der Embraer E2. Hält das Modell, was der Hersteller verspricht?

Wie bereits an der Embraer-Pressekonferenz im Rahmen der Dubai Airshow gehört, hat sich das Produkt, auch mit unserer Unterstützung, stetig weiterentwickelt. Die Crew und die Fluggäste lieben das Flugzeug. Und was auch sehr wichtig ist: Wir sind zur Zeit in den ersten grossen Base Checks bei der E190-E2 und E195-E2. Dabei zeigt sich, wie reif dieses Produkt wirklich ist. Es gab kaum Beanstandungen und Probleme. Embraer hat hier im Vergleich zur Konkurrenz wirklich einen hervorragenden Job gemacht.

Helvetic Embraer E190-E2 in Bern: Der Flieger eigent sich auch für den kleinen Flughafen.

Und wie sieht es beim Verbrauch aus?

Die Treibstoffeffizienz ist besser, als von Embraer versprochen. Die E2 verbraucht 20, 25 - oder bei gewissen Strecken sogar 30 Prozent - weniger als die Vorläuferversion E1. Hinzu kommt, dass wir zusammen mit ihnen die Steilanflug-Fähigkeit für E190-E2 und E195-E2 entwickelten. Auch das unterscheidet die Flieger von anderen. Wir brauchen das regelmäßig, etwa für Flüge nach London City. Die gute Performance hilft uns aber auch ab kurzen Pisten wie in Bern: Wir können problemlos von der kurzen Piste aus nonstop bis nach Zypern fliegen. Für unser Geschäftsmodell ist es ein ideales Flugzeug.

Helvetic Airways fliegt im Wesentlichen für Swiss und Lufthansa Group. Wie sieht es mit weiteren Kunden aus?

Mit unserer modernen Flotte sind wir für verschiedene Kunden attraktiv.

Lohnt es sich für Sie, auch nur ein Flugzeug für einen Kunden abzustellen oder brauchen Sie immer größere Volumen?

Es hängt davon ab, wo die Basis liegt. In Zürich könnten wir auch ein einzelnes Flugzeug für einen Kunden operieren. Sobald es eine weitere Basis braucht, dann wird es etwas komplexer: Wir sehen das am Beispiel Bern. Wir müssen für den Einsatz im Sommer eine kleine technische Basis aufbauen. Bern liegt aber nur rund eine Fahrstunde von Zürich entfernt. Wenn es also technische Herausforderungen gibt, können wir rasch personelle Kapazitäten dorthin verlegen. Liegt die Basis jedoch weiter weg, geht das nicht. Da müssten wir wirklich eine Basis aufbauen. Um einen solchen Case rentabel operieren zu können, müssen es mindestens zwei Flugzeuge permanent eingesetzt werden.

Sie suchen also langfristige Aufträge?

Wir haben mit der Swiss einen langfristigen Vertrag und können dementsprechend planen. Unsere Planung bei der Flotte und auch beim Personal ist langfristig ausgelegt. Das sieht man zum Beispiel im Cockpit - wir haben keinen Mangel. Wir bilden in unserer eigenen Flugschule, der Horizon Swiss Flight Academy, 60 neue Pilotinnen und Piloten jährlich aus – 30 bis 40 davon übernehmen wir selbst. Andere gehen in die Business Aviation oder zu unseren Mitbewerbern. Auch hier können wir langfristig planen und investieren. So haben wir erst kürzlich in neue Schulungsflugzeuge und Simulatoren investiert. Wir haben also eine sehr gute Pipeline an Nachwuchs. Wir investieren auch viel in die Ausbildung von Instruktoren, damit wir auch bei der Ausbildung on the job noch besser aufgestellt sind.

Aber ist es nicht hart, wenn Pilotinnen und Piloten immer wieder mal abspringen, weil anderswo die Bezahlung besser ist?

Das möchte ich relativieren. Erstens springen Pilotinnen und Piloten nicht «immer mal wieder» ab. Die Fluktuation ist bei Helvetic sehr gering! Und da wir nur im Regionalsegment tätig sind, ist es verständlich, wenn junge Piloten auf die Langstrecke in der Schweiz oder im Nahen Osten wechseln wollen. Und was die Löhne angeht: Wir haben andere Salärmodelle mit mehr variablen Komponenten als die Mitbewerber. Man kann diese deshalb nicht vergleichen. Zudem bieten wir aber andere Vorteile: Eine top moderne und innovative Crewplanung mit einer Planungssicherheit von gegen 100 Prozent, die Ferienvergabe für das Jahr 2026 wird noch im November verbindlich bestätigt. Und die Einsatzpläne werden eingehalten. Das sind Softfaktoren, die grosse, komplexe Fluggesellschaften gar nicht anbieten können.

Ist mit der neuen Bestellung und den Kaufrechten ihre Flottenerneuerung abgeschlossen?

Wir haben nun die Weichen gestellt für die Zukunft. Und mit unserer eigenen Pilotenschule sind wir auch beim Nachwuchs im Cockpit gut aufgestellt. Wir schauen daher sehr zuversichtlich nach vorn.

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