Adamos Marneros war der erste Zypriote, der Kapitän bei Cyprus Airways wurde. 27 Jahre alt war er bei seiner Beförderung. Und zwei Monate später wurde er Teil eines weiteren historischen Ereignisses. Nur wusste er das noch nicht, als er 20. Juli 1974 in Rom zu Flug CY314 startete. Es wurde der letzte Linienflug, der am Nicosia International Airport landete.
Erst als er Kurs auf die zyprische Hauptstadt nahm, bemerkte Marneros, dass etwas nicht stimmte. Vom Cockpit seiner Hawker Siddeley Trident aus sah er, wie türkische Kriegsschiffe von Norden her auf die Insel zusteuerten. Die Invasion Zyperns hatte begonnen.
Eine blutige Schlacht am Flughafen
Um 3:55 Uhr landete Marneros mit der Trident mit dem Kennzeichen 5B-DAE am Flughafen von Nicosia. Dort hatte bereits die Evakuierung begonnen. Als er mit seinem Auto als einer der letzten vom Gelände fuhr, sah er bereits türkische Truppen in der Nähe landen. «Ich konnte die Augäpfel der Fallschirmjäger sehen», erzählte er einmal der Nachrichtenagentur AP, «und die an ihrer Ausrüstung befestigten Gewehre.»
Bald gingen am Nicosia International Airport heftige Kämpfe los. Die türkischen Invasoren wollten den strategisch wichtigen Flughafen unbedingt einnehmen. Doch die zyprische Nationalgarde, unterstützt von griechischen Elitetruppen, leistete heftigen Widerstand. Der Angriff scheiterte. Die Zahl der Toten dieser Schlacht ist bis heute nicht offiziell bekannt - vor allem die türkische Armee soll aber hohe Verluste erlitten haben.
Die Uno übernahm das Gelände
Die Friedenstruppen der Vereinten Nationen griffen ein. Sie umfassten damals 6000 Soldaten. Ein Teil von ihnen war bereits seit 1963 neben dem Airport stationiert, weil es zuvor wiederholt zu Massakern zwischen den beiden Volksgruppen auf Zypern gekommen war. Die Uno übernahm das Gelände und erklärte es zu einer Schutzzone. Niemand durfte es fortan mehr betreten.
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Der Flughafen 1970, zwei Jahre nachs einer Eröffnung. Bild: Costas Farmakas, Foto Cine Studios Cyprus
Der Nicosia International Airport wurde damit schlagartig zum Geisterflughafen. Und dies nur sechs Jahre nach seiner Eröffnung im Jahr 1968. Das deutsche Planungsbüro Dorsch und Gehrmann hatte ihn im Auftrag des noch jungen Staates Zypern entworfen.
Ein Vorzeigeprojekt des noch jungen Staates Zypern
Bei der Einweihung galt er als einer der modernsten der Region. Er überzeugte nicht nur durch modernistische Architektur mit klaren Linien, großzügige, aufgeräumte Räume, in die das Sonnenlicht durch große runde Öffnungen in der Decke einfällt und so für natürliches Licht sorgt. Auch technologisch war der Flughafen fortschrittlich. So gab es unter anderem eine automatische Gepäckförderanlage, was damals noch nicht üblich war. Doch an diesem 20. Juli 1974 wurde das alles obsolet.
Am traurigen Status des Flughafens hat sich in den vergangenen 50 Jahren nichts verändert. Kein ziviles Flugzeug hob seit damals mehr vom Nicosia International Airport ab. Heute liegt er in der Pufferzone, die Nordzypern von Zypern trennt. Sie ist ein Niemandsland. Der 180 Kilometer lange, zwischen wenigen Metern bis einige Kilometer breite Streifen quer durch die Insel wird von der Uno kontrolliert.
Hoffnungen auf Wiedereröffnung platzen
Die inzwischen etwas über 1000 Männer und Frauen umfassende Friedenstruppe hat die Aufgabe, den Status quo zu sichern. Und so darf auch niemand etwas am Gelände und an den Gebäuden des Nicosia International Airport verändern. «Wir müssen alles erhalten, bis eine Lösung gefunden ist», erklärt Aleem Siddique, Sprecher der Friedenstruppe der Vereinten Nationen in Zypern oder UNFICYP.
Nachdem vor 30 Jahren ernsthafte Bemühungen zu einer Wiedereröffnung scheiterten, hat aber inzwischen niemand mehr die Hoffnung, dass der Flughafen je wieder eröffnet werden könnte. «Dafür ist es zu spät», so der Uno-Sprecher. Das liegt nicht nur an der Politik und am Fakt, dass der Flughafen für die heutigen Passagierzahlen viel zu klein geworden ist. Der Zahn der Zeit nagte an der Infrastruktur.
Die riesigen Buchstaben fallen nach und nach vom Dach
In besonders schlechter Verfassung befindet sich das Terminal. Der aktuelle Zustand lässt sich am besten an der großen Beschriftung auf dem Dach ablesen. Die riesigen Buchstaben, die einst Nicosia International Airport über fast die gesamte Front schrieben, und jedem Gast zeigten, wo er gerade angekommen ist, fallen nach und nach ab. Heute steht da nur noch N - INTE - NA - AIR - R.
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Die zentrale Halle des Terminals sieht heute so aus. Bild: aeroTELEGRAPH
Viele Fenster des rund 100 Meter langen und 60 Meter breiten Gebäudes sind zerborsten. Die Abdeckungen der Oberlichter sind an vielen Stellen gesprungen oder ganz verschwunden. Statt Licht lassen sie jetzt Regen herein. Und überall hängen Verkleidungen und Kabel von der Decke.
Im Gebäude nisten jetzt Vögel
«An vielen Stellen besteht Einsturzgefahr», warnt Uno-Sprecher Siddique. Inzwischen haben sich auch überall im Gebäude Vögel eingenistet. Auf den Böden liegt eine zentimeterdicke Schicht aus Staub. Dreck und Vogelkot. Dennoch lässt sich beim Durchschreiten noch immer erahnen, wie angenehm der Flughafen mit seiner transparenten und geräumigen Architektur und seinen klaren, kurzen Wegen einst für Reisende gewesen sein muss.
Auch vor dem Terminal zeigen sich die Folgen des abrupten Betriebsstopps. Der ein paar hundert Meter südöstlich vom Terminal liegende, aus Sandstein gebaute Kontrollturm, von dem aus einst das Geschehen am Nicosia International Airport überwacht wurde, zerfällt ebenso. Im Innern liegen nur noch Trümmer und Dreck.
Pistenmarkierung kaum mehr auszumachen
Die 2700 Meter lange Haupt-Start- und Landebahn 14/32 von NIC, so der ehemalige Iata-Code des Flughafens, ist zwar noch gut sichtbar. Neben ihr wachsen aber Büsche immer höher und Gras pflügt sich vom Rand her langsam in den Asphalt. Und wo sich Risse im Belag aufgetan haben, ragen inzwischen Büschel empor. Die weißen Pistenmarkierungen sind kaum mehr auszumachen.
Ähnlich sieht es bei den Rollwegen aus, die langsam aber sicher überwachsen werden. Auch das Vorfeld, auf dem einst elf Flieger gleichzeitig Platz fanden, spürt die Kraft der Natur, die sich ihren Platz wieder zurück erkämpft. Nordwestlich davon steht noch immer die ehemalige Wartungshalle von Cyprus Airways. Sie ist auf der einen Seite deutlich höher als auf der anderen. So konnte man Platz für die hohen Leitwerke schaffen, welche die Ende der Sechzigerjahre noch neuen Düsenjets von den Propellerfliegern unterschieden.
Eine einsame Hawker Siddeley Trident
Auch sie zerfällt nach und nach, nachdem sie zuvor noch einige Zeit von den Uno-Soldatinnen und -Soldaten als Sporthalle genutzt worden war. Vor ihrem riesigen Tor steht noch eine Hawker Siddeley Trident von Cyprus Airways. Als die Schlacht um den Flughafen tobte, war sie einst auf die Piste gerollt worden, damit die türkischen Truppen dort nicht landen konnten. Das tat ihr allerdings nicht gut.
Damit drei andere gestrandete Flieger der zyprischen Nationalairline später ausgeflogen wurden, musste die Maschine mit dem Kennzeichen 5B-DAB als Ersatzteilspender in Zypern bleiben. Sie steht deswegen bis heute als letzter Zeuge einer anderen Ära am Nicosia International Airport.
In der oben stehenden Bildergalerie sehen Sie viele weitere aktuelle Fotos und Videos des Nicosia International Airports von Simeon Lüthi sowie einige weitere historische Aufnahmen. Ein Klick aufs Foto öffnet die Galerie im Großformat.
Ein Flughafen, verloren in der Weltgeschichte
Blick vom Vorfeld aufs Terminal des Nicosia International Airport.
Blick vom Vorfeld aufs Terminal des Nicosia International Airport.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Die großen Lettern fallen langsam vom Dach.
Die großen Lettern fallen langsam vom Dach.
Durch diese Türen kamen Gäste früher ins Terminal und wieder raus.
Durch diese Türen kamen Gäste früher ins Terminal und wieder raus.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Ein ehemaliger Schalter von Cyprus Airways in der Abfertigungshalle.
Ein ehemaliger Schalter von Cyprus Airways in der Abfertigungshalle.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Ein Blick vom Check-in auf den großen Parkplatz vor dem Terminal.
Ein Blick vom Check-in auf den großen Parkplatz vor dem Terminal.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Die lichtdurchflutete Check-in-Halle 1973, als sie noch in Betrieb war.
Die lichtdurchflutete Check-in-Halle 1973, als sie noch in Betrieb war.
Press and Information Office Republic of Cyprus
Es herrschte ein emsiges Treiben.
Es herrschte ein emsiges Treiben.
Press and Information Office Republic of Cyprus
Die zentrale Halle zwischen Check-in und Passkontrolle. Hier waren Shops und Büros angesiedelt.
Die zentrale Halle zwischen Check-in und Passkontrolle. Hier waren Shops und Büros angesiedelt.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Mitunter sind in der Glasfassade noch Einschusslöcher von den Kämpfen 1974 zu sehen.
Mitunter sind in der Glasfassade noch Einschusslöcher von den Kämpfen 1974 zu sehen.
Noch heute hängen die Werbeplakate von damals an der Wand.
Noch heute hängen die Werbeplakate von damals an der Wand.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Der Uhrenhersteller Seiko warb beispielsweise in Nicosia.
Der Uhrenhersteller Seiko warb beispielsweise in Nicosia.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Die rund zwei Meter tiefen Oberlichter sorgten für viel natürliches Licht im Terminal.
Die rund zwei Meter tiefen Oberlichter sorgten für viel natürliches Licht im Terminal.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Gepäckanhänger liegen im Staub und zeugen von besseren Zeiten.
Gepäckanhänger liegen im Staub und zeugen von besseren Zeiten.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Passagiere wurden angehalten, Trägern kein Trinkgeld zu geben, da ...
Passagiere wurden angehalten, Trägern kein Trinkgeld zu geben, da ...
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
... der Flughafen über ein Gepäckfördersystem verfügte.
... der Flughafen über ein Gepäckfördersystem verfügte.
Ohne Hinweise ging es schon damals nicht.
Ohne Hinweise ging es schon damals nicht.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Die Passportkontrolle.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Der Schalter für Angestellte, Crews und Diplomaten.
Der Schalter für Angestellte, Crews und Diplomaten.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Ein Blick auf die Fassade des Flughafens von außen.
Ein Blick auf die Fassade des Flughafens von außen.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Der Flughafen vor der Invasion (1973).
Der Flughafen vor der Invasion (1973).
Press and Information Office Republic of Cyprus
Der Blick vom Terminaldach aufs Vorfeld, wie es sich heute zeigt.
Der Blick vom Terminaldach aufs Vorfeld, wie es sich heute zeigt.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Die Wartehalle zerfällt immer mehr.
Die Wartehalle zerfällt immer mehr.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Hier warten heute nur noch Tauben.
Hier warten heute nur noch Tauben.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Der Blick vom Warteraum zum Vorfeld.
Der Blick vom Warteraum zum Vorfeld.
Erinnerungen an bessere Zeiten.
Erinnerungen an bessere Zeiten.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
An der Bar konnten sich die Gäste verköstigen.
An der Bar konnten sich die Gäste verköstigen.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Vielerorts herrscht inzwischen Sturz- und Einsturzgefahr.
Vielerorts herrscht inzwischen Sturz- und Einsturzgefahr.
Das C-Büro des ehemaligen Flughafens.
Das C-Büro des ehemaligen Flughafens.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Vom Flughafen aus kann man eine türkisch-zypriotische Flagge an einem Hügel sehen - als Sinnbild für die tragische Rolle, die er spielt.
Vom Flughafen aus kann man eine türkisch-zypriotische Flagge an einem Hügel sehen - als Sinnbild für die tragische Rolle, die er spielt.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Neben dem Terminal steht eine Hawker Siddeley Trident, ...
Neben dem Terminal steht eine Hawker Siddeley Trident, ...
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
... die Cyprus Airways gehörte. Sie ...
... die Cyprus Airways gehörte. Sie ...
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
... konnte Nicosia nicht mehr verlassen.
... konnte Nicosia nicht mehr verlassen.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Ihre Teile wurden genutzt ...
Ihre Teile wurden genutzt ...
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
... um andere Jets wieder flugtauglich zu machen ...
... um andere Jets wieder flugtauglich zu machen ...
... und aus Nicosia auszufliegen.
... und aus Nicosia auszufliegen.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Die Witterung…
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
…setzt dem Flieger zu.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Das Leitwerk der 5B-DAB.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Die damals vierjährige Trident war - wie der Flughafen - technisch fortgeschritten. Sie führte die weltweit erste ILS-Landung durch…
Die damals vierjährige Trident war - wie der Flughafen - technisch fortgeschritten. Sie führte die weltweit erste ILS-Landung durch…
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
…doch um die dafür benötigten Bordcomputer unterzubringen musste das vordere Fahrwerk seitlich versetzt werden.
…doch um die dafür benötigten Bordcomputer unterzubringen musste das vordere Fahrwerk seitlich versetzt werden.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Flugbegleiterinnen der Heimatairline Cyprus Airways 1973.
Flugbegleiterinnen der Heimatairline Cyprus Airways 1973.
Costas Farmakas - FotoCine Studios - Cyprus
Die Pistenmarkierungen sind ...
Die Pistenmarkierungen sind ...
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
... kaum mehr auszumachen.
... kaum mehr auszumachen.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
Die Wartungshalle von Cyprus Airways.
Die Wartungshalle von Cyprus Airways.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH
... später wurde sie als Sporthalle genutzt.
... später wurde sie als Sporthalle genutzt.
Der Kontrollturm.
Simeon Lüthi / aeroTELEGRAPH