Seit dem 1. Januar gilt in der Europäischen Union die Pflicht, einen kleinen Anteil nachhaltiges Kerosin zu tanken. Die Regelung kommt in der Branche schlecht an - und führt zu Umgehungsmaßnahmen.
EU-Verordnungen tragen oft wohlklingende Namen – ein besonders schönes Beispiel ist die Refuel-EU-Aviation-Verordnung. Sie ist Bestandteil des Fit for 55-Pakets und soll dazu beitragen, das ehrgeizige Ziel der Europäischen Union zu erreichen: eine Reduktion der klimaschädigenden Emissionen um 55 Prozent bis 2030. Sie gilt seit 1. Januar 2025.
Die Verordnung sieht unter anderem vor, dass Flugzeugbetreiber, die mehr als 500 Flüge im Jahr durchführen, pro Flug mindestens zwei Prozent nachhaltigen Kraftstoff (sogenanntes Sustainable Aviation Fuel oder kurz SAF) in ihrem Tank haben müssen, allerdings nur, wenn der Flughafen den auch anbieten muss. 2025 umfasst die Liste der Airports, die SAF anbieten müssen, knapp 160 Flughäfen. 19 davon liegen in Deutschland (darunter die großen wie Frankfurt und München, aber auch kleinere wie Karlsruhe/Baden-Baden oder Paderborn/Lippstadt) und vier in Österreich (Graz, Innsbruck, Salzburg und Wien).
Kritik kommt von einem großen Anbieter der Branche: Daniel Coetzer, Chef von Titan Aviation Fuels – einem globalen Spezialisten für Flugtreibstoffe und -dienstleistungen – sagt im Gespräch mit aeroTELEGRAPH: «Die Einführung der Verordnung war alles andere als gelungen» Ohne ausreichende Vorwarnung oder Vorbereitung seien Betreiber mit weitreichenden neuen Vorgaben konfrontiert worden.
Neben der verpflichtenden Beimischung von zwei Prozent nachhaltigem Kraftstoff schreibt die Verordnung vor, dass Betreiber 70 Prozent ihres Treibstoffs am Flughafen vor Ort tanken müssen. Die bisher übliche Praxis – einmal volltanken und mehrere Ziele nacheinander anzusteuern – ist damit nicht mehr möglich. Bezeichnet wird die Praxis als Tankering.
Zentrales Problem für den Titan-Aviation-Fuels-Chef ist allerdings der Fakt, dass einfach nicht genug Treibstoff verfügbar ist. «Leider haben nicht alle Flughäfen SAF – trotzdem erheben sie die Abgabe. Rechtlich müssen sie sie erheben und an die EU abführen, die das Geld dann für die SAF-Entwicklung verwendet», so Coetzer.
Das führt zu mehreren absurden Situationen. Einerseits müssen Betreiber die SAF-Abgabe entrichten, obwohl nachweislich kein nachhaltiges Kerosin getankt wurde. «Die Realität ist: Selbst kleine Kunden, die eigentlich befreit wären, zahlen die Abgabe – weil sie im Treibstoffpreis enthalten ist», erklärt Coetzer. «Logistisch ist es unmöglich, separate Tanks für SAF und konventionellen Treibstoff vorzuhalten. Das wäre völlig unpraktikabel.»
Titan Aviation Fuels weist den verpflichtenden SAF-Anteil separat auf der Rechnung aus, damit ihre Kunde es schriftlich haben. Zwar gibt es keine Rückerstattung, «doch unsere Kunden nutzen das für ihre Kommunikation», sagt Coetzer. «Sie können sagen: Eigentlich müsste ich das nicht zahlen, aber ich tue es – das zeigt, dass ich mich für Nachhaltigkeit engagiere».
Er fordert die EU auf, ein Rückerstattungssystem analog zur Mehrwertsteuer einzuführen: Wenn Anbieter die Abgabe zahlen müssen, obwohl sie nicht dazu verpflichtet sind, sollte es die Möglichkeit geben sich das Geld wieder zurückzuholen, so seine Forderung.
Betroffen ist laut Coetzer vorrangig die Business Aviation. Zwar sollte die Neuregelung primär die großen Fluggesellschaften treffen, aber bei denen lassen sich Mehrkosten einfacher ausgleichen, weil sie sie auf mehr Passagiere verteilen können. Die Business Aviation werde unnötig unter Druck gesetzt.
Ein Nebeneffekt der Regelung: Kleinere Flughäfen, die früher kaum angeflogen wurden, haben jetzt mehr Verkehr. Da dort keine SAF-Pflicht gilt, können Flugzeuge einfach ein- und ausfliegen, ohne Treibstoff tanken zu müssen. Ein Beispiel ist der Flughafen Cannes. Viele, die früher Nizza ansteuerten, weichen nun auf den Nachbarflughafen aus – allein, um die SAF-Abgabe zu vermeiden.