Letzte Aktualisierung: um 20:40 Uhr

Die Tücken der Hitze

«Wirken sich heiße Temperaturen im Sommer negativ auf den Flugbetrieb aus?», fragt Leser Hannes Kohler. Ein Linienpilot antwortet.

Prinzipiell findet der Flugbetrieb bei heißen Temperaturen genauso statt wie sonst. Und theoretisch sollte es keine Einschränkungen geben. Der momentane Sommer-Flugbetrieb verläuft auch relativ geschmeidig. Aber es gibt für die Piloten, für die Passagiere wie auch für die Flugzeuge selbst dennoch Besonderheiten bei heißem Wetter. Immerhin ist Fliegen eine Outdoor-Aktivität, die in der dritten Dimension stattfindet. Und diese dritte Dimension birgt immer einige Gefahren.

Wir Piloten verlassen uns dabei auf die Meteorologen. Und doch kennen wir mit der Zeit die Wettersituationen auch aus eigener Erfahrung. Wir «riechen», ob etwas im Anmarsch ist. Wenn es einige Tage lang sehr heiß ist, dann hat die Atmosphäre viel Energie. Sobald etwas kältere Luftmassen über diese erhitzte Erde gleiten, gibt es teilweise sehr mächtige Gewitter. Wann und wo genau diese stattfinden, ist schwierig vorherzusehen. Für uns heißt das, bei der Planung noch genauer auf die Wetterentwicklung zu schauen. Wir rechnen mit mehr Kerosin. Denn wenn eine Gewitterzelle über dem Zielflughafen ist, können wir nicht landen. Wir warten im Holding, also der Warteschlaufe, bis die Zelle vorüber ist. Und wenn dies zeitlich etwas knapp wird, gibt es noch die Option des Ausweichflughafens. Dies braucht Kerosin. Es gilt zu vermeiden, dass wir plötzlich zu wenig Treibstoff haben und als Notfall landen müssen, wie es erst kürzlich gleich mehreren Fliegern in Spanien passierte.

Elektronik kühlen

Unsere modernen Flugzeuge sind voller Elektronik. Diese muss gekühlt werden. Bei heißem Wetter laufen die Kühlungs-Mechanismen auf voller Leistung. Die Temperatur könnte zwar eine Stunde lang um die 60° Celsius sein und es würde noch alles funktionieren. Aber wenn nun längere Zeit irgendwo im System auch nur ein kleiner Defekt ist, werden die elektronischen Instrumente zu heiß. Es kommt schonmal vor, dass der Wetter-Radar dann ausfällt. Den brauchen wir gerade bei Gewittern unbedingt, um diesen auszuweichen. Kürzlich haben zwei unserer Piloten entschieden, einen Flug nicht durchzuführen, weil der Radar nicht funktionierte. Denn in der Nacht in eine Gewitterwolke zu fliegen, ist gefährlich und verantwortungslos. Bei hohen Temperaturen müssen wir also umso genauer auf die normale Funktionalität der Systeme achten.

Die Hitze setzt allen zu. Und das Flugzeug – eine Röhre aus Blech – erhitzt sich am Boden sehr schnell. Zum Teil haben die Flugplätze keine externen Einrichtungen, um unsere Flugzeuge zu kühlen oder sie sind defekt. Wir starten dann unseren Generator (Auxiliary Power Unit), um unsere eigene Klimaanlage zu benutzen. Wenn der Flieger aber eine Weile ohne Besatzung am Boden steht, braucht es seine Zeit, bis er abgekühlt ist. Nun kommt hinzu, dass einige Passagiere vor den Flügen sowieso etwas gestresst sind. Dann die Hitze auf dem Parkplatz. Ein kaum gekühlter Terminal. Treibhaus-Feeling im Jet – die Brücke zum Flugzeug aus Glas. Dies führt zu noch mehr Stress. Da sollten alle viel trinken und trotzdem cool bleiben.

[image2]Was Sie schon immer übers Fliegen wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten: Ein Pilot einer großen Fluglinie beantwortet exklusiv für aeroTELEGRAPH die Fragen der Leser. Er bleibt dabei anonym, um unabhängig antworten zu können. Schicken Sie uns einfach eine E-Mail an redaktion@aerotelegraph.com. Jede Woche wird eine der eingesandten Fragen beantwortet.