Oliver Buchhofer spürt die Folgen am eigenen Leib. Statt in seinem Büro am Hauptsitz von Swiss in Kloten wird er im Sommer deutlich öfter als üblicherweise als Kapitän im Cockpit eines Airbus A330 sitzen. Er ist zwar Pilot, doch seine Hauptfunktion bei der Lufthansa-Tochter ist die des Chief Operating Officer, er ist also dafür verantwortlich, dass der Betrieb reibungslos läuft.
1,5 Prozent der geplanten Flüge kann Swiss nicht durchführen
Die gesamten Streichungen von April bis Oktober machen 1,5 Prozent aller Flüge aus. «Das machen wir sehr ungern», so der Manager. Aber es sei unumgänglich. Immerhin nehme man die Flugstreichungen früh genug vor, damit sich die Kundinnen und Kunden früh darauf einstellen könnten.
Oliver Buchhofer: Operativchef von Swiss und Airbus-A330-Kapitän. Swiss
Man plane im Herbst jeweils die kommende Sommersaison. Dabei müsse man Annahmen bezüglich Personalbestand und Flotte treffen. Und dieses Mal kam nicht ganz alles so, wie es kalkuliert war. «Wir haben zu wenige Pilotinnen und Piloten», fasst Buchhofer die Folgen zusammen. Es gehe dabei um Kapitäne und Kopiloten für Airbus A320 und A321 sowie A330 und A340.
Mehr Flugzeuge zur Verfügung als geplant
Dass es so weit kam, dazu führten einige unvorhergesehene Ereignisse. So gibt es beim Cockpitpersonal von Swiss derzeit mehr als drei Mal so viele Langzeitabwesenheiten wie im langjährigen Durchschnitt, etwa durch Unfälle oder Schwangerschaften.
Zudem gibt es nach wie vor Unwägbarkeiten bei der Flotte. «Auf der Kurzstrecke ist es so, dass wir bei den Airbus A320 genügend Flugzeuge haben, aber zu wenige Pilotinnen und Piloten. Bei den A220 haben wir genügend Cockpitpersonal, aber es fehlen Flugzeuge, auch aufgrund der Triebwerkproblematik», erklärt Buchhofer.
Swiss prüft Änderungen bei der Planung
Das ist nicht alles. Zusätzlich belastet, dass Swiss die ersten Pilotinnen und Piloten auf das neue Langstreckenmodell Airbus A350 umschult - auch das bindet Personal. Ein weiterer Grund ist ein neuer Gesamtarbeitsvertrag, wie man einen Tarifvertrag in der Schweiz nennt. Er beinhaltet unter anderem Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit. Das führt dazu, dass der Bedarf an Cockpitpersonal gleich um 70 Vollzeitstellen angestiegen ist.
Selbstkritisch merkt Buchhofer an, dass man jetzt auch analysieren müsse, ob man in der Planung künftig Änderungen vornehmen müsse. «Das schauen wir uns derzeit an.»
Bei Wet-Lease «schon alles ausgereizt»
Die Streichung der Flüge war nur der letzte Ausweg. «Wir haben uns beispielsweise auch mit Lufthansa ausgetauscht und gefragt, ob sie uns mit Cockpitpersonal aushelfen oder Flüge übernehmen könne. Aber auch sie braucht im Sommer sowohl alle Pilotinnen und Piloten als auch all ihre Flugzeuge selbst», erklärt Buchhofer. Auch die Möglichkeit, mehr Wet-Lease-Partner einzusetzen, habe man sich angeschaut. «Doch da haben wir schon alles ausgereizt.»
Eine Maßnahme schafft immerhin etwas Abhilfe. Einige ältere Pilotinnen und Piloten fliegen etwas länger und verschieben ihre Pension freiwillig auf später. «Das hilft uns auf der Langstrecke» so Buchhofer. Zudem habe man Urlaubsansprüche bei freiwilliger Bereitschaft teilweise ausbezahlt und Mitarbeitende in Teilzeit gebeten, vorübergehend mehr zu arbeiten. Doch das reiche nicht aus.
Swiss denkt darüber nach, mehr Cockpitpersonal auszubilden
Eine schnelle Abhilfe gibt es aber nicht. «Wir rekrutieren jedes Jahr rund 80 neue Pilotinnen und Piloten auf», sagt Buchhofer. Zugleich gingen aber 40 bis 50 andere in Rente oder verringern ihr Arbeitspensum. «Es verbleiben netto rund 30 bis 40 zusätzliche Pilotinnen und Piloten pro Jahr.»
Und mehr junge Menschen auszubilden, das könne man nicht von heute auf morgen. Die aktuell maximale Ausbildungskapazität wird bereits genutzt. Immerhin denkt Swiss jetzt darüber nach, mittelfristig die Kapazität bei der Ausbildung fürs Cockpit zu erhöhen. Buchhofer: «Wir möchten gerne bis zu 110 Pilotinnen und Piloten jährlich übernehmen»