Deutschland hat angekündigt, die Luftverkehrsteuer im Juli 2026 auf das Niveau vom 1. Mai 2024 abzusenken. Ein Schritt, der in der politischen Diskussion mit Erwartungen an eine steigende Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Luftverkehrsmarktes und sinkenden Ticketpreisen verbunden wird. Doch was lässt sich empirisch über die Wirkungsweise von Luftverkehrsabgaben sagen? Aktuelle Forschung der vergangenen Jahre zeichnet ein insgesamt nuanciertes Bild.
Die ökonomische Logik hinter Luftverkehrssteuern ist bekannt. Sie dienen der Internalisierung externer Effekte des Flugverkehrs. Dies bedeutet konkret in der Praxis: Durch die Besteuerung sollen die gesellschaftlichen Kosten des Fliegens – etwa durch CO2-Emissionen oder Lärm – im Ticketpreis abgebildet werden. Durch den höheren Preis soll somit eine Lenkungswirkung erzielt werden, sodass für Passagiere ein effizienteres, umweltbewussteres Verhalten angereizt wird. Bei optimaler Ausgestaltung kann dadurch ein ökonomisch effizientes Gleichgewicht erreicht werden, bei dem Flüge nur dann durchgeführt werden, wenn der gesellschaftliche Nutzen die damit verbundenen gesellschaftlichen Kosten übersteigt.
Finanzierungs- und Lenkungsmechanismus
Deutschland verfolgt seit der Einführung der Luftverkehrssteuer im Jahr 2011 einen hybriden Ansatz: Die Abgabe ist ein fiskalisches Instrument zur Finanzierung des staatlichen Haushaltes und gleichzeitig ökonomischer Lenkungsmechanismus. Dieser Doppelcharakter der Luftverkehrsteuer erschwert allerdings die klare Bewertung. Deutlich ist nur, dass die gegenwärtige Ausgestaltung der Steuer – wobei sich die Höhe der Abgabe in erster Linie an der Distanz eines Fluges, nicht jedoch an der tatsächlichen Effizienz des eingesetzten Flugzeugtyps orientiert – keinerlei unmittelbaren Innovations- oder Modernisierungsanreiz für Airlines setzt.
Die bestehende Literatur zum Einfluss der Einführung der Luftverkehrsteuer in Deutschland auf die Passagierentwicklung kommt überwiegend zu dem Ergebnis, dass die Nachfrage auf die Einführung der Abgabe reagierte, wenn auch nur in begrenztem Ausmaß. Eine aktuelle Studie von Helmers und Van der Werf (2022) beobachtet Einbußen der Passagierzahlen im Bereich von sechs bis zwölf Prozent im ersten Jahr nach Einführung der Steuer im Jahr 2011, im Vergleich zu einem Szenario, in dem die Steuer nicht eingeführt worden wäre. In den darauffolgenden Jahren lässt sich hingegen kein statistisch signifikanter negativer Einfluss der deutschen Luftverkehrssteuer nachweisen. Weitere Studien von Falk und Hagsten (2018) und Bernardo et al. (2024) zeigen für den deutsche und österreichischen bzw. europäischen Markt, dass der Einfluss auf die Passagierzahlen maßgeblich durch Lowcost Carrier getrieben ist. Bei durchschnittlichen Ticketpreisen von 20 bis 50 Euro stellt eine Steuer in Höhe von acht Euro einen erheblichen relativen Preisschock dar.
Billiganbieter ja, Netzwerkanbieter eher nein
Netzwerkcarrier sind demgegenüber weniger betroffen, da ihre Kundschaft weniger sensitiv auf Preisänderungen reagiert, was u. a. auf die höheren durchschnittlichen Ticketpreise und den höheren Anteil an Geschäftsreisenden zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund ist weitere empirische Evidenz besonders aufschlussreich. Auf Basis eines umfangreichen monatlichen Datensatzes von 864 europäischen Flughäfen wurde der Effekt der deutschen und norwegischen Luftverkehrsteuer vom Autor dieses Artikels mit einem ökonomischen Modell untersucht.
Die Ergebnisse dieses Modells bestätigen im Kern die Erwartungen aus der ökonomischen Theorie und bestehender Literatur. Für Deutschland finden sich signifikante Rückgänge der Passagierzahlen insbesondere in den Jahren 2012 und 2013 im Vergleich zu einem hypothetischen Szenario ohne Steuer. Für Norwegen, das im Jahr 2016 eine vergleichbare Luftverkehrsteuer einführte, zeigt die Analyse hingegen keine signifikant nachweisbaren Effekte der Steuer. Dies ist in erster Linie geografisch erklärbar: Das Land verfügt im Gegensatz zu Deutschland kaum über alternative Verkehrsträger, wie beispielsweise ein dichtes Hochgeschwindigkeitsnetz.
Entlastungen kommen oft nur teweilse bei der Kundschaft an
Was bedeutet dies nun für die geplante Senkung der deutschen Luftverkehrsteuer im Jahr 2026? Die empirische Evidenz legt nahe, dass große Nachfrageimpulse eher unwahrscheinlich sind. Wenn die Einführung der Steuer nur moderate Effekte erzeugt hat, ist nicht zu erwarten, dass ihre Absenkung eine signifikant gegenteilige Marktreaktion hervorruft. Das gilt insbesondere für das Geschäftsreise- und Premiumsegment, das ohnehin geringere Preiselastizitäten aufweist. Unklar bleibt zudem, in welchem Ausmaß Airlines eine niedrigere Steuer tatsächlich in Form günstigerer Ticketpreise weitergeben.
Studien zeigen, dass solche Entlastungen häufig nur teilweise beim Endkunden ankommen. Es ist zudem auch wichtig zu beachten, dass der Großteil der Transferpassagiere von der deutschen Luftverkehrssteuer befreit ist. Ein entscheidender Punkt, da das Hub-and-Spoke Modell von Lufthansa in Frankfurt und München stark durch eben diese Umsteigepassagiere getrieben ist. Größere relative Effekte sind dagegen grundsätzlich im Lowcost-Bereich denkbar, da hier Margen und Preise sensibler auf Änderungen der Steuerlast reagieren. Gleichwohl erscheint, nach aktuellem Kenntnisstand, nur ein begrenzter gesamtwirtschaftlicher Einfluss realistisch.
Stärkere Kopplung der Steuer an technologische Effizienz
Aus klimapolitischer Perspektive ist die Senkung der Abgabe umstritten. Vor diesem Hintergrund erscheint es ökonomisch und ökologisch sinnvoller, die Abgabe grundsätzlich weiterzuentwickeln. Ein möglicher Ansatz wäre die stärkere Kopplung der Steuer an die technologische Effizienz der eingesetzten Flugzeuge. Die größten Umweltentlastungen im Luftverkehr resultieren aus Flottenmodernisierung, technischen Effizienzgewinnen und dem zunehmenden Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe.
Eine differenzierte Steuer, etwa mit geringeren Abgabensätzen für Flüge mit neuen, emissionsärmeren Flugzeugtypen wie Airbus A320 Neo, Boeing 737 Max, Airbus A350 oder Boeing 787 sowie höheren Sätzen für veraltete Flotten, könnte dazu beitragen, marktwirtschaftliche Signale zu präzisieren und gezieltere Anreize zu setzen. Insgesamt zeigt sich, dass die geplante Senkung der Luftverkehrssteuer die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Flughäfen und Fluggesellschaften daher nur leicht verbessern könnte, ohne die Marktstrukturen grundlegend zu verändern.
Technologische Innovationen treiben den Wandel mehr
Die großen Treiber des Wandels im Luftverkehr bleiben technologische Innovationen, deren Einführung und Diffusion durch eine weitergedachte Ausgestaltung der Steuer wirksam flankiert werden könnte.
Max Bürlein studierte Volkswirtschaftslehre an der London School of Economics LSE und beschäftigte sich in seiner Forschung schwerpunktmäßig mit der ökonomischen Wirkung von Luftverkehrssteuern und Regulierungsmechanismen im europäischen Luftverkehr. Er ist als Economic Consultant bei einer international führenden Beratung tätig.
Die Meinung der freien Kolumnisten muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.