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Einfaches Molekül, kniffliger Umgang

Taugt Wasserstoff als Revolutionär der Luftfahrt?

Europa forciert die Entwicklung von Wasserstoff-Flugzeugen. Die Chancen und Risiken des alternativen Antriebs.

Wasserstoff ist das Element mit der geringsten Atommasse. Rückschlüsse auf das Potenzial des Elements sollten daraus nicht gezogen werden. Nicht nur dient es der Sonne als Treibstoff. Der Stoff hat das Potenzial, die fossile Energieversorgung klimaneutral zu ersetzen.

Allein die deutsche Bundesregierung wird neun Milliarden Euro in ihre Wasserstoffstrategie investieren. Um bis 2050 klimaneutral zu werden, forcierten ebenso Frankreich sowie die Europäische Union ihre Pläne in Sachen Wasserstoff. Dabei soll der Stoff auch in der Luftfahrt seinen festen Platz finden. Doch wo liegen für Wasserstoff die Chancen und Hürden in der Fliegerei?

Keine Emissionen, aber mehr Platz

Mit Wasserstoff betriebene Flugzeuge mit Elektromotor erzeugen keine umweltschädlichen Emissionen. Brennstoffzellen wandeln das Element in Strom um, der Triebwerke antreibt. Anstelle von klimaschädlichen Abgasen entstehen dabei lediglich noch Wasser und Wärme. Soweit die Theorie.

Das Element besitzt im Vergleich zu bisherigen fossilen Kraftstoffen auch Nachteile – etwa zum gängigen Flugzeugtreibstoff Kerosin. Zu einem ist die Energiedichte von Wasserstoff deutlich geringer. Bei gleicher Menge an Energie ist das Volumen von Wasserstoff ungefähr viermal höher als bei Kerosin.

Flugzeuge vor grundlegenden Änderungen

Anders gesagt: Die Größe bisheriger Treibstofftanks reicht nicht mehr aus. Zwischen drei und viermal größer müssten diese werden, schätzen Experten. Zudem muss das flüssige Wasserstoff mit zusätzlichen, aufwendigen Systemen gekühlt werden. Größere druckfestere Tanks und Zusatzsysteme erzeugen ein höheres Gewicht – im Flugzeugbau ein empfindlicher Faktor, der nicht nur über Effizienz, sondern auch über Flugfähigkeit allgemein entscheiden kann.

Auch der Einbau von Brennstoffzellen und Elektromotoren erfordert, dass die bisherige Gestaltung von Flugzeugen verändert wird. Daran anpassen müssen sich auch Flughäfen. So brauchen nicht nur Flugzeuge größere und komplexere Tanks, auch Wasserstoffdepots am Boden sind nötig.

Nicht auf dieser Erde

Herausforderungen bringt auch die Produktion von Wasserstoff. Noch immer gilt die Herstellung als teuer und kompliziert. Wasserstoff ist zwar das häufigste Element im Universum. Doch ausgerechnet auf unserem Planeten lässt es sich nicht in reiner Form finden.

Jedoch ermöglichen chemische Prozesse die Herstellung von purem Wasserstoff. Eine gängige Form ist der sogenannte «graue Wasserstoff». Dieser wird aus Erdgas gewonnen, wobei schädliche Abgase entstehen. Auf eine Tonne des Endprodukts kommen etwa zehn Tonnen CO2. Die Ökobilanz eines Flugzeugs würde dieser Wasserstoff also bereits beim Betanken zunichtemachen.

Grauer und grüner Wasserstoff

Doch es gibt auch «grünen Wasserstoff». Dieser wird gewonnen, indem Strom Wasser in seine Einzelteile zerlegt – Sauerstoff und Wasserstoff. Schädliche Emissionen gibt es dabei keine. Um grünen Wasserstoff überhaupt grün nennen zu dürfen, muss jedoch auch die Energie zur Herstellung nachhaltig gewonnen werden.

Wie diese Energie ausreichend bereitgestellt werden kann, sorgt bislang noch für Fragezeichen. Ein Lösungansatz ist der Strom von Windrädern. Von denen bräuchte es viele: Um beispielsweise den vom Fraunhofer-Institut errechneten Wasserstoffbedarf für ganz Deutschland im Jahr 2050 zu produzieren, müsste eine Fläche so groß wie die Niederlande zum Windpark werden, berichtet der Rundfunksender ZDF.

In kleinen Schritten zum Passagierflieger

Damit Wasserstoffflieger insgesamt die Umwelt schonen können, gilt es somit nicht nur, Flugzeuge und Flughäfen umzugestalten. Auch eine flächendeckende Versorgung mit grünem Wasserstoff muss aufgebaut werden. Das würde zwar viele Jahre dauern und hohe Kosten verursachen.

Doch die Luftfahrt wäre nur eine von vielen Nutznießern. Erste Schiffe und Züge fahren bereits mit Wasserstoff. Auch in der Automobilbranche wird bereits lange auf das Element geschielt. Als klar gilt derweil, das vorerst nur kleine Flugzeuge den Vormarsch in Sachen Wasserstoff übernehmen werden.

Erste Prototypen bereits in der Luft

Bereits heute existieren erste Flugzeuge mit reinen Wasserstoff-Antrieb. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR und der slowenische Hersteller Pipistrel entwickelten etwa die HY4. Mit vier Sitzen ist das Kleinflugzeug mit Doppelrumpf der erste Wasserstoff-Passagierflieger überhaupt, der 2016 zum ersten Mal abhob. Bis zu 1500 Kilometer kann der Testflieger überwinden.

Bereits die Antriebstechnologie der HY4 gibt Ausblick auf Wasserstoffflugzeuge mit bis zu 40 Sitzplätzen, sagt das DLR. In dem Forschungszentrum beschäftigt sich Joseph Kallo seit langem mit dem Einsatz von Brennstoffzellen in Flugzeugen, berichtet die Neue Zürcher Zeitung. Der Wissenschaftler rechnet sich gute Chancen aus, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre erste Prototypen mit einer Reichweite bis zu 80 Kilometer abheben könnte.

Technologien heute verfügbar

Bereits heute ist die Technologie dafür «grundsätzlich verfügbar», so Kallo. Doch noch müsste die Technik von kleinen Flugzeugen auf größere übertragen werden. Entwicklung und Zulassung dürften viel kosten. Laut dem Wissenschaftler wird es bestenfalls noch 15 Jahre dauern, bis Passagiere an Bord eines Wasserstoffflugzeuges Platz nehmen könnten.

Zu Beginn würden diese auch überwiegend auf Kurzstrecken zum Einsatz kommen. Denn sie fliegen auch langsamer. Gewöhnliche Passagierflugzeuge mit Düsenantrieb reisen mit Geschwindigkeiten zwischen etwa 800 und 900 Kilometer pro Stunde. Bei frühen Wasserstofffliegern würde die Marschgeschwindigkeit zwischen 550 und 600 Kilometer pro Stunde liegen, sagt der Wissenschaftler.