Aktivurlaub jenseits des Polarkreises? Macht richtig Spaß! Bei Ylläs, Kittilä und Levi warten tolle Bike- und Wandertouren, Stand-up-Paddling auf Flüssen, Waldbaden und Baum-Umarmen. Am schönsten ist das nach der Mitternachtssonne, weil dann die ersten Nordlichter über den Nachthimmel von Finnisch-Lappland tanzen.
Wenn die Nächte keine Tage mehr sind und die Mitternachtssonne vorüber ist, bewundert man hoch im Norden schon die ersten Nordlichter am arktischen Himmel. Und es setzt die sogenannte Ruska ein, die Herbstwaldverfärbung respektive der Indian Summer. Zwei gute Gründe, die Finnisch-Lappland im September zu bereisen. Ausgangspunkt der Entdeckertour ist der Kittilä Airport, rund 150 Kilometer nördlich des Polarkreises und damit auf der Höhe des grönländischen Kangerlussuuaq gelegen.
Dort beginnt die Ruska Mitte September, gut fünf Wochen früher als in Helsinki. Rund um Levi und Ylläs wachsen wegen des harten Klimas fast nur Pinien und ein paar Birken, keine Lärchen, Espen und Ahorn. Deshalb fällt der Farbrausch weniger bunt aus als weiter südlich bei Oulu oder Kuusamo. Zum Ausgleich tut sich mehr am Himmel.
Ab Ende August zeigen sich zuverlässig die ersten Nordlichter. Um die «Aurora Borealis» in voller Pracht zu erleben, muss man sich also zwangsläufig bei winterlichen Minusgraden Hintern und Nase abfrieren, was ebenfalls Spaß machen kann, solange man im Anschluss in die Sauna kann.
Komfortabler ist das Polarlicht-Spotting im lappländischen Spätsommer, wenn tagsüber 18 bis 20 Grad und nachts drei bis fünf Grad herrschen. Vor Ort erzählt man, dass das Spektakel in Lappland summa summarum an 200 Nächten im Jahr zu sehen sei. Das kann gut sein: Wir konnten es an drei von vier Nächten bewundern.
Die Finnen lieben es, durch den Wald oder über ein Fjell zu wandern oder zu biken, um dabei ausgiebig das Herbstbunt zu bewundern und Beeren zu sammeln. Ruskaretki nennen sie das. Zur Ruska sind die Wälder voller Steinpilze sowie Blaubeeren, Moosbeeren, Schwarzer Krähenbeeren und Preiselbeeren.
Die Waldbeeren sind nach den vielen Sonnenstunden des Sommers süß und unfassbar aromatisch. In sumpfigen Bereichen wachsen zudem Moosbeeren (Cranberrys). Die Beeren kann man ohne Bedenken essen. Den bei uns gefürchteten Fuchsbandwurm gibt es in Finnisch-Lappland so wenig wie Zecken.
Am Rand des Pallas-Yllästunturi-Nationalparks bietet der größte Bike-Park Finnlands Pumptracks, wilde Downhills und beliebte Trails wie den Ylläs Air Flow. Wir gehen es entspannter und naturnäher an. Mit unseren Guides geht es auf finnischen Fatbikes hoch auf das Plateau des Kukastunturi.
Dieser rundbuckelige Fjell ragt über die Baumgrenze hinaus. Das Gletschereis, das ihn wie die anderen Berge rund um Kittilä so schön rund gehobelt hat, war drei Kilometer dick. Vor 9.000 Jahren verschwanden die letzten Reste. Vom Gipfelplateau des Kukastunturi bietet sich eine tolle Rundum-Aussicht. Rentiere ziehen im typischen Passgang umher und knabbern Bartflechten von knorrigen Kiefern. Auf den Felsen und Steinen leuchten die Flechten in allen Farben.
Danach warten 4,5 Kilometer Downhill, vom Gipfel bis zum Fluss Murto. Die Fatbikes kosten knapp 80 Euro pro Tag. Das mag teuer klingen, ist es aber nur bedingt: Das Preisniveau in Finnland ist generell «erfrischend» und nähert sich in vielen Punkten dem in Norwegen an. Die 0,33-Liter-Bierflasche an der Bar unseres Drei-Sterne-Hotels etwa kostet 15 Euro.
Wir wären nicht in Finnland, würde nicht auch der Wald auf eine verrückte Weise gefeiert statt nur mit Waldbaden. Die Disziplinen bei der Tree Hugging Worldchampionship? Speedhugging: möglichst viele Bäume in zwei Minuten umarmen. Disziplin Hingabe: die engagierteste Umarmung eines Pinienstamms. Disziplin Freistil: die kreativste Umarmung.
Der Wald Hali Puu liegt gut 25 Kilometer von Kittilä entfernt. Steffan Wunderink kreiert dort aus Biokaffee, kristallklarem Brunnenwasser und mit der Rauchnote des Lagerfeuers. Der selbsternannte Campfire Barista freut sich: Das «Fodor's»-Magazin rühme seinen Kaffee aus rußschwarzen Kannen als «The Best Latte on Earth». Als Geschmacks-Booster dient Steffans Foresty Chai Syrup aus Birkenblättern, Wacholderbeeren, Nelken, Zimt und Zucker. Auf den anfangs darunter gemischten Chaga-Pilz, dessen Heilkraft die Sami beschwören, «muss ich aus lebensmittelrechtlichen Gründen verzichten».
«Bei uns Finnen halten die Babys ihren Mittagsschlaf im Freien, auch im Winter. Sie werden ganz warm und kuschelig eingepackt und dösen dann friedlich im Kinderwagen vor sich hin», erklärt Steffans Frau Riitta Raekillo-Wunderink, während sie uns fürs Arctic Cocooning einwickelt.
«Und genau das machen wir jetzt auch. Wir packen dich in eine warme Decke und wiegen dich ganz leicht in der Hängematte. Du musst nichts tun, nur entspannen, die Baumwipfel und den strahlend blauen Himmel betrachten und auf den Klang des Waldes achten.» Das Ganze entspannt in der Tat so schnell und so gründlich, dass ich nach kurzer Zeit einschlafe.
Die Luft im lichten Wald aus über 100 Jahre alten Lappland-Pinien sei reich an antibiotisch wirkenden Phytonziden der Pinie, die das Wachstum von Killerzellen im Menschen anregen. Außerdem senken sie den Cortisol- und Adrenalinspiegel sowie den Blutdruck. Sagt Riitta.
Stand-up-Paddeln auf dem Käsenkijoki ist für Geübte ein ausgesprochen entspanntes Vergnügen. Der Fluss ist seicht und von hohem Schilf gesäumt. Er fließt sehr langsam vor sich hin, vom Varkaankari-See zum Äkäslompolo-See. Ersterer ist ein reizvolles SUP-Revier, das man vor der Flusspartie erkunden sollte.
Die Boards sind kurz und breit, was angesichts der vielen engen Biegungen praktisch ist. Mehrere Brücken zwingen in die Knie, zweimal sogar auf den Bauch. Rechts und links hohe Schilfbestände, manchmal ist der Fluss etwas labyrinthisch. An einigen Stellen ist das Wasser nur zehn Zentimeter tief.
Nach vier Kilometern ist der Äkäslompolo-See erreicht. Noch eine Ehrenrunde quer über den See, denn das Wetter ist zu schön: Der Himmel strahlend blau, die Luft milde 20 Grad warm. Der SUP-Spaß dauert etwa drei Stunden und kostet bei Ylläs Experiences 95 Euro, Trockenanzug, Board, Transfers und Guide inklusive.
Das überdachte Pontonschiff von Kinos Safaris schippert nach Sonnenuntergang über die Seen Sirkkajärvi und Levijärvi. In einer großen Feuerschale lodert ein Feuer, über dem Bratwürste gegrillt werden. Die kleine Bordsauna ist etwas zugig. Der kleine Holzofen tut sich schwer, die Bude auf mehr als 60 Grad zu erhitzen. Aber das reicht, um danach zur Abkühlung unter Gejohle in den nachtdunklen, eiskalten See zu springen.
Während wir dick in Decken gehüllt auf der Rückfahrt sind, beginnt ein wahres Nordlichtspektakel am Himmel. Entgegen den Prognosen der Aurora-App, die die Chance auf enttäuschende 19 Prozent bezifferte, genießen wir gänzlich unerwartet ein zwanzigminütiges, himmlisches Spektakel.
Grüne Schleier tanzen über den Himmel, schlagen Kapriolen, bilden Schleifen. Meist in Neongrün, aber immer wieder auch Nuancen von Lila und Blau. Das Ganze spiegelt sich auf dem komplett wellenlosen See. Dazu glänzt über unseren Köpfen der Nordstern.
Die Sami, die rund 10.000 indigenen Bewohner Finnisch-Lapplands, nennen die Polarlichter Guovssahas, was «Das Licht, das man hört» bedeutet. Erst 2016 gelang es Wissenschaftlern der finnischen Aalto-Universität, den Klang der Polarlichter zu belegen. Die als Knallgeräusche bezeichneten Phänomene manifestieren sich in einer Höhe von 75 Metern über der Erdoberfläche und werden durch das Absinken von Magnetfeldern von Sonnenwinden verursacht.
Elf rund 30 Quadratmeter große, klimatisierte «Aurora Pyramids» liegen im Tonttula Experience Village, einige Kilometer außerhalb von Levi. Eine pfiffige Idee, die komfortabel umgesetzt wurde. Leider stehen die Pyramiden so eng beieinander, dass sich das Eingangslicht und das der Nachbarpyramiden im Glas spiegelt und den Genuss des Nordlichts beeinträchtigt. Wer das Nordlicht erleben will, muss doch wieder raus in die kalte Nacht. Die Preise liegen zwischen 199 Euro im Sommer und 750 Euro im Winter, Frühstück inklusive.
Anreise
Direktflüge nach Kittilä: Von München mit Lufthansa, von Frankfurt mit Discover Airlines, von Düsseldorf mit Eurowings und mit Edelweiss ab Zürich. Ansonsten mit Zwischenstopp in Helsinki und weiter mit Finnair.
Outdoor-Veranstalter und Unterkunft:
Infos zum Reiseziel Finnisch-Lappland: lapland.fi/visit
Infos zum Reiseland Finnland: visitfinland.com