Im Vorfeld der aktuell in Brasilien stattfinden 30. UN-Klimakonferenz sickerte durch, dass mehrere Staaten fordern, eine Art Luxussteuer auf Flüge in der Business-Class und Privatjets einzuführen. Die Einnahmen sollen den Kampf gegen den Klimawandel finanzieren. Eine Mehrheit wird der Vorschlag wahrscheinlich nicht finden.
Tui, das DLR, Google und die Non-Profit-Organisation Contrails.org arbeiten gemeinsam daran, den Klimafußabdruck der Luftfahrt zu verringern. Im Fokus steht ein Pilotprojekt, das gezielt Nicht-CO₂-Effekte bekämpft – vor allem die Vermeidung klimawirksamer Kondensstreifen.
Kondensstreifenvermeidung als schnelle Maßnahme
Kondensstreifen entstehen, wenn Wasserdampf und Abgaspartikel aus Flugzeugturbinen in kalten, feuchten Luftschichten zu Eiskristallen gefrieren und sichtbare Wolken bilden. Studien zeigen, dass zwar nur bei etwa fünf Prozent aller Flüge solche klimawirksamen Kondensstreifen entstehen, aber sie sind gefährlich.
«Es wäre ein schneller Hebel für den Klimaschutz, die Entstehung von Kondensstreifen von vornherein zu vermeiden», sagt Dr. Christiane Voigt, Leiterin der Abteilung Wolkenphysik am DLR, im Rahmen eines Pressegesprächs.
Google setzt auf KI-Vorhersagen
Neu ist, dass sich durch die Zusammenarbeit mit der Non-Profit-Organisation Contrails.org und Google die Vorhersage, in welchen Gebieten Kondensstreifen entstehen, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz deutlich verbessert hat. Laut Dinesh Santhanam von Google Research geht es dem Technologiekonzern darum, Anwendungsbereiche für maschinelles Lernen und KI-Techniken mit großen Datenmengen zu finden.
KI sagt voraus, wo Kondensstreifen entstehen
Google hat ein KI-gestütztes System entwickelt, das mithilfe von Satellitenbildern nachweist, wo und wann durch Flüge Kondensstreifen entstanden sind. Gleichzeitig stellt das System Prgnsone auf, welche Bereiche oder auch einzelne Luftschichten gemieden werden sollten, damit keine Kondensstreifen entstehen.
Diese Daten und Prognosen fließen dann Dank einer speziellen Software in die Flugplanung ein. Gleichzeitig sollten auch Flugrouten dynamisch angepasst werden, um klimaschädliche Kondensstreifen zu vermeiden. Flugzeuge sollten kritische Luftschichten nach Möglichkeit über oder unterfliegen. Ist das Gebiet zu groß, kann die Route seitlich um die betroffenen Zonen herumgeführt werden.
Tui hat das System getestet
Tui hat die Vorhersagen in der Flugplanung getestet. Von 313 analysierten Flügen wurden 84 umgeleitet oder in der Höhe angepasst. Das Ergebnis war eine Einsparung von 15.000 Tonnen CO₂-Äquivalent, während der zusätzliche Treibstoffverbrauch lediglich 60 Tonnen betrug.
Tuifly-Pilot Tony Schweigert im Pressegespräch spricht von einem Paradigmenwechsel in der Flugplanung: Statt wie bisher zügig in kraftstoffsparende Höhen zu steigen, müssten Pilotinnen und Piloten künftig klimoptimierte Routen priorisieren.
Kondensstreifen-Zone unterfliegen
«Statt direkt auf 35.000 Fuß zu steigen, bleibt das Flugzeug zunächst bei 30.000 Fuß, um eine Kondensstreifen-Zone zu unterfliegen, und steigt später weiter. Das verbraucht zwar mehr Treibstoff, bringt aber erhebliche Klimavorteile», so der Pilot
Die größte Herausforderung liegt in der Koordination: Bei tausenden Flügen gleichzeitig müsste die Fluglotsen klimoptimierte Routen ermöglichen, doch bisher setzt geht es meist nur auf direkte Strecken, um den Luftverkehr effizient und sicher zu steuern. Laut Pilot Schweigert würde die Passagiere von den klimaorientierten Flugrouten nichts mitbekommen, die Umwelt aber massiv profitieren.
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