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Elektrische Abfertigung

Nachts hängen die Fahrzeuge des BER an der Dose

Flugzeugbauer und Airlines tun viel, um ihren Betrieb klimaneutral zu machen. Doch wie sieht es am Boden aus? Der Flughafen Berlin und der Abfertiger Wisag gehen voran. Doch wie geht CO2-neutrale Abfertigung eigentlich?

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Wenn es um Nachhaltigkeit geht, liegen die skandinavischen Länder ganz vorn. Schweden gilt in einigen Ranglisten als grüne Nummer eins der Welt. Das Land hat die höchste Nutzung erneuerbarer Energien, die niedrigsten Kohlenstoffemissionen und ein hohes Umweltbewusstsein der Bevölkerung.

Das zeigt sich auch im Luftverkehr. Lufthansa testete ihre Eco-Tarife zuerst in Skandinavien. Auch die Elektrifizierung der skandinavischen Flughäfen ist weit vorangeschritten, erklärt Roland Ückert, Geschäftsführer von Hiserve, einem Anbieter für die Vermietung von Bodenfahrzeuge bei einem Pressetermin am Flughafen Berlin. «Da gibt es eigentlich nichts mehr zu tun», so der Manager. Und er muss es wissen. Denn sein Unternehmen ist an 40 europäischen Flughäfen vertreten und vermietet dabei über 5000 Geräte.

BER will Vorreiterrolle bei E-Abfertigung spielen

In Deutschland will der BER Vorreiterrolle beim Thema elektrifizierte Abfertigung einnehmen. Erst kürzlich wurde am Flughafen die 1000. elektrifizierte Abfertigung gefeiert, verrät Thomas Hoff Anderson, der für den operativen Betrieb zuständig ist. Für den Flughafen sei es wichtig, auf diesem Feld ambitionierte Partner zu haben, denn« die grüne Transformation schaffen wir nur gemeinsam», so der Schwede. Mit dem Bodenverkehrsdienstleister Wisag hat der BER einen ambitionierten Partner gefunden.

Aber was ist eine CO2-neutrale Abfertigung? Der Abfertigungsprozess eines Flugzeugs gilt als CO2-neutral, wenn alle für den Turnaround – als von der Ankunft bis zum Abflug – benötigten Fahrzeuge keine Emissionen erzeugen. Dies umfasst Gepäckschlepper und -bänder, Fahrgasttreppen, Schlepper und Bodenstromaggregate. Neben der klimaneutralen Abfertigung spricht Wisag auch von einer CO2-reduzierten Abfertigung. Das ist der Fall, wenn einzelne Geräte noch mit fossilen Brennstoffen angetrieben werden müssen. In Frankfurt sei das aufgrund der gegebenen Infrastruktur nicht anders möglich.

Über die Hälfte elektrifiziert

Wisag hat vor zwei Jahren, kurz nach der BER-Eröffnung, die Nachhaltigkeitsinitiative Ready for Green gestartet, die unter anderem auch die Elektrifizierung der Abfertigungsgeräte vorsieht. Paul Edwards ist Projektleiter bei Wisag Aviation und erklärt im Gespräch, dass mittlerweile 55 Prozent der Geräte am Boden elektrifiziert sind. Ziel ist, 2030 komplett am BER elektrisch abzufertigen. Allein 2023 konnten 40 Tonnen CO2 eingespart werden.

So ist am Hauptstadtflughafen einer von vier Bussen elektrisch, alle Gepäckförderbänder, ein Highloader, vier von sieben Pushbackfahrzeugen sowie die Hälfte aller Zugfahrzeuge für Koffer- oder Frachtanhänger, verrät Edwards. Auch die Mitarbeitenden sind von der Umstellung überzeugt. «Die Arbeit mit E-Geräten ist viel angenehmer. Es ist viel leiser und wir atmen weniger Abgase ein», so ein Wisag Vorfeldmitarbeiter.

Wisag mietet bei Hiserve

Wisag gehört aber kein einziges Ground Service Equipment selbst. Der komplette Fuhrpark ist vom Partner Hiserve gemietet. «Wir haben das Rundum-Glücklich-Paket bei Hiserve gebucht», so Edwards. Das bedeutet, dass alle Geräte auch vom Vermieter gewartet werden. Hiserve betreibt eine Werkstatt am Flughafen. Die Mietverträge für die Geräte sind unterschiedlich lang. Dabei gilt die alte Weisheit: je kurzfristiger, desto teurer.

So hat Wisag recht kurzfristig den Zuschlag für die Abfertigung von Delta Air Lines in Berlin bekommen und musste kurzfristig einen Highloader für die Entladung von Containern in Langstreckenmaschinen beschaffen. «Da sind die Kosten dann entsprechend höher», so Edwards. Der Highloader kostet den Abfertiger einen mittleren vierstelligen Betrag pro Monat.


Wisag hat einen elektrischen Highloader am BER. Bild: aeroTELEGRAPH

Kontinuierliche Umstellung

Die Umstellung auf einen E-Fuhrpark war von Anfang an auf einen längeren Zeitraum ausgelegt, um einerseits Erfahrungen mit der neuen Technik sammeln zu können, so Edwards. Andererseits hat die Covid-19-Pandemie auch die Lieferketten für elektrische Abfertigungsgeräte durcheinander gewirbelt und E-Geräte von deutschen und französischen Anbietern waren schwer zu bekommen. Allerdings beruhige sich die Situation aktuell, sagte ein Hiserve-Mitarbeiter im Gespräch.

«Bei einer Außentemperatur von 20 Grad Celsius können wir ein Pushback-Fahrzeug rund achtmal einsetzen, bevor es wieder an die Ladestation muss», sagt Projektleiter Edwards. «Im Winter bei Minus 20 Grad schaffen die Geräte aufgrund der Akkuleistung jedoch nur noch die Hälfte. Das müssen wir alles einplanen. Es sei aber noch nie vorgekommen, dass ein Gerät während eines Turnarounds der Strom ausgegangen sei. «Uns ist aber auch noch nie der Diesel ausgegangen», so Edwards, der schon seit Ende der 1980-Jahre an Berlins Flughäfen arbeitet.

Zertifizierung folgt

Die Geräte werden überwiegend nachts zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr geladen, wenn es am BER keine regulären Flüge gibt. Teilweise sei es aber auch notwendig, die Geräte tagsüber zu laden. Am BER stehen dazu aktuell 100 Ladepunkte zur Verfügung. Der Flughafen wird aber in den kommenden Wochen die Zahl der Ladepunkte ausbauen, so Hoff Anderson. Die Ladestationen befinden sich unter anderem an Lichtmasten und Fluggastbrücken.

Neun Fluggesellschaften setzen in Berlin auf Wisag als Bodendienstleister. Von denen KLM, Air France und Norwegian immer auf eine CO2-neutrale Abfertigung setzen. Bei allen anderen Airlines werden je nach Verfügbarkeit E-Geräte eingesetzt. Finanziell unterscheidet Wisag derzeit noch nicht zwischen einer CO2-neutralen und einer Abfertigung mit Dieselfahrzeugen. Wenn es nach Edwards geht, sollten CO2-neutrale Abfertigungen künftig günstiger sein, um Anreize zu schaffen. Dazu sei allerdings eine Zertifizierung nötig, die das Unternehmen als nächstes Ziel anstrebe.

Weitere Maßnahmen geplant

Die Umstellung auf elektrische Geräte ist aber nur ein Baustein auf dem Weg zur Co2-neutralen Abfertigung. Wisag hat auch mit ihren Airline-Partnern weitere Maßnahmen entwickelt. So sollen unter anderem die Flugzeuge nach der Landung nur mit einem Triebwerk zur Parkposition rollen und vor Ort möglichst den Bodenstrom vom Flughafen nutzen. Der Dienstleister hat angekündigt, sich im nächsten Schritt dem Thema Recycling anzunehmen.