Für viele Fälle etwas dabei: Das Medical Kit der Lufthansa.
Notfälle über den Wolken

Wenn auf 12.000 Metern der Blinddarm durchbricht

Die Frage, ob sich medizinisches Fachpersonal an Bord befindet, haben viele schon einmal über die Lautsprecher gehört. Doch was passiert genau, wenn ein Notfall auftritt?

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Seit etwas mehr als acht Stunden ist der Airbus A330 in der Luft und hat über der französischen Bretagne gerade die Erlaubnis erhalten auf 41,000 Fuß Reiseflughöhe zu steigen. Die Passagiere sind nach dem Nachtflug gerade dabei, das Frühstück zu beenden. Die entspannte Atmosphäre schwindet plötzlich, als über die Lautsprecher die Frage «Ist ein Arzt an Bord» durch das Flugzeug schallt.

Im Schnitt kommt es alle paar Hundert Flüge zu einem medizinischen Zwischenfall. Die steigende Anzahl der Fluggäste generell, die älter werdende Bevölkerung und immer mehr Fluggäste mit chronischen und akuten Leiden werden die Zahl der medizinischen Notfällen an Bord in Zukunft steigen lassen, ist sich der Arzt und Flugmediziner Axel F. Sigurdsson sicher.

Schwieriges Umfeld für Mediziner

Verschiedene Studien gehen davon aus das sich ungefähr in 45 bis 75 Prozent der Fälle medizinische Fachpersonen an Bord befinden. Je nach Airline und Region variiert die Zahl allerdings. Doch die Arbeitsbedingungen für das medizinische Personal an Bord sind in einem Notfall sehr anspruchsvoll. Die Platzverhältnisse sind stark beschränkt. Zudem kommen weitere Störfaktoren dazu, wie ein relativ hoher Lärmpegel sowie die konstanten Bewegungen des Flugzeuges.

Die medizinische Ausrüstung an Bord entspricht logischerweise auch nicht dem Standard eines Krankenhauses. Jedes Crewmitglied hat immer eine Basisausrüstung dabei, das Erste-Hilfe-Set. Darin befinden sich Pflaster, Verbände und Schmerzmittel. Die meisten kommerziell tätigen Flugzeuge sind zudem mit einem automatischen Defibrillator (AED) ausgestattet. Dazu kommt vielfach noch ein Koffer mit Notfallmedizin (Emergency Medical Kit oder EMK), der im Flugzeug verstaut ist. Dieser enthält weitere medizinische Ausrüstung, Intubationszubehör und starke Schmerzmittel. Der Inhalt unterscheidet sich auch von Airline zu Airline. Allerdings darf dieser nur von einem Arzt oder einer Ärztin an Bord genutzt werden.

Besteht eine Pflicht, zu helfen?

Neben einer grundsätzlichen moralischen Verpflichtung  zu helfen sieht das auf der rechtlichen Seite unterschiedlich aus. Massgebend ist, in welchem Land das Flugzeug registriert ist. Ist das Flugzeug beispielsweise in Deutschland oder Frankreich registriert, dann sind Ärzt:innen verpflichtet zu helfen. Für andere Länder, wie England oder die USA gilt das nicht. Immerhin sind die Ärzte vor rechtlichen Konsequenzen der Behandlung geschützt, sofern sie nicht grob fahrlässig handeln. Dies wird entweder durch die Haftpflichtversicherung der Airlines oder auch den «Medical Assistance Act» sichergestellt. Im Lufthansa-Konzern deckt die Versicherung zudem auch grobfahrlässiges Handeln und entsprechende Regressforderungen ab, sofern der Arzt den Patienten nicht vorsätzlich falsch behandelt.

Einen anderen Ansatz hat die Lufthansa entwickelt. Die Airline hat das «Arzt-an-Bord» Programm eingeführt, bei dem mittlerweile auch Austrian Airlines und Swiss mitmachen. Fachpersonal kann sich über das Miles&More-Kundenkonto registrieren. Die Flugzeugbesatzung verfügt damit bereits vor dem Abflug über die Information ob ein Arzt oder eine Ärztin an Bord ist und auf welchem Sitzplatz er oder sie gebucht ist. Weil das Personal damit direkt kontaktiert wird, kann ein allfälliger medizinischer Notfall diskreter betreut werden.

Weiterfliegen oder Notlandung

Für den Fall das keine ärztliche Fachperson an Bord ist, kann die Crew ein Notfallzentrum am Boden kontaktieren. Mittels Satellitentelefon, Funkverbindung oder auch dem Kommunikationssystem ACARS (Aircraft communications addressing and reporting system) hat man so von jedem Punkt in der Luft die Möglichkeit mit Experten zu sprechen. Das kann entweder der medizinische Notfalldienst der Airline selber sein oder aber auch externe Anbieter wie InternationalSOS oder in der Schweiz auch die Rega.

Am Ende obliegt die Verantwortung für das weitere Vorgehen beim Kapitän oder der Kapitänin. Fällt die Entscheidung zu Gunsten einer Notlandung, dann löst das eine Kette von Abhängigkeiten aus. Zusammen mit dem Operation Center am Boden muss ein geeigneter Flughafen gefunden werden. Und Fragen gilt es zu klären. Verfügt die Region über die notwendige medizinische und logistische Kapazitäten? Liegt das maximale Landegewicht in der Toleranz? Ist die Landepiste lang genug für den Flugzeugtyp? Eine Notlandung bringt in der Regel auch den eng getakteten Flugplan durcheinander. Die Flugplanung der Airline muss Passagiere umbuchen die ihren Anschlussflug verpassen, Crews austauschen wenn die Arbeitszeit überschritten ist oder auch Unterkünfte finden sollte der Flug nicht mehr weiterfliegen können.

Sichere Landung am Zielort

Im hoch über Frankreich fliegenden Airbus meldet sich sofort eine mitfliegende Ärztin. Nach einer ersten Untersuchung besteht der Verdacht auf eine Blinddarmentzündung. Die verbleibende Flugdauer zum Zielflughafen liegt bei etwas über einer Stunde und es handelt sich glücklicherweise um keinen akut lebensbedrohlichen Notfall. Nach Rücksprache mit der Ärztin entscheidet sich der Captain deswegen gegen eine Notlandung in Paris. Direkt nach der Landung wird die Patientin noch im Flugzeug der Sanität übergeben und in das nächste Spital gefahren.

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