Einst Heimat von Crossair und Standort großer Ambitionen, ist Basel heute nur noch Randnotiz im Konzerngefüge von Swiss. Die Verlegung des rechtlichen Sitzes nach Kloten schließt einen schleichenden Rückzug ab, der mit der Swissair-Krise begann und den Aufstieg von Easyjet in Basel ermöglichte
Vor wenigen Tagen verlegte Swiss still und leise ihren rechtlichen Sitz von der Malzgasse 15 in Basel an die Obstgartenstrasse 25 in Kloten. Es ist ein Schlusspunkt einer turbulenten Geschichte und einer Hassliebe zwischen der Schweizer Nationalairline und der Stadt am Rheinknie: Denn vor zehn Jahren, am 31. Mai 2015, stellte sie schon ihre Flüge ab Basel ein. Es ist, was die Daten anbetrifft, sicherlich eine zufällige Koinzidenz. Aber die beiden Ereignisse haben miteinander zu tun.
Um das ganze Bild zu bekommen, muss man mindestens 30 Jahre zurückblättern. Im Schnelldurchlauf: Die damalige Swissair kaufte ab 1995 rund zehn Fluggesellschaften in Europa zusammen, weil sie sich verschiedene Standbeine in der EU sichern wollte. Denn damals hatte die Schweiz (und die hiesigen Fluggesellschaften) noch keinen Zugang zum liberalisierten EU-Binnenmarkt.
Nur: Die damals erworbenen Airlines hatten eines gemeinsam; sie waren marode und meist Sanierungsfälle. Synergiegewinne – das Zauberwort der 90er-Jahre – konnten kaum erzielt werden. Lange konnte das nicht gut gehen. Zudem operierte Swissair im Vergleich zur Konkurrenz mit zu hohen Kosten, und die Konzernstruktur der damaligen S Air Group war komplex. Es waren chaotische Zeiten. Im Jahr 2000 wies die Swissair als Folge der so genannten Hunter-Strategie einen Verlust von 2,9 Milliarden Franken aus, die Gruppe war überschuldet.
Vollends dramatisch wurde es 2001, als schon Mitte des Jahres die Zahlungsunfähigkeit drohte. Dann kam der 11. September mit der Attacke auf die Twin Towers in New York und schüttelte die ganze Branche durch. Am 1. Oktober verkündete Swissair-Verwaltungsratspräsident Mario Corti die Nachlassstundung, am Tag später wurde die Flotte gegroundet.
In großer Hektik wurden Bank-, und Bundeskredite organisiert und es entstand der Plan, dass die Basler Regionalfluggesellschaft Crossair, eine 70-Prozent-Tochter von Swissair, die Muttergesellschaft übernimmt. Deshalb war bisher der rechtliche Sitz der Firma, die neu als Swiss International Air Lines flog, in Basel.
An der letzten Generalversammlung der Crossair wurde der bisherige Verwaltungsrat abgesetzt. Auch Gründer Moritz Suter war nicht mehr dabei. Der einzige Luftfahrtexperte im Gremium war Pieter Bouw (ex KLM) als Präsident. Der Name Crossair war Geschichte.
In Basel war die Aufregung groß. Crossair, Heimanbieterin am Euro Airport, war im Jahr 2000 die größte Regionalfluggesellschaft Europas, beförderte 6,3 Millionen Passagiere an 100 Destinationen, beschäftigte 3600 Menschen und betrieb 80 Flugzeuge. Und vor allem eines: Sie machte, bis auf zwei Jahre, immer Gewinne. Jetzt sollte die Crossair die Swissair übernehmen. Kann dies gut gehen?
Die Umstände erinnerten an Balair, die 1925 von Basler Wirtschaftskreisen gegründet wurde, weil die Zürcher Fluggesellschaft Ad Astra Basel konsequent links liegen gelassen hatte. Das Eidgenössische Luftamt zwang die beiden Konkurrenten 1931 zur Fusion zur Swissair, wobei «die größere und erfolgreichere Balair die ältere Ad Astra faktisch übernahm», wie Bendikt Meyer in seiner Schweizer Aviatikgeschichte schreibt.
1953 wurde wiederum in Basel eine zweite Balair ins Leben gerufen, die auf Charterflüge spezialisiert war. Die Gründung stand in engem Zusammenhang mit dem neuen Flughafen Basel/Mulhouse. Nach und nach sicherte sich Swissair die Mehrheit. Im Ramen des Zickzackkurses der Swissair wurde 1995 das Chartergeschäft aufgegeben. Damit war auch die zweite Balair Geschichte.
Nach dem Neustart von Crossair unter dem Namen Swiss wurden vollmundige Bekenntnisse zum Standort im Dreiländereck abgegeben. Doch zum einen entstand in der fusionierten Gesellschaft ein kräftezehrender Kulturkampf zwischen ehemaligen Swissair- und Crossairangestellten. Zum andern wurde der ursprüngliche Plan, die neue Firma auf Kostenbasis der Crossair zu errichten, nicht verwirklicht.
Swiss hatte zu hohe Kosten. Auch das Drehkreuz namens Eurocross, in dessen Rahmen erfolgreich Umsteigeverkehr auf dem Flughafen Basel generiert wurde, stand bald einmal zur Debatte. Dies unter anderem, weil viele der 50-plätzigen Embraer bei Sparübungen aussortiert wurden.
Swiss flog erneut in Turbulenzen, im März 2005 übernahm der Lufthansa-Konzern die Fluggesellschaft: die Aktionäre wurden mit 330 Millionen Franken und einem Besserungsschein, gekoppelt an die Lufthansa-Aktie, bezahlt. Der Betrag entspricht in etwa den Kosten, die dem deutschen Konzern 2024 gemäß der Jahresrechnung durch Streiks entstanden sind.
Für Lufthansa war die Swiss das Jahrhundertschnäppchen. Über die Jahre entwickelte sich die Schweizer Fluglinie zum Goldesel von Lufthansa Group. Immerhin hatten dabei die Grabenkämpfe zwischen Swissairlern und Crossairlern aufgehört.
Als Gründe für die Einstellung des Linienverkehrs ab Basel nannte Swiss vor zehn Jahren die Unsicherheiten über die Entwicklung der Gebühren im Dreiländereck und die Konkurrenz. Vor zehn Jahren war Easyjet mit einem Marktanteil von rund 60 Prozent und 50 Destinationen bereits Marktführerin in Basel. Früher hatte auch die Swissair/Crossair einen ähnlichen Anteil.
Für Basel war es ein Glücksfall, dass Easyjet auf dem Euro Airport eine Basis aufbaute. Mit ihren elf Airbus A319/ und A320 weist die Billigairline heute mit 86 Destinationen ein ähnliches Bedienungsbild auf wie früher Crossair. Mit einem großen Unterschied: Nur auf sehr verkehrsreichen Strecken gibt es Tagesrandverbindungen.
Easyjet ist in erster Linie ein Ferienflieger und weniger für Geschäftsreisende, die am selben Tag hin und zurückfliegen wollen. Außerdem trat Wizz Air neu auf den Plan, die vor allem Destinationen im östlichen Europa anbietet.