Das tödliche Unglück der Boeing 737 von Jeju Air wurde durch eine massive Betonmauer am Ende der Landebahn des Flughafens Muan verschlimmert. Fachleute warnten schon lange zuvor, dass sie im Ernstfall tödlich sein könnte. Dennoch tat die Regierung Südkoreas nichts.
Flug 7C2216 war das schlimmste Flugzeugunglück in der Geschichte Südkoreas. 179 Menschen kamen ums Leben, als eine Boeing 737 von Jeju Air am 29. Dezember bei der Landung in Muan nach einem Vogelschlag verunglückte, über die Piste schlitterte und in eine Betonmauer krachte. Zum Absturz trugen verschiedene Faktoren bei - der Vogelschlag und auch die Tatsache, dass die Crew wohl das falsche Triebwerk abschaltete.
Dass derart viele Menschen ums Leben kamen, hat aber auch einen anderen Grund: Die Mauer, die am Ende der Landebahn stand, hätte dort nicht sein dürfen. Die Zeitung New York Times schreibt, dass das auch dem Flughafenbetreiber bewusst war. Und dass dieser die Regierung warnte. Doch geschehen ist nichts.
Das Problem mit der Betonkonstruktion ist das Material. Die Mauer, auf der das Instrumentenlandesystem ILS angebracht ist, hätte statt aus Beton aus zerbrechlichen Materialien gebaut werden und möglichst niedrig sein sollen. Das ist internationaler Standard und sorgt für kleinere Schäden bei einem Zusammenstoß.
In der Folge untersuchte das südkoreanische Verkehrsministerium alle 14 großen Flughäfen des Landes nochmals. Dabei fand es mangelhafte Bauten wie die Mauer in Muan an sechs weiteren Airports. Das Problem geht man nun an. Doch offenbar war die Konstruktion in Muan ursprünglich korrekt geplant, zeigen Dokumente, über die die New York Times berichtet.
Zusammengestellt hat sie Architekt Lee Jun-hwa, Sohn eines Opfers. Er arbeitete sich nächtelang durch lokale Gesetze zu den Fluggesellschaften und Flughafenbetrieben. Er studierte Unfallberichte zu anderen Flugzeugabstürzen. Er fotografierte und vermass die Betonstruktur. Und er beschaffte sich den Masterplan des Flughafenbaus, den auch die Zeitung gesehen hat.
Der sah vor, dass die Konstruktion auf leicht zerbrechlichen Fundamenten errichtet würde, um «tödliche Schäden im Falle einer Kollision zu minimieren». Die Entwürfe entsprachen internationalen Standards. Im Jahr 2003 wurde das Design jedoch geändert und Beton in die Planung aufgenommen.
Wer die Änderung veranlasste und warum, ist unklar. Beton ist jedoch günstiger als leichter brechbare Konstruktionen aus Holz und Stahl. Von den beteiligten Baufirmen gab es keine Antworten, wie es zu der Anpassung kommen konnte. Mit einer Betonkonstruktion hätte die Mauer deutlich weiter von der Landebahn entfernt stehen müssen, um katastrophale Folgen bei einem Zusammenstoß zu verhindern.
Der Flughafenbetreiber Korea Airports Corporation informierte laut dem Bericht das Verkehrsministerium bereits im Mai 2007, ein halbes Jahr vor der Inbetriebnahme des Flughafens Muan. Die Localizer-Mauern stünden zu nah an der Landebahn und müssten weiter entfernt gesetzt werden, um die Sicherheitsvorgaben der International Civil Aviation Organization Icao einzuhalten.
Das Ministerium ging in seiner offiziellen Stellungnahme nicht direkt auf die Warnung ein. Es erteilte die Betriebserlaubnis mit der Bedingung, die nötigen Verbesserungen zu einem späteren Zeitpunkt umzusetzen. Passiert ist das nicht. Und selbst eine weitere Chance, etwas zu ändern, wurde nicht wahrgenommen.
Laut südkoreanischem Gesetz müssen Flughafennavigationssysteme alle 14 Jahre erneuert werden. Statt jedoch eine sicherere Lösung umzusetzen, errichtete das für die Modernisierung beauftragte Unternehmen Anse Technologies auf dem bestehenden Fundament eine weitere massive Struktur – eine weitere dicke, verstärkte Betonplatte.
Welche Faktoren inwieweit zum Absturz und zum extremen Ausgang beitrugen, wird immer noch ermittelt. Erste Antworten könnte es allerdings schon bald geben. Eine unabhängige Untersuchung des Computational Structural Engineering Institute of Korea soll die möglichen Auswirkungen eines Aufpralls eines Flugzeugs auf die Mauer bewerten. Die Ergebnisse könnten noch in diesem Monat veröffentlicht werden.