Amazon und Zalando eifern ihren asiatischen Konkurrenten Temu und Shein nach. Doch der deutsche Zoll ist nicht auf solche Mengen von kleinen Paketen vorbereitet, sagt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL. Er fordert Änderungen - und das schnell.
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft bangt um Deutschlands Platz unter den stärksten europäischen Cargostandorten. «Während die Luftfracht im Jahr 2024 weltweit eine Zunahme des Frachtvolumens um 11,3 Prozent und in Europa um 11,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erreichte, ist Deutschland davon bereits abgekoppelt», schreibt der Verband. «An den Flughäfen wurden nur rund 1,8 Prozent mehr Waren ein- und ausgeladen.» Für 2025 werde 1,2 Prozent Wachstum erwartet, für 2026 nur 1,1 Prozent.
«Neben der schwächelnden deutschen Wirtschaft ist dies vor allem darauf zurückzuführen, dass sich Frachtfluggesellschaften aufgrund der nachteiligen Standortbedingungen in Deutschland zunehmend für Standorte im Ausland entscheiden», schreibt der BDL.
Der Verband legt fünf Forderungen vor. Ein Punkt ist die Senkung der Standortkosten, für die sich der BDL auch beim Passagierverkehr starkmacht, etwa durch Entlastungen bei den Flugsicherungsgebühren. Die anderen Forderungen sind Cargo-spezifischer.
So fordert der BDL eine Vereinfachung, Digitalisierung und Automatisierung der Zollprozesse. «Alle sagen, sie bewundern, wie Temu und Shein ihre Prozesse unter Kontrolle haben und wie sie das datenmäßig beherrschen», sagte BDL-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang per einer Pressekonferenz am Montag (26. Mai) mit Blick auf die asiatischen Versandriesen. «Die andere Seite beherrscht es aber nicht», so Lang. «Der Zoll ist auf diese neue Situation noch nicht vorbereitet. Es gibt Nachbarländer, die das durch das Beschaffen von Software schneller hinbekommen.» Der BDL-Chef warnt davor, das zu unterschätzen.
«Uns sagen alle im Markt - auch Zalando und Amazon -, dass sie das richtig interessant finden, wie Temu und Shein das machen, und dass sie versuchen, auch auf solche Methoden umzustellen.» Daher werde es wahrscheinlich «immer mehr viele kleine Päckchen geben».
Das bedeute, dass «wir unsere Infrastruktur, auch die IT-technische Infrastruktur des Zolls darauf einrichten müssen» für dieses kleinteilige Massengeschäft, so Lang. «Die Zolldienststellen müssen befähigt werden, mit diesen Massen klarzukommen - oder die Massen werden einen anderen Weg finden» - durch die Abfertigung in anderen EU-Ländern.
Der BDL-Chef betont, es gebe Zolldirektionen, die auf der Höhe der Zeit seien, andere seien aber noch nicht so weit. Das Ziel müsse es daher sein, ein einheitliches Niveau zu erreichen.
«Wir richten den Appell an die Bundesregierung, die Ausstattung des Zolls zu verbessern», sagte Pierre Dominique Prümm, Leiter der BDL-Projektgruppe und Vorstand Aviation und Infrastruktur von Fraport. «Diese gilt besonders für die IT-Systeme. Das verwendete Atlas-System ist in die Jahre gekommen und sollte modernisiert werden.» Die von der vorherigen Bundesregierung angestoßene Strategie Zoll 2030 müsse umgesetzt werden.
Eine weitere Forderung ist die einheitliche Umsetzung der EU-Standards für Luftsicherheit. «Durch alternative, praxisnahe Anwendung wird in Nachbarländern dasselbe hohe Sicherheitsniveau bei geringerem Aufwand erreicht», schreibt der BDL.
So sei in Deutschland für die Zuverlässigkeitsüberprüfung von Mitarbeitenden in jedem Bundesland ein eigener Antrag nötig. «Ein Mitarbeiter eines Luftfrachtunternehmens, der zuverlässigkeitsüberprüft in Hessen ist, kann nicht in Nordrhein-Westfalen eingesetzt werden und umgekehrt», so Prüm. «Das erschwert den flexiblen Einsatz von Personal. Es fehlt eine zentrale Datenbank.» Auch sei das Antragsverfahren noch nicht überall komplett digitalisiert.
Ein anderes Beispiel: «Seit der Einstellung des sogenannten Sonderkontrollverfahrens durch das Luftfahrt-Bundesamtes im Jahr 2019 können bestimmte Güterarten in Deutschland de facto nicht mehr mit den zugelassenen Methoden kontrolliert werden», so Prüm. Es gehe um bestimmte sensible Waren, deren Transportverpackungen nicht geöffnet werden dürften.
«Die werden in Deutschland mit herkömmlichen Methoden durchleuchtet», erklärt Prümm. Führe das zu keinem Ergebnis, habe der Abfertiger kaum eine Möglichkeit, um die Fracht vor Ort ins Flugzeug zu bekommen. «Nachbarländer sind da wesentlich innovativer», sagt der Fraport-Manager. Instrumente namens Explosive Vapor Detector würden die Luft um die Güter absaugen und anhand dessen Sprengstoffspuren suchen. «Solch ein Verfahren wünschen wir uns auch in Deutschland», so Prüm. «Und wir würden uns wünschen, dass das Luftfahrt-Bundesamt hier sehr viel pragmatischer mit diesen Dingen umgeht.» Derzeit würden Spediteure die Fracht für solche Verfahren teilweise zu anderen Airports in ein Nachbarland bringen und dann per Lkw zum Export mit dem Flugzeug zu deutschen Flughäfen.
Die beiden weiteren Forderungen: Zum einen soll es keine weiteren Nachtflugverbote und andere Einschränkungen der Betriebszeiten geben. Vielmehr sei «der Status Quo abzusichern», um für Rechts- und Planungssicherheit zu sorgen. Weiterhin fordert der BDL ein Ende des zweistufigen Erhebungs- und Erstattungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer. «Die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag die Umstellung auf das bürokratiearme Verrechnungsmodell vereinbart», so der BDL. Die Umsetzung müsse schnell beginnen.