Im kommenden Jahr will die deutsche Fluggesellschaft zu ihrem 100. Geburtstag mit einem neuen Service an Bord glänzen. Doch statt Aufbruchstimmung herrscht dicke Luft: Das Kabinenpersonal von Lufthansa wirft dem Management Beratungsresistenz vor, spricht von Qualitätsabbau und Sicherheitsrisiken und bricht die Gespräche ab.
Seit Einführung der neuen Allegris-Langstreckenkabine gibt es bei Lufthansa Diskussionen um die Arbeitsorganisation in der First Class. Bislang kümmerten sich zwei speziell geschulte Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter ausschließlich um maximal vier Gäste. Künftig soll je nach Auslastung einer von ihnen in der Economy Class aushelfen. Hintergrund ist, dass auf den Airbus A350 die Zahl der Crewmitglieder von zwölf auf elf sinkt.
Damit wird eine Übergangsregelung beendet, mit der Lufthansa die Teams während der Einführungsphase verstärkt hatte. Die Personalvertretung des Kabinenpersonals sprach schon im Vorfeld von einem «qualitativen Problem» und warnte: «Es geht nicht nur um Arbeitsplätze, sondern um die Zukunft eines Produkts, das den Anspruch hat, zur Weltspitze zu gehören.»
Nun spitzt sich der Streit zu. «Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es so nicht weitergeht», schreibt die Personalvertretung an die Lufthansa-Crews. «Die Geschäftsleitung ist mittlerweile beratungsresistent», heißt es in dem Schreiben, das aeroTELEGRAPH vorliegt. Trotz konstruktiver Vorschläge sehe man hier eine festgefahrene Situation und breche die Gespräche und Verhandlungen zum neuen Servicekonzept Fox ab.
Mit dem Projekt Fox- die Abkürzung steht für Future Onboard Experience - will Lufthansa den Service an Bord eigentlich deutlich aufwerten - pünktlich zum 100-Jahr-Jubiläum im kommenden Jahr. Dazu gehören drei statt zwei Menüoptionen in Economy und Premium Economy, flexiblere Mahlzeiten in der Business Class, neue Textilien und Geschirr. Doch für die Kabinenvertretung passt das nicht mit der Planung mit nur elf Flugbegleitenden zusammen.
Es würden je nach Auslastung in der First Class - also wenn beide Flugbegleitenden dort gebraucht werden - nur noch vier Crewmitglieder in der Economy Class eingesetzt, schreibt die Personalvertretung Kabine in der Veröffentlichung für das Personal. «Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass ab dem kommenden Jahr auch in der Economy Class der Service erheblich aufgewertet werden soll».
Man befürchte, dass vor allem Reisende in der Premium Economy von den Verbesserungen nichts merken, wenn «sie stundenlang vor ihrem leergegessenen Tablett hocken». Die Aufwertung sei «Premium auf einem neuen Niveau – und damit ist nicht ‹höher› gemeint».
Nach wochenlangen Verhandlungen zieht die Personalvertretung von Lufthansa nun die Konsequenzen. Sie habe nicht nur die Gespräche mit der Geschäftsleitung abgebrochen, sondern werde die geplanten Validierungsflüge für den neuen Service im Oktober nicht begleiten, «da wir bei kritischen Themen offensichtlich kein Gehör finden», heißt es.
Stattdessen ruft die Personalvertretung Kabine die Belegschaft auf, Rückmeldungen aus dem Alltag zu geben: In welchen Konstellationen sei der Service noch umsetzbar, wo entstünden Probleme? Diese Informationen sollen in eine Gefährdungsbeurteilung einfließen.
Denn: Die Interessenvertretung warnt nicht nur vor Überlastung, sondern auch vor Konsequenzen für das Sicherheitskonzept. «Spürbare Sicherheit - so hieß einmal eines unser Serviceversprechen», heißt es. Statt diese zu gewährleisten, sorge man «en passant dafür, dass unser gesamtes Sicherheitskonzept ins Rutschen gerät, da konstant alle Limits ausgefahren werden.»
Lufthansa erklärt gegenüber aeroTELEGRAPH, die Crewgröße werde in einem umfangreichen Prozess und unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren bemessen. «In diesen Prozess ist das Kabinenpersonal stark involviert und liefert uns wertvolles Feedback, so auch bei der Entwicklung von Fox.» Nach den im April und Mai durchgeführten ersten Flügen sei man unter Berücksichtigung dieses Crew-Feedbacks zum Schluss gekommen, dass «die Planung umsetzbar ist».
Dass die Personalvertretung die Validierungsflüge verweigert, kommentiert Lufthansa nicht, sondern sagt: «Auch bei den Validierungsflügen die im Oktober 2025 durchgeführt werden, wird es Kabinencrew an Bord geben, deren Rückmeldungen wir in die abschließende Bewertung einbeziehen. Gegebenenfalls können einzelne Abläufe im Detail noch angepasst werden.» Die grundsätzlichen Rahmenbedingungen stünden allerdings fest und der neue Service werde wie geplant im Frühjahr 2026 eingeführt.
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