Letzte Aktualisierung: um 14:44 Uhr

Vor- und Nachteile

Warum (fast) nur noch Businessjets ihre Triebwerke hinten haben

Triebwerke am Heck und T-Leitwerk: Neue Passagierflugzeuge sehen heute kaum noch so aus. Warum ist das so?

Die Comac ARJ21 ist in zweierlei Hinsicht besonders. Der Regionaljet ist das erste von China in Eigenregie entwickelte Verkehrsflugzeug.Und er besitzt ein T-Leitwerk und trägt seine Triebwerke am Heck. Ungewöhnlich oder gar exotisch sind solche Flieger nicht, aber als Passagier ist man nur noch selten in Fliegern dieser Bauart unterwegs.

Jeder Luftfahrtenthusiast kann auf Anhieb mehrere Typen mit dieser Triebwerksanordnung aufzählen. Das Besondere am ARJ 21 ist jedoch, dass ein neues kommerzielles Passagierflugzeugs gebaut wird. Unter modernen Verkehrsflugzeugen sind T-Leitwerke und Hecktriebwerke ansonsten längst verschwunden.

Lernen durch alte Konstruktion

Dass sich Chinas staatlicher Flugzeugbauer Comac bei der ARJ21 für das Design entschieden hat, liegt an der Inspiration, die in den USA ihre Wurzeln hat. Das Flugzeug ist in seiner Konstruktion eine gekürzte Abwandlung der McDonnell Douglas MD-90.

Komponenten des amerikanischen Kurz- und Mittelstreckenfliegers wurden in der Volksrepublik einst in Lizenz gefertigt. Während Imitate in westlichen Sphären verpönt sind, gilt im technologisch rasant aufholenden China das Nachmachen als effiziente Lernmethode.

Ungestörte Flügel

Chinas ziviler Flugzeugbau durchläuft in Kurzzeit eine Entwicklung, die sich im westlichen Flugzeugbau über mehrere Jahrzehnte zog. Zu Beginn des Jetszeitalters waren Hecktriebwerke unter amerikanischen, europäischen sowie sowjetischen Mustern weit verbreitet. Entsprechende Modelle aus den 1950er- 1960er-Jahren wie die Sud Aviation Caravelle, Boeing 727, BAC 1-11, Douglas DC-9 oder Tupolev Tu-134 genießen heute den Status als Legende.

Ein Vorteil von Triebwerken am Heck ist, dass sie die Aerodynamik der Tragflächen nicht stören. Für Luftfahrtingenieure bedeute der Wechsel von Propeller- auf Jetantriebe eine große Zunahme der Geschwindigkeit, mit der die Tragflächen umströmt werden. Die schon zuvor komplizierte Aerodynamik wurde schlagartig noch kniffliger.

Aerodynamische Regel steht im Weg

Nicht nur gestatteten Triebwerke am Heck, dass Tragflächen einfacher gehalten werden konnten. Auch preschten Düsenflugzeuge in den sogenannten transonischen Geschwindigkeitsbereich vor. Ab etwa 80 Prozent der Schallgeschwindigkeit nimmt dabei die Bedeutung der sogenannten Flächenregel zu.

Diese aerodynamische Rechenmethode beschreibt einen optimalen Verlauf des Rumpfquerschnitts von Bug bis Heck. Wo die Tragflächen am Rumpf ansetzen, muss laut der Flächenregel der Rumpf etwas schmaler werden. Schlimmstenfalls könnte sonst eine Luftwelle entstehen, die das Flugzeug abbremst.

707 ebnete Weg

Einige frühere Überschallkampfflugzeuge wie etwa die Northrop F-5 haben aus diesem Grund einen Rumpf, der wie eine Wespentaille geformt ist. Genau wie die Tragflächen haben auch Triebwerke einen erheblichen Einfluss auf die Flächenregel. Sitzen sie an den Tragflächen, sorgen sie zusammen mit den Flügel und dessen Flügelkasten am Rumpf für einen recht hohen Querschnitt.

Ingenieure konnten dieses Problem in den Griff bekommen. Dies bewies etwa die Boeing 707, die mit dieser Auslegung ab den 1950er-Jahren den Langstreckenverkehr revolutionierte. Doch in Zeiten, wo noch keine Standard-Rechenprogramme den Konstrukteuren halfen, war die Entwicklung eines Fliegers mit Hecktriebwerken schlicht weniger kompliziert.

Gefährlicher Windschatten

In Sachen Aerodynamik haben Flugzeuge mit Hecktriebwerken aber einen Nachteil. Und dieser kann durchaus kritisch werden. Oftmals haben Flieger mit Heckmotoren ein T-Leitwerk: Die Höhenleitwerke sind nicht am Rumpf, sondern auf dem Leitwerk angebracht – oft weit oben.

Flugzeuge mit solchen Leitwerken können in einen sogenannten Deepstall geraten. Dieser entsteht, wenn die von vorne kommende Luft das Flugzeug sehr schräg umströmt. Die Flügel können dann einen Windschatten erzeugen, in welchen die Höhenruder geraten.

Hersteller mussten Anpassungen vornehmen

In diesem Zustand verlieren die Höhenruder ihre Steuerwirkung. Piloten können dabei den Neigungswinkel der Nase kaum kontrollieren. Und genau dieser muss geändert werden, um aus dem Deep Stall herausgekommen. Ein lebensgefährlicher Teufelskreis.

Vorbeugende Warnhinweise von Cockpitsystemen, und später der Einsatz von Flugsteuerungssoftware wirkten dem Problem entgegen. Ebenso passten viele Hersteller die Aerodynamik ihrer Flieger an. Doch sind die Triebwerke unter den Tragflächen, haben es Konstrukteure auch in anderer Hinsicht einfacher.

Gute Balance

Hängen die Triebwerke unter den Tragflächen, liegen sie auch näher zum Gewichts- und Auftriebsschwerpunkt des Flugzeuges, als wenn sie am Heck hängen. Für Konstrukteure ist es somit deutlich einfacher, die Architektur eines Flugzeug aerodynamisch stabil auszulegen. Auch gestreckte Versionen eines Flugzeuges sind einfacher umzusetzen.

Je länger ein Rumpf wird, desto weiter entfernt sich meist auch das Heck von den Tragflächen. Hängen die Triebwerke dann hinten, entsteht auch ein größeres Drehmoment, dass zusätzlich die Balance eines Fliegers beeinflusst. Verstärkt wird das Problem der Massenverteilung dadurch, dass Triebwerke seit Jahrzehnten in der Tendenz größer und schwerer werden – sie müssen immer mehr leisten.

Businessjets halten Hecktriebwerke am Leben

Selbst bei modernen Regionaljets läuten aktuelle Modelle wie der Airbus A220, der Suchoi Superjet oder Embraers E-Jets das Zeitalter der Flieger ein, die ihre Motoren unter den Tragflächen tragen. Doch gänzlich ausgestorben sind T-Leitwerke und Heckmotoren noch lange nicht.

Bei Businessjets ist diese Auslegung nach wie vor Standard. Die Gründe dafür finden sich etwa in ihren Einsatzorten. Anders als kommerzielle Passagierjets landen kleine Privatjets oftmals außerhalb großer Verkehrsflughäfen, wo auch keine Fluggastbrücken bereitstehen.

Näher am Boden

Befinden sich keine Triebwerke unter den Flügeln, braucht der Rumpf weniger Bodenfreiheit. Um einen klassischen Geschäftsflieger betreten zu können, ist nur eine kleine Leiter nötig, die aus der Bordtür ausgeklappt werden kann. Auch ist die Auslegung der Flugstabilität ist weniger kniffelig, weil Businessjets kompakter sind.

Damit verbunden ist die Verteilung der Auftriebs- und Gewichtsschwerpunkte weniger kompliziert. Ebenso haben Triebwerke mit hohem Nebenstromverhältnis, die bei Passagierfliegern Motoren immer schwerer werden lassen, kaum Einzug bei Privatfliegern gefunden.

Mehr Sicherheit bei Motorausfall

Beim Einsatz auf deutlich kleineren Pisten haben Privatjets mit Hecktriebwerken zudem einen Sicherheitsvorteil. Bei einem Ausfall eines Triebwerkes wirkt sich die Asymmetrie des ungleichen Schubs weniger stark auf die Kontrolle des Flugzeuges aus, da die Motoren nahe beieinander liegen.