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Onboard Delights

Verkauf von Langstrecken-Snacks erzürnt Lufthansa-Belegschaft

Ab dem 1. Dezember verkauft die deutsche Airline auf langen Langstreckenflügen Essen und Getränke für zwischendurch. Angesichts steigender Infektionszahlen sieht das ein großer Teil der Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter skeptisch.

Zwar hat Lufthansa die Staatshilfen komplett zurückgezahlt. Doch das heißt nicht, dass es dem Luftfahrtkonzern jetzt blendend geht – genauso wie so ziemlich allen Airlines momentan. Daher ist es nachvollziehbar, dass er sich Gedanken über neue Einnahmequellen macht.

Eine davon ist ein neuer zusätzlicher Bordservice an Bord von längeren Langstreckenflügen. Onboard Delights nennt er sich und startet am 1. Dezember. Passagierinnen und Passagiere können dabei zwischen den normalen Mahlzeiten Snacks und Getränke wie Baumkuchen, Chips oder Aperol Spritz und Champagner kaufen. Hauptmahlzeiten und die meisten Getränke bleiben gratis.

Service in verschiedenen Klassen wird hochgefahren

In der Belegschaft stößt das neue Konzept auf Ablehnung. Viele Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter sind erbost, weil Lufthansa  den Service zum aktuellen Zeitpunkt hochfährt.  «Ich habe grundsätzlich überhaupt nichts dagegen, dass wir auch etwas an Bord verkaufen», berichtet eine Flugbegleiterin. Sie und auch viele Kolleginnen und Kollegen würden verstehen, dass es jetzt wichtig ist, Geld zu verdienen. «Doch der Zeitpunkt jetzt gerade, mit explodierenden Infektionszahlen, ist wirklich nicht gut.»

Statt die Kontakte mit den Fluggästen so gering wie möglich zu halten, würden neue Kontaktpunkte eingeführt. Hinzu komme, dass auch in anderen Klassen nach und nach der Service hochgefahren werde.

Mehr Kontakte – und das bei vierter Welle

So wird in der Premium Economy etwa der Willkommensdrink wieder eingeführt. Den bekommt man vor dem Start nach dem Einsteigen. Außerdem soll es einen weiteren Getränkeservice geben.

Das Hochfahren des Services, zu dem auch der neue Onboard-Delights-Service zählt, kritisiert auch die Personalvertretung der Lufthansa. «Wir befinden uns aktuell in der sogenannten vierten Welle der Pandemie mit in den letzten Tagen immer wieder neuen Negativ-Rekordwerten von inzwischen mehr als 75.000 täglichen Neuinfektionen», heißt es in einem Schreiben vom 26. November.

Lufthansa: Es wird an Bord nicht gefährlicher

«Die von uns verinnerlichte, spürbare Sicherheit, gerade auch als ein essenzieller Kernpunkt der eigenen Lufthansa-DNA, rechtfertigt aus unserer Sicht kein sukzessives Hochfahren des Service», heißt es weiter. Eine vertretbare Reduzierung sei aktuell das richtige, weil verantwortungsbewusste Signal «sowohl in die Belegschaft als auch an unsere Kunden».

Grund für die Einführung des neuen Angebots sei die vielfache Rückmeldung der Gäste, dass ihnen diese Servicebestandteile gefehlt hätten, heißt es von Lufthansa gegenüber aeroTELEGRAPH. «Die Annahme, durch das zeitliche Zusammentreffen von Service-Intensivierung und der Inzidenz-Entwicklung in Deutschland und anderen Ländern Europas, sei es an Bord auch wieder gefährlicher, ist falsch», so eine Sprecherin zudem.

Easa empfehle wenig Service

«Nach klarer Einschätzung medizinischer Experten bedeutet die Ausweitung des Servicekonzeptes kein erhöhtes Infektionsrisiko, weder für die Fluggäste noch für die Crewmitglieder», fügt sie an. Der Gesundheitsschutz habe bei Lufthansa höchste Priorität. «Diese Grundvoraussetzung aus medizinischer Sicht erlaubt uns, den Fokus auf die Bedürfnisse unserer Gäste zu richten und ihnen wieder einen Service anzubieten, den sie zurecht von Lufthansa als Premium-Airline erwarten.»

Das sieht die Personalvertretung anders. Die Easa empfehle klar so wenig Service wie möglich in der aktuellen Situation, schreibt sie. Lufthansa habe die entsprechende Charta der europäischen Luftfahrtbehörde unterzeichnet. Die Airline lege sie «kreativ» aus, heißt es.

Personalvertretung will Mitspracherecht vor Gericht erkämpfen

Dennoch gibt es auch in den Reihen der Belegschaft auch andere Ansichten. Denn wie die Personalvertretung ebenfalls schreibt, sei ihr Job dadurch ziemlich erschwert, dass rund die Hälfte der Mitarbeitenden der Meinung sei, die Pandemie sei vorbei, und den Service besonders kleinteilig gestalte – sowie Maskenverweigerer nicht genug ermahne. Diese Ausgangslage mache es der Personalvertretung schwer, gegenüber der Konzernleitung die Standpunkte durchzusetzen.

Das gilt umso mehr, als dass sie weder bei der Ausgestaltung des Service noch bei der Beurteilung der Gefährdung durch dir Pandemie ein Mitspracherecht hat. Das will sie aber ändern – und hat bereits im Sommer ein Gerichtsverfahren eingeleitet, um zumindest beim Gesundheitsschutz ein Mitspracherecht zu erhalten. Das Verfahren zieht sich immer noch hin, weil der zuständige Richter erkrankt war. Noch dieses Jahr rechnet man mit einer Entscheidung.

Gewerkschaft Verdi unterstützt

Das Ziel: Lufthansa soll ein System erarbeiten, in denen Kontaktpunkte an Bord analysiert werden. Also, wie häufig und wie lange es zu Zusammentreffen zwischen Crewmitgliedern und Gästen kommt. So wiederum wird beurteilt, ob es zu möglichen Ansteckungen kommen kann und ob man Kontaktpunkte möglichst reduzieren kann.

Rückendeckung erhält die Personalvertretung dabei von der Aircrew Alliance, die bei der Gewerkschaft Verdi die Besatzungen aller in Deutschland aktiven Fluggesellschaften vertritt.« Wir unterstützen diesen Standpunkt der Personalvertretung», sagt Emilio Rezzonico. «Es sollte klar sein, dass Gäste und Beschäftigte keinen unnötigen Gefahren ausgesetzt werden.» In jedem Hygienekonzept werde üblicherweise überprüft, bei welchen Arbeitsabläufen es zu Kontaktpunkten kommt und ob man sie reduzieren kann. «Es ist kaum einsichtig, warum das nicht auch an Bord eines Flugzeuges gemacht werden sollte.»