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Zwangsarbeiter in NS-Zeit

Flughafen Frankfurt erinnert an dunkles Kapitel

Am Flughafen Frankfurt schufteten vor 72 Jahren 1700 junge jüdi­sche Ungarinnen der KZ Außenstelle Walldorf unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie bauten unter anderem eine Rollbahn.

Es war alles generalstabsmäßig geplant. Wenige Wochen nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht im März 1944 wurden auch in Ungarn Juden ausgegrenzt, in Ghettos gepfercht und dann ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Die Nazis sorgten dafür, dass die Endlösung auch im osteuropäischen Land durchgesetzt wird. Und sie wollten sich gleichzeitig Nachschub für ihre Kriegswirtschaft besorgen.

Auch 1700 Jüdinnen kamen damals nach Auschwitz. Bei einem Appell am 19. und 20. August 1944 wur­den die ungarischen Frauen im Alter von 14 bis 45 Jah­ren dort jedoch für einen Sondereinsatz ausgewählt – am Frankfurter Flughafen. Sie wurden darum in einer mühsamen, dreitägigen Fahrt zur KZ Außenstelle im hessischen Walldorf transportiert. «Am 19. August fielen meine Mutter und ich in die ausgesonderte Gruppe, die 1700 Per­so­nen zählte und anschlie­ßend einwaggoniert wurde. Am 22. August 1944 kam unser Zug in Frankfurt/Main an. Wir wurden — völlig erschöpft — an einem sehr heißen Tag gejagt, hatten alle Durst und kein Waßer. Erinnerlich ist mir, dass wir zu Fuß ins Lager gingen; der Weg erschien mir sehr lang», erzählte später eine junge Überlebende, wie die Margit-Horváth-Stiftung notiert.

«Ein Bild des Elends»

In der KZ Außenstelle Walldorf hausten die 1700 Mädchen und Frauen in sechs Holzbaracken von rund 45 Metern Länge, in denen je 30 bis 40 Frauen untergebracht waren. Schlafen mussten sie in dreistöckigen Holzpritschen. In den Kellerräumen der ehemaligen Küchenbaracke wurden sie brutal geprügelt. Und tagsüber leisteten sie schwerste Zwangsarbeit. Unter anderem bauten sie am Flughafen Frankfurt, der damals als Fliegerhorst Rhein-Main unter dem Kommando der Wehrmacht stand, die erste beto­nierte Roll­bahn. Sie wurde für den Ein­satz des neuen Kampfbombers Messerschmitt Me 262 benö­tigt.

Die Zustände waren katastrophal. «Die Frauen hatten in der unfreundlichen Jahreszeit dünne Sommerkleider an, die Haare ganz kurz, Zementsäcke umgehängt und die Beine mit Wellpappe umwickelt, mit einer Kordel festgezogen – ein Bild des Elends. Ich habe gesehen, dass sie Erdarbeiten an der Rollbahn verrichtet haben. Ich war entsetzt», erinnert sich der ehemalige Luftwaffenhelfer Karl W. in einem Heft zum historischen Lehrpfad bei der ehemaligen KZ Außenstelle Walldorf.

Lange Zeit verschwiegen

Jahrelang war das Schicksal der 1700 Jüdinnen aus Ungarn kein Thema mehr, weil das Lager nach dem Krieg gesprengt worden und die Gegend aufgeforstet worden war. Erst in den Siebzigerjahren brachten junge Menschen aus Walldorf die traurige Geschichte wieder ans Licht. Inzwischen wird sie systematisch aufgearbeitet. Kommenden Sonntag (25. September) wird am ehemaligen Standort des Lagers im Beisein von Vertretern der Kommune, Bund und des Flughafens Frankfurt ein neues Gebäude eröffnet – über der ehemaligen Küchenbaracke. Diese ist darunter ersichtlich. Es soll helfen, an die Geschichte der Frauen zu erinnern.