Letzte Aktualisierung: um 12:01 Uhr

Müdigkeit und Erschöpfung

Pilot von Qatar Airways: «Bin während des Sinkflugs eingeschlafen»

Pilotinnen und Piloten der Golfairline berichten, im Cockpit oftmals müde zu sein. Sie werfen ihrem Arbeitgeber vor, die Arbeitsstunden falsch zu zählen. Qatar Airways will Müdigkeitsprobleme angehen.

Auch an Qatar Airways ging die Pandemie nicht spurlos vorüber. Im Jahr 2020 kündigte die Golfairline an, ein Viertel der Mitarbeitenden zu entlassen. Im Jahr 2021 wurde die Zahl der Angestellten um weitere 27 Prozent auf 36.700 reduziert.

Bei den Destinationen sah es allerdings anders aus. Nachdem die Airline sie 2020 auf 33 reduziert hatte, stieg die Zahl der angeflogenen Ziele im darauffolgenden Jahr wieder auf über 140. Pilotinnen und Piloten werfen der Airline jetzt vor, dass sie, um diese Flüge trotz weniger Mitarbeitenden durchführen zu können, die Arbeitsstunden absichtlich zu niedrig angibt, um die Zahl der durchgeführten Flüge zu maximieren und sich dabei technisch an die Regeln zu halten.

Ruhestunden an Bord zählen nicht als Arbeitszeit

Mehrere von ihnen erklärten anonym in einer Recherche der Thomson Reuters Foundation, dass sie sich u die Sicherheit sorgen. «Sie zählen die Stunden auf eine andere Weise», so ein Pilot. Was das unter anderem heißt: Laut einer Kopie des Betriebshandbuchs der Fluggesellschaft, die der Stiftung vorliegt, hat die inaktive Zeit eines Besatzungsmitglieds während des Fluges keinen Einfluss auf den Anspruch an Ruhezeit.

Wer also auf einem Langstreckenflug nicht am Steuer sitzt, arbeitet offiziell nicht. Ein Großteil eines Langstreckenfluges kann so nicht gezählt werden. Das widerspricht dem Vorgehen der meisten anderen Airlines und den Vorschriften der Luftfahrtbehörden.

Anders als etwa bei Lufthansa

Auch bei Lufthansa gilt etwa: Wer als Crewmitglied an Bord ist, der arbeitet. Die vorgeschriebenen Ruhezeiten sind aus Sicherheitsgründen eingeplant, gehören aber zur Arbeitszeit. Die Folge der anderen Zeitrechnung bei Qatar Airways, so die zitierten Piloten: Die Cockpitcrews der Airline würden so viel und lange am Stück arbeiten, dass die große Mehrheit mit großer Erschöpfung und Müdigkeit zu kämpfen hat.

«Du kannst nichts tun. Dein Körper schreit förmlich nach Ruhe. Man spürt den Schmerz in der Brust und ist nicht in der Lage, die Augen offen zu halten.»

Zwei Kopiloten sammelten in den ersten beiden Januarwochen auf diese Weise nach normalen Berechnungen mehr als 115 Stunden Blockzeit – das bezeichnet die Zeit zwischen Zurückstoßen und Ankunft am Gate. Das ist mehr als die im Handbuch der Fluggesellschaft angegebene 28-Tage-Höchstgrenze von 100 Stunden. Sechs Flugbesatzungsmitglieder erklärten, die ständige Müdigkeit habe Auswirkungen auf ihren Schlafrhythmus und ihre psychische Gesundheit. Dass Schlafmangel auf Dauer die Psyche schädigen kann, ist in mehreren Studien erwiesen worden.

Im Cockpit eingeschlafen

Ein Pilot, der nicht mehr für die Fluggesellschaft arbeitet, berichtet, er sei froh gewesen, als man ihm gekündigt habe: «Ich dachte, wow, jetzt kann ich mich endlich ausruhen.» Ein anderer, der immer noch aktiv ist und mit dem Pseudonym Erik zitiert wird, erzählt: «Ich bin während des Sinkflugs mit 400 Passagieren an Bord eingeschlafen». Es sei das Ende einer 20-stündigen Schicht gewesen.

Er habe das Flugzeug sicher in Doha gelandet, doch der Vorfall besorgte ihn. «Du kannst nichts tun. Dein Körper schreit förmlich nach Ruhe. Man spürt den Schmerz in der Brust und ist nicht in der Lage, die Augen offen zu halten.» Ein weiterer Kopilot berichtet, mindestens zehn Mal eingenickt zu sein.

Qatar Airways arbeitet am «strengsten Risikomanagementprogramm»

Die Fluggesellschaft bietet den Mitarbeitenden die Möglichkeit, solche Vorfälle zu melden. Doch die von Thomson Reuters befragten Crews haben sich das mehrheitlich nicht getraut – aus Angst vor Konsequenzen. Das Problem ist der Airline offenbar bekannt. In einer internen Müdigkeitsumfrage aus dem Jahr 2020, in die Thomson Reuters Einsicht hatte, berichten 60 Prozent der Crewmitglieder, dass ihre Müdigkeit und ihr Stresspegel ihren Schlaf beeinträchtigten.

Was die Folgen der Umfrage waren, ist nicht bekannt. Gegenüber aeroTELEGRAPH heißt es von Qatar Airways, man setze sich gemeinsam mit den Mitarbeitenden dafür ein, «dass die Ruhezeiten und Dienstpläne der Flugbesatzung mit den betrieblichen Anforderungen der Fluggesellschaft in Einklang gebracht werden. Wir arbeiten daran, das strengste Risikomanagementprogramm für Müdigkeit einzuführen.»