Beide waren durch Vogelschlag beschädigt: Bei den Ermittlungen zum tödlichen Unglück von Jeju Air in Südkorea stehen die Triebwerke im Fokus. Nun gibt es ein Protokoll der letzten Minuten, bevor die Boeing 737 zerschellte.
179 Menschen starben beim Unglück: Am 29. Dezember 2024 verunglückte am südkoreanischen Flughafen Muan eine Boeing 737-800 von Jeju Air. Das Flugzeug brach den ersten Landeversuch ab, startete durch, setzte von der anderen Seite kommend ohne Fahrwerk auf, überschoss die Piste, raste in einen Erdwall mit Betonfundament, auf dem sich Antennen des Instrumentenlandesystems befanden, brach entzwei und fing Feuer.
Ein erster Zwischenbericht von Ende Januar 2025 zeigte, dass es einen Vogelschlag in beiden Triebwerken gegeben hatte. Am 20. Juli 2025 sollte ein neuer Zwischenbericht erscheinen. Doch die Familien der Absturzopfer, die vorab informiert wurden, lehnten den Inhalt ab. Ihre Kritik: Der Bericht scheine den Piloten die Schuld zuzuweisen, ohne andere beitragende Faktoren zu untersuchen. Die Veröffentlichung wurde abgesagt.
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet unter Berufung auf Informanten, der Bericht zum Jeju-Air-Unglück belege, dass die Piloten das weniger beschädigte linke Triebwerk abgeschaltet hätten. Mittlerweile hat sie den weiterhin unveröffentlichten Bericht selbst eingesehen und schreibt zusätzlich, dass laut den Ermittlern auch das schwerer beschädigte rechte Triebwerk noch ausreichend Leistung für den Flug erzeugte - und die Boeing 737 womöglich länger in der Luft hätte halten können.
Reuters hat zudem aus den Daten des ersten Berichts von Ende Januar und des zweiten Berichts vom 20. Juli einen Ablauf der letzten Minuten zusammengestellt. aeroTELEGRAPH hat ihn etwas gekürzt und um einige technische Angaben ergänzt.
8:54:43 Uhr Ortszeit: Die Crew von Jeju-Air-Flug 7C2216 kontaktiert im Endanflug die Flugsicherung des Flughafens Muan und erhält die Landeerlaubnis für Landebahn 01.
8:57:50 Uhr: Die Flugsicherung warnt vor Vögeln («caution - bird activity»).
8:58:11 Uhr: Die Jeju-Air-Piloten sprechen davon, einen Vogelschwarm unter ihrer Boeing 737-800 mit dem Kennzeichen HL8088 entdeckt zu haben.
8:58:26 Uhr: Die Crew bricht den Landeversuch ab, während des Durchstartens kollidiert das Flugzeug mit Vögeln. Beide Triebwerke sind betroffen. Sie laufen weiter, vibrieren aber. Das rechte Triebwerk erleidet zudem (gemäß den Daten des Flugdatenschreibers) einen sogenannten Surge, stößt Flammen und dichten schwarzen Rauch aus. Der technische Hintergrund: Bei einem Surge kommt es zu einem Strömungsabriss an den Schaufeln des Verdichters. Dadurch staut sich Luft auf, die dann rückwärts durch das Triebwerk strömt.
8:58:45 Uhr: Die Piloten schalten das linke der beiden CFM-International-Triebwerke ab, während sie Notfallmaßnahmen durchführen. Im Bericht vom 19. Juli heißt es laut Reuters, die Belege hierfür stammten vom Stimmenrekorder (Cockpit Voice Recorder oder kurz CVR), dem Flugdatenschreiber (Flight Data Recorder oder kurz FDR) und einer Inspektion der Triebwerke.
8:58:50 Uhr: Stimmenrekorder und Flugdatenschreiber des Flugzeugs stoppen die Aufzeichnung. In diesem Moment fliegt das Flugzeug mit einer Geschwindigkeit von 298 Kilometern pro Stunde in einer Höhe von 152 Metern.
8:58:56 Uhr: Einer der Piloten meldete den internationalen Notruf Mayday wegen eines Vogelschlags beim Durchstarten.
9:00 Uhr: Die Piloten beantragen die Freigabe zur Landung auf Landebahn 19, wobei es sich um die Startpiste aus Gegenrichtung handelt, da der Flughafen nur diese eine Start- und Landebahn hat.
9:01 Uhr – Die Flugsicherung genehmigt die Landung auf Landebahn 19.
9:02 Uhr – Das Flugzeug berührt die Landebahn bei etwa 1200 Metern der 2800 Meter langen Landebahn. Das Fahrwerk ist nicht ausgefahren, das Flugzeug landet auf dem Bauch.
9:02:34 Uhr – Die Flugsicherung alarmiert die Flughafenfeuerwehr.
9:02:57 Uhr – Die Boeing 737-800 rast nach Überschießen der Landebahn in den Erdwall mit Betonfundament.