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Kippgefahr

Lufthansa muss letzte Sitzreihe im A320 Neo leer lassen

Beim Airbus A320 Neo liegt unter bestimmten Bedingungen der Schwerpunkt zu weit hinten. Das kann am Boden und in der Luft zu Problemen führen. Lufthansa reagiert.

Die letzte Sitzreihe der Airbus A320 Neo von Lufthansa bleibt vorerst leer. Mit dieser Ad-Hoc-Maßnahme reagiert Lufthansa auf eine Anweisung der europäischen Luftfahrtbehörde Easa, wie ein Sprecher der Fluggesellschaft gegenüber aeroTELEGRAPH erklärt. Er bestätigt damit einen Bericht des Magazins Aviation Week.

Demzufolge weist Deutschlands größte Fluglinie ihre Piloten in einem Memo darauf hin, dass vier der sechs Sitze in der letzten Reihe gesperrt werden. Die anderen zwei dürfen nur noch von Mitgliedern der Crew genutzt werden. Grund für die Maßnahme ist eine Lufttüchtigkeitsanweisung der Easa, die Mitte August in Kraft getreten ist.

Schwerpunkt darf nicht zu weit hinten sein

Darin geht es um eine Schwachstelle des A320 Neo, die bei Simulationen und Analysen entdeckt wurde, aber bisher nie bei einem realen Flug. Demnach kann es bei bestimmten Konfigurationen des Fliegers in Kombination mit speziellen Manövern der Piloten dazu kommen, dass die Schutzmaßnahmen des Jets bei zu steilen Anstellwinkeln nicht richtig funktionieren. Aviation Week nennt aggressive Durchstartmanöver als Beispiel.

Im Zusammenhang steht diese potenzielle Schwachstelle mit dem Schwerpunkt (Center of Gravity) des Flugzeuges. Airbus hat die Betreiber über vorübergehend geänderte Grenzwerte zur Lage des Schwerpunkts hingewiesen. Darum sperrt Lufthansa nun die letzte Reihe, damit der Schwerpunkt des Jets nicht zu weit hinten liegt.

Update kommt wohl erst Mitte 2020

Während die Problematik in der Luft real offenbar noch nie aufgetreten ist, berichtet das Magazin, dass A320-Neo-Betreiber mit bestimmten Kabinen-Layouts am Boden durchaus alltägliche Schwierigkeiten haben. So könne Lufthansa etwa das Gepäck aus dem vorderen Laderaum erst ausladen, wenn die Passagiere das Flugzeug verlassen haben. Ohne das Gewicht bestehe die Gefahr, dass der Flieger auf das Heck kippe.

Lufthansa arbeitet laut dem Memo an Maßnahmen, um die hinteren Sitze wieder besetzen zu können. Die Fluggesellschaft rechne aber damit, dass die neuen Grenzwerte zum Schwerpunkt in Kraft bleiben, bis Airbus Mitte des Jahres 2020 eine überarbeitete Flugsteuerungssoftware herausbringt, heißt es weiter. Die erwähnten Schwierigkeiten am Boden würde allerdings auch das nicht lösen.

Swiss sperrte schon im klassischen A320

Airbus erklärte, man arbeite mit den A320-Neo-Betreibern daran, die besten Lösungen für deren täglichen Betrieb zu finden. Die Frage, welche Fluglinie ob und wie von der Problematik betroffen ist, hängt auch vom genauen Kabinenlayout ab: Wie viele Sitze sind verbaut (bei Lufthansa 180), wo genau befinden sich Bordküche und Toiletten?

Betroffen von dem Problem, auf das sich die Easa-Anweisung bezieht, ist nur der A320 Neo, auch wenn beim A321 Neo ähnliche Probleme aufgetreten sind. Lufthansa betrieb Ende August 20 Airbus A320 Neo. 81 weitere hat der Konzern bestellt, für Lufthansa selber, für Eurowings und für Swiss. Die Schweizer Tochter hatte im Frühjahr 2018 übrigens bereits ein Gleichgewichtsproblem beim A320 Ceo und sperrte damals ebenfalls die letzte Sitzreihe.