Den über 200 Jahre alten Wehrturm in Sutton können Urlauber als exklusive Ferienunterkunft mieten – einmalig in Irland. Vor allem Romantiker werden entzückt sein ob des stilvollen James-Joyce-Ambientes und der prachtvollen Sicht auf die Dublin Bay.
Hat Napoleon sich womöglich vom mitunter unberechenbaren Wetter abschrecken lassen? Oder von den merkwürdigen Bräuchen der keltischen Nachfahren? Vielleicht auch von den in Windeseile errichteten Wehrtürmen, die seiner drohenden Invasion trotzen sollten? Man weiss es nicht. Fakt ist jedenfalls: In Irland ist der französische Feldherr nie aufgetaucht. So blieb es dabei, dass aus den sogenannten Martello-Türmen – inspiriert von den robusten Bauten aus dem korsischen Martello – nie ein Schuss abgefeuert wurde. Stattdessen stehen die rund zwölf Meter hohen, meterdick gemauerten und glatt verputzten Ziegelbauten bis heute als stille Zeugen einer kriegerischen Zeit. 164 Stück liess das Britische Empire einst errichten. Allein in Irland sind noch etwa 50 davon erhalten, mehrere davon an der Dublin Bay nahe der Hauptstadt.
Einer dieser Türme liegt im Norden der Bucht: der Martello Tower in Sutton. Besonders an ihm ist nicht nur, dass er 1804 als erster Verteidigungsturm auf irischem Boden erbaut wurde. Seit einigen Jahren ist er auch der einzige, in dem man übernachten kann. Eine aussergewöhnliche Ferienunterkunft, die sich ideal für Gäste eignet, denen die abgeschiedene Lage direkt am Wasser ebenso gefällt wie der Charme der kompakten Räume.
Bill, unser Gastgeber, empfängt uns mit jener typisch irischen Herzlichkeit und Bodenständigkeit. «Die meisten Gäste sind begeistert, auch wenn es anfangs etwas ungewohnt ist», sagt er. Vermutlich meint er damit vor allem die steile Wendeltreppe, die uns über drei Etagen führt – eng und kurvig.
Auch das etwas düstere Raumambiente ist zunächst gewöhnungsbedürftig, doch die Einrichtung überzeugt: ein geschmackvoller Mix aus edwardianischem Plüsch und moderner Küchentechnik samt Designertisch. Würde man dem Komfort und Stil Hotelsterne verleihen – vier wären gerechtfertigt. Dazu trägt die umlaufende Holzterrasse bei, ebenso wie der Whirlpool im Badezimmer. Ein Fenster fehlt dort allerdings. In den benachbarten Schlafkammern gibt es zwar welche, doch sie sitzen in den alten Schiessscharten. Lichtflut sieht anders aus. Wer die Fenster öffnen möchte, muss tief in die Mauer greifen, schliesslich ist sie über drei Meter dick! Die heutigen Betten sind jedoch weitaus bequemer als die harten Pritschen, auf denen einst Kanoniere wachten.
Auch wenn der darüber liegende Raum mit Kamin, DVD-Player, Sofa und kleinem Balkon als Wohnzimmer deklariert ist, zieht es uns am liebsten ganz nach oben: in die Wohnküche, die erst durch die Renovierung vor einigen Jahren entstand. Wer die 32 Stufen meistert, gelangt in einen hellen Raum von 25 Quadratmetern, umgeben von Fenstern, die freie Sicht auf die Bucht, den Ort Sutton und die Küstenlinie gewähren. Mit dem Fernglas beobachten wir Fähren, Segelboote, Kreuzfahrtschiffe und das stetige Spiel der Gezeiten. Inmitten dieser Turmromantik könnten selbst die zwei grossen Industrieschornsteine am Horizont wie Masten eines fernen Segelschiffs wirken – vielleicht sogar das von Napoleon?
Der poetische Geist wird zusätzlich durch einen Raum beflügelt, der James Joyce gewidmet ist, jenem Schriftsteller, dessen weltberühmter Roman «Ulysses» genau in dieser Gegend spielt. Passend dazu liegt Literatur bereit.
Wem der Sinn mehr nach Bewegung steht, der findet gleich vor dem Turm wunderschöne Wanderwege. Sie führen durch wildes Brombeergestrüpp und an dramatischen Klippen entlang bis nach Howth, einem charmanten Küstenort mit zahlreichen Fischläden – und einem weiteren Martello Tower. Auch dieser steht unter Denkmalschutz, genau wie der Turm in Sutton. «Früher haben Ausflügler hier einfach an die Tür geklopft», erzählt Bill, «weil sie dachten, es sei ein Museum.» Deshalb wurde später eine niedrige Mauer gebaut. Und eine Alarmanlage installiert. «Aber die ging nur einmal los», schmunzelt er, «als ein Kormoran gegen die Scheibe flog.» Die Anlage dient heute eher der Beruhigung für Gäste, die sich in der Abgeschiedenheit nicht ganz sicher fühlen.
Aber eigentlich fühlt man sich hier sofort gut und sicher aufgehoben, dank Aussicht, Ruhe und durchdachtem Komfort. Lediglich das ständige Treppensteigen kann auf Dauer etwas anstrengend sein. Die ersehnte Freiheit liegt jedoch direkt vor der Tür, begleitet vom natürlichen Soundtrack der Küste: Möwenrufe, das stetige Rauschen des Meeres auf dem Kieselstrand. Oben auf den Klippen wiehern Pferde, während unten Golfer ihr Handicap verbessern. Die Dublin Bay gilt nicht umsonst als Irlands golfplatzreichste Region.
Was den Turm zusätzlich reizvoll macht: Die Innenstadt von Dublin ist nur rund 30 Autominuten entfernt. Eine ideale Kombination also: zuerst im Martello Tower in «Ulysses» versinken, jener literarischen Hommage an das Dublin vor über 100 Jahren, und anschliessend selbst die moderne Stadt entdecken. Viele Joyce-Routen führen durch Dublin: zum James Joyce Centre oder ins berühmte Pub «Davy Byrnes» in der Duke Street.
Und dann gibt es ja noch den James Joyce Tower in Sandycove, am südlichen Ufer der Bucht. Auch das ein Martello Tower, in dem Joyce 1904 das erste Kapitel seines Romans erdachte. Dort sind heute Briefe und Buchausgaben ausgestellt. Doch ganz ehrlich: Das grössere Joyce-Gefühl kommt in Sutton auf – bei einem Glas Rotwein, auf der privaten Turmterrasse, im Abendlicht.
Anreise aus Deutschland:
Dublin wird von zahlreichen deutschen Städten aus direkt angeflogen – oft sogar täglich.
Anreise aus der Schweiz:
Anreise aus Österreich:
Weiterfahrt nach Sutton:
Vom Flughafen Dublin sind es rund 20 Kilometer. Die Fahrt dauert ca. 30 Minuten mit dem Mietwagen oder Taxi. Alternativ: DART-S-Bahn ab Dublin City nach Sutton.
Preise und Buchung:
Allgemeine Information:
Tourism Ireland: www.ireland.com/de-de
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Die Reise wurde unterstützt von Tourism Ireland.