Letzte Aktualisierung: um 20:12 Uhr

Mit Scoot nach Singapur

Zwölfeinhalb Stunden unterwegs im Billigflieger

Scoot verbindet neuerdings Berlin und Singapur. Wie ist es, fast 13 Stunden mit einer Billigairline zu fliegen? Wir haben es getestet.

Berlin-Tegel ist um eine Langstrecke reicher. Scoot verbindet seit dem 20. Juni die deutsche Hauptstadt vier Mal pro Woche mit Singapur. Damit geht keine klassische Fluggesellschaft an den Start, sondern der Billigableger von Singapore Airlines. Abseits der Konkurrenz möchte die Airline junge und preisbewusste Menschen in die asiatische Metropole fliegen. Gute Umsteigeverbindungen nach Australien oder Japan sollen dies zusätzlich attraktiv machen.

Zwei, drei oder auch vier Stunden im Billigflieger – kein Problem. Aber wie ist das, wenn man mehr als zwölf Stunden mit einem Lowcost-Anbieter unterwegs ist? Wir haben den Selbstversuch gemacht und beim Erstflug von Scoot Platz in der Economy Class genommen.

Lange Schlange

Am Flughafen Berlin-Tegel herrscht um 7 Uhr die allmorgendliche Stoßzeit, als ich mich mit meinem Koffer in Richtung Terminal C begebe. Von dort geht es heute zum ersten Mal nach Singapur. Auf dem Vorfeld parkt bereits die gelbe Boeing 787 von Scoot. Vor ungefähr einer Stunde ist sie erstmals in der deutschen Hauptstadt gelandet. Während der Dreamliner der Billigairline immer noch von Kameraleuten umringt ist und eine Willkommens-Zeremonie stattfindet, wird schon eifrig der erste Rückflug vorbereitet.

Im Terminal angekommen, habe ich keine Mühe, die Schlange zu den Check-in-Schaltern zu finden. Sie sind zur Feier des Tages etwas ausgeschmückt worden. Zudem stehen die Passagiere für den Flug bereits durch das halbe Gebäude an. Wer Tegel kennt, weiß, dass etwas Chaos hier üblich ist. Beim Anstehen bleibe ich also ruhig. Ich liege noch halbwegs okay in der Zeit, als Koffer gegen Bordkarte getauscht wird. Einen Online-Check-in gab es leider nicht.

Sicherheitskontrolle und Passkontrolle gehen fließender voran. Beim Vorzeigen meiner Dokumente zeigt sich, dass Singapur eher zu den exotischen Zielen ab Tegel gehört. Mit ironischer Berliner Schnauze wünscht mir der Bundespolizist viel Spaß in Osnabrück.

Warten auf den Start

Beim Einsteigen herrscht gute Laune, zur Feier des Tages werden Cupcakes und Socken verteilt. Nach und nach steigen immer mehr Mitreisende aus den Vorfeldbussen aus. Es ist ein buntes Publikum: Familien, Backpacker, Pärchen und Alleinreisende eher jüngeren Alters kommen heute mit. Irgendwie könnte ich mir uns alle auch gerade gut in einem Fernbus vorstellen.

Als ich in der vorderen Economy Class meinen Platz beim Sitz 11K einnehme, bin ich angenehm überrascht. Auch wenn ich gerade in ein Flugzeug einer Billigfluggesellschaft gestiegen bin, zeigt es sich mit 76 Zentimeter Abstand zum Vordermann und 46 Zentimeter Breite nicht viel weniger komfortabel als bei manch gestandener Netzwerk-Airline. Lege ich meine Füße etwas unter den Vordersitz, kann ich meine Beine sogar problemlos ausstrecken. Eine Werbung für die Vielflieger-Kreditkarte auf dem Sitz vor mir erinnert mich aber subtil daran, wo ich mich befinde.

Die ersten Stunden

Ich sitze schon bereits 70 Minuten an meinem Fensterplatz, als wir auf die Startbahn rollen. Als dann die Schubhebel nach vorne gehen, verlassen wir Berlin mit 60 Minuten Verspätung. Meine Laune ist dennoch gut, da mein Nebensitz frei geworden ist und ich dadurch die nächsten 12,5 Stunden mehr Platz haben werde. Die erste Zeit verbringe ich damit, die Flügel des Dreamliner zu bestaunen, welche sich beim Steigflug elegant hochbiegen. Zusammen mit den weiten Wolkenfeldern unter uns ergibt das ein schönes Panorama. Viele andere machen bereits ein Nickerchen oder starren auf ihr Telefon, einige wenige unterhalten sich noch.

Nachdem unser Steigflug auf die Reiseflughöhe beendet ist, und sich auch die Flügelspitzen wieder etwas nach unten biegen, wird für mich schon das erste Essen serviert. Vorab kann man bei Scoot eines von mehreren Menüs vorbestellen. Wer nichts bucht, kann sich auch noch an Bord für einzelne Gerichte oder Snacks entscheiden. Für mich gibt es das Long Haul Meal Bundle, dieses ist das üppigste Menü und nur online bestellbar (umgerechnet kostet es 15,50 Euro). Aus einer Aluminumschale gibt es für mich nun Hühnchen-Currywurst mit Kartoffel-Ecken.

Als Beilage einen Bohnensalat und Knabberstangen. Als Nachspeise finde ich dann noch einen Apfelkuchen. Natürlich kommt die Currywurst nicht an die von meiner Stammbude heran. Aber für ein Essen einer Lowcost-Airline stellt sich die Mahlzeit als durchaus okay heraus.

Die Fenster der gerade mal zehn Monate alten Boeing 787 fallen deutlich größer aus als in anderen Flugzeugen und fluten die Kabine mit angenehm viel Licht. Trotzdem möchte ich meinen Augen mal etwas Abwechslung gönnen. Ein Bord-Entertainment gibt es bei Scoot in Form einer App, über die sich Filme und Serien abrufen lassen. Steckdosen zum Aufladen der eigenen Geräte sind ebenfalls da. Jedoch kommt hier natürlich der große Billigflieger-Haken: Für Extras zahlt man – sogar für die Steckdosen (7,70 Euro). Das Unterhaltungsprogramm kostet 9,50 Euro, das Wifi bei Vorbestellung je nach Paket 4,50 bis 51,50 Dollar.

Wie so ziemlich alle anderen Passagiere habe ich zuhause genug Musik, Filme und Podcasts auf mein Smartphone geladen. Zum Arbeiten habe ich meinen Laptop dabei, Zeitschrift und ein Buch werden mich bei leeren Akkus absichern. Mit dem Gefühl, mich halbwegs gegen die Langeweile gewappnet zu haben, fange ich an, mir einen dänisch-schwedischen Krimi anzuschauen. Übrigens wird mir später die App zum Testen freigeschaltet, jedoch hat das Bordnetz den ganzen Flug lang Probleme, mein Smartphone zu erkennen.

Das zweite Drittel

Scoot hat sich nicht nur am Boden ein paar Besonderheiten zum Erstflug einfallen lassen. Während plötzlich der Singapore Song aus den Lautsprechern kommt, tanzen die Flugbegleiter/innen durch die Gänge. Die Uniformen wurden dabei durch Singapur-typische Trachten ausgetauscht. Wer bei den Durchsagen schon gut aufgepasst hat, merkt, dass Scoot etwas anders ticken möchte: die Kabinenchefin nennt ihre Kollegen Scooties, wir Reisenden sind die Boys and Girls. Diese Attitüde nennt die Airline selber Scootitude. Sie soll bewusst jung, dynamisch und auch ein wenig frech wirken. Im Großen und Ganzen fällt mir die Besatzung aber einfach als freundlich und professionell auf.

Es ist kein Geheimnis, dass man auf langen Flügen genug trinken sollte. Als der Getränkewagen seine stündliche Tour durch der Kabine unternimmt, frage ich nach einem Wasser. Da in meiner Verpflegung nur zwei Getränke zum Essen vorgesehen sind, muss ich hierfür jetzt 2,60 Euro zahlen. Selbermitbringen wie bei meinem eigenen Inflight-Entertainment kann mir hier leider nicht helfen, Scoot untersagt dies. Meine Mitreisenden ignorieren die Regel jedoch und nehmen unbeschwert eigenes Essen und trinken zu sich, während die Crew dies hinnimmt.

Kein Wunder also, warum ich auch als einer der wenigen ein Essen von den Scooties bekommen habe. Um nicht meinen Gehorsam zu bereuen, schaue ich lieber, wie es um die Ermittlungen auf meinen Smartphone steht.

Nachdem ich drei Stunden auf das Telefon gestarrt habe, brauche ich eine Pause. Ich stehe zum bereits zweiten Mal auf und starte einen kurzen Spaziergang durch die Kabine. Ich lege danach das Handy beiseite und fange nun an,  was zu lesen. In der Kabine ist es mittlerweile etwas lauter geworden, viele Leute, die Anfangs geschlafen hatten, sind wieder wach und fangen an, entlang der Gänge in Richtung Toiletten zu gehen.

Gleich ist Halbzeit. Unter mir kann ich aus dem Fenster weite Wüsten und entfernte Gebirgszüge erkennen. Wahrscheinlich sind wir irgendwo über dem Iran. Ein kleines Detail beginnt langsam, mich zu nerven. Der Lichtschalter und der Rufknopf für die Kabine sind nicht wie sonst üblich an der Kabinendecke, sondern ungünstig an der Armlehne platziert. Häufig komme ich dabei gegen den Lichtschalter, es wird noch ein paar Stunden dauern bis ich dies verinnerlicht habe. Ich versuche, weiterzulesen und mir meine Müdigkeit für später aufzuheben, wenn die Reise zäher wird.

Die letzten Stunden des Fluges

Ich fange an, öfter auf die Uhr zu schauen, mittlerweile habe ich längst wieder auf mein Handy gewechselt. Die Spaziergänge und das gelegentliche Stretchen zeigen Wirkung – typische Langstrecken-Symptome bleiben aus. Zeit zu schlafen. Waren die Flugbegleiter/innen in den letzten Stunden eher seltener zu sehen, werden sie nun geschäftig. Viele kippen heißes Wasser in Instant-Nudelsuppen, welche in der Speisekarte relativ günstig angeboten werden. Der sich in der Kabine ausbreitende Geruch bringt dabei wohl immer mehr und mehr Eigenversorger auf den Appetit. Ein gutes Geschäftsmodell.

Leider gehöre ich nicht zu den Leuten, die unterwegs gut schlafen können, nach drei Stunden Dösen werde ich geweckt. Immerhin konnte ich recht gemütlich in aufrechter Schlafposition verharren, entgegen üblicher Billigflieger-Standards lässt sich bei Scoot der Sitz ganz normal nach hinten klappen. Die Stewardess reicht mir die zweite Mahlzeit. Es gibt ein Graubrot mit Pute und Käse, dazu Orangensaft und Salzcracker. Ein wenig fühle ich mich zurück auf den Schulhof versetzt. Wer nicht isst oder schläft, starrt auf seine eigenen Bildschirme. Ich fange jetzt auch nochmals einen Film an.

Das Ende ist in Sicht. Als mein Film zu Ende geht, zeigen spektakuläre Gewitter in der Nähe, dass wir nahe dem Äquator sind. Ab jetzt versuche ich bis zur Landung einfach wieder den Flug zu genießen. Nacken- oder Rückenschmerzen deuten sich nur leicht an, auch die höhere Luftfeuchtigkeit im Dreamliner macht sich positiv bemerkbar.

Einzig mein Hungergefühl ist wieder stark angewachsen, die Portionen hätten doch ein wenig größer sein dürfen. Die Crew fängt an, die Landung vorzubereiten. Ein wenig später kann ich schon die sehr vielen Lichter der Containerschiffe sehen, die in der Straße von Singapur vor der Stadt ankern.

Ankunft in Singapur

Die in Tegel verlorene Zeit konnten wir leider nicht mehr aufholen, der Dreamliner hat immer noch die eine Stunde Verspätung, als die Piloten sie in Changi auf das Asphalt setzen. Es ist 4:50 Uhr morgens, als ich aussteige und Richtung Passkontrolle gehe, viele andere Passagiere folgen im Gegensatz zu mir den Bodenlinien in Richtung Anschlussflieger. Gegen 5:30 Uhr stehe ich samt Koffer vor dem Terminal und kann zum ersten Mal die sehr warme und feuchte Luft Singapurs spüren. Ein Nachtbus könnte mich noch zum Hotel bringen, ich gönne mir jetzt jedoch eines der preiswerten Taxis.

Das Fazit

Klar, bei Scoot geht es nicht ganz so zu wie bei anderen Airlines. Wer seine Erwartungen jedoch etwas herunterschraubt und sich bewusst macht, bei einem Billigflieger gebucht zu haben (die Preise betragen aktuell um die 450 Euro für ein Return-Ticket), der bekommt einiges geboten. Ja es ist sogar erstaunlich angenehm, auf der Langstrecke mit Scoot unterwegs zu sein. Leider ging die reduzierte Verpflegung beim Trinken ein wenig ins Portmonee. Die Sitzverhältnisse entsprechen denjenigen vieler anderer Airlines. In Zeiten von Smartphones und zum Beispiel Streamingdiensten mit Offline-Speicherung ist das fehlende Inflight-Entertainment kein Problem mehr, sofern man nicht ein kleines bisschen Vorbereitung und einen kleineren Bildschirm scheut.

Als ich mich am nächsten Tag aufmache, die Stadt zu erkunden, fühle ich mich recht gut. Einzig der Jetlag zehrt ein bisschen, da er mich nur zwei Stunden hat schlafen lassen. Dies passiert aber auch Leuten, die mit einer Fünf-Sterne-Airline hierher gekommen sind.

Weitere Aufnahmen zum ersten Flug sehen Sie in der oben stehenden Bildergalerie.

Das Flugticket für diesen Test wurde von Scoot zur Verfügung gestellt. Die Tester von aeroTELEGRAPH hatten bei ihrem Urteil trotzdem freie Hand. Die Fluggesellschaft nahm weder Einfluss auf den Inhalt des Artikels noch stellte sie irgendwelche Bedingungen. Das würde dem Verhaltenskodex von aeroTELEGRAPH widersprechen.